Von: mk
Turin – Das in der Grabkapelle des Dom von Turin aufbewahrte Turiner Grabtuch wird von vielen Gläubigen als das Tuch verehrt, in dem Jesus von Nazaret nach der Kreuzigung begraben wurde, und hat eine Reihe von Christusdarstellungen inspiriert. Der Ursprung des Tuches und sein Aussehen sind der Gegenstand einer intensiven Debatte unter Theologen, Historikern und anderen Forschern. Nun könnte die moderne Wissenschaft dazu beitragen, das Geheimnis zu lüften.
Auf dem 4,36 Meter langen und 1,10 Meter breiten Leinentuch ist das Ganzkörper-Abbild der Vorder- und Rückseite eines Mannes zu sehen. Wie aus einer 3D-Simulation hervorgeht, ist das Tuch wahrscheinlich jedoch nicht über einen menschlichen Körper ausgebreitet worden, sondern über ein Flachrelief. Die 3D-Simulation wurde in der Fachzeitschrift Archaeometry veröffentlicht, berichtet die Nachrichtenagentur Ansa.
Die Studie untermauert somit die bereits seit Langem vertretene Hypothese, dass es sich bei dem Grabtuch um ein mittelalterliches Artefakt handelt. Eine im Jahr 1989 veröffentlichte Untersuchung datierte das Grabtuch auf den Zeitraum zwischen 1260 und 1390 unserer Zeit.
Brasilianischer Experte liefert neue Erkenntnisse
Die aktuelle Analyse stammt vom brasilianischen Experten Cicero Moraes, der für seine dreidimensionalen Rekonstruktionen von Gesichtern vieler historischer Persönlichkeiten bekannt ist – von Antonius von Padua bis hin zu Francesco Petrarca. Im Rahmen seiner jüngsten Arbeit, die im Juni 2024 veröffentlicht wurde, rekonstruierte er das Gesicht vom ältesten bisher entdeckten Homo Sapiens, der vor 315.000 Jahren gelebt haben soll.
„Das Bild auf dem Turiner Grabtuch ist eher auf ein Flachrelief zurückzuführen“, erklärte Moraes gegenüber Live Science. Dem Experten zufolge könnte das Relief aus Holz, Stein oder Metall gefertigt und nur in den Kontaktbereichen pigmentiert oder sogar erhitzt worden sein, wodurch der Abdruck entstanden sei.
Moraes verglich mittels von 3D-Simulation zwei unterschiedliche Szenarien: Im ersten liegt ein virtuelles Tuch über einem menschlichen Körper, während es im zweiten über ein Relief drapiert wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass das zweite Szenario nahezu exakt mit Fotografien des Turiner Grabtuchs übereinstimmt. Die erste Ergebnis zeigt hingegen: Hätte man das Tuch tatsächlich auf einen menschlichen Körper gelegt, wäre der Abdruck deutlich verzerrter.
Der italienische Historiker Andrea Nicolotti stimmt den Schlussfolgerungen von Moraes zu. Allerdings kritisierte er laut Skeptic.com, dass die Studie eigentlich nichts Neues aussage. „Cicero Moraes hat Recht, aber seine Forschung ist nicht besonders revolutionär“, so Nicolotti. „Seit mindestens vier Jahrhunderten wissen wir, dass das Bild auf dem Grabtuch sicherlich nicht durch den Kontakt mit einem dreidimensionalen Körper entstanden sein konnte.“
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