Erste Disziplinarverfahren abgeschlossen – VIDEO

Ärztekammern gehen gegen „Impfgegner im weißen Kittel“ vor

Dienstag, 29. Dezember 2020 | 08:05 Uhr

Rom – Es handelt sich um eine sehr kleine – nur rund hundert Mediziner von mehr als 400.000 in Italien praktizierenden Ärzten – aber sehr laute Minderheit. Die Rede ist von den Impfgegnern und Coronaleugnern unter den Ärzten. Auch wenn die in den Ärztekammern organisierten Mediziner noch zögern, zeichnet sich doch ein strenges Vorgehen gegen die „Impfgegner im weißem Kittel“ ab. Vonseiten der römischen Ärztekammer wurde gegen 13 Mediziner, die sich öffentlich gegen Impfungen gestellt oder Covid-19 geleugnet hatten, ein Verfahren eröffnet.

Facebook/FNOMCeO

Obwohl gleich wie alle Angestellten der Gesundheitsbetriebe die Ärzte im Kampf gegen Covid-19 an vorderster Front stehen und zusammen mit den anderen Krankenhausberufen die höchsten Opferzahlen aufweisen – bisher steckten sich in Italien fast 90.000 Krankenhausangestellte mit SARS-CoV-2 an und 273 Mediziner fielen der Coronaepidemie zum Opfer – gibt es unter den mehr als 400.000 in Italien praktizierenden Ärzten auch Mediziner, die als Impfgegner und Coronaleugner gelten.

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Obwohl sie zu den Risikogruppen gehören, die so bald als möglich geimpft werden sollten, wollen diese Ärzte nicht an der Impfkampagne teilnehmen. Der Präsident des Verbandes der italienischen Ärztekammern (FNOMCeO), Filippo Anelli, schätzt ihre Zahl auf rund 100 Kollegen. Laut Filippo Anelli ist das Problem nicht neu, sondern trat bereits während der Diskussion um die Pflichtimpfungen für Kindergarten- und Schulkinder auf. Der Präsident des Verbandes der italienischen Ärztekammern betont, dass es sich um eine kleine, aber laute Minderheit handelt und dass gegen einige ihrer Vertreter bereits von den Ärztekammern eröffnete Ermittlungen und Disziplinarverfahren im Gange sind.

APA/APA (AFP)/JACK GUEZ

Die Diskussion um die „Impfgegner im weißem Kittel“ findet auf dem schmalen Grat zwischen dem höheren öffentlichen Interesse, das auch mit ihrem Beruf zusammenhängt, und der persönlichen Meinungsfreiheit statt. Derzeit wird in Rom auf politischer Ebene über eine Impfpflicht für die Ärzte und die anderen Angestellten der Gesundheitsbetriebe nachgedacht.

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„Wir sind nicht dagegen, aber es muss ein Gleichgewicht zwischen der Verfassung, die besagt, dass keinem Bürger eine medizinische Behandlung auferlegt werden kann, und den Erfordernissen der gegebenen Lage gefunden werden. Das Recht, eine Impfung zu verweigern, kann verletzt werden, wenn durch die Weigerung das gemeinschaftliche Zusammenleben und die öffentliche Gesundheit, die ein höheres Interesse darstellen, gefährdet werden. Aber das muss wie im Falle der von der damaligen Ministerin Lorenzin eingeführten Pflichtimpfungen das Parlament entscheiden“, erläutert Filippo Anelli.

APA/APA (dpa)/Matthias Bein

Weil sie in den sozialen Netzwerken und im Fernsehen die Meinung vertreten hätten, dass Covid-19 einer Grippe ähnle oder eine Impfung keinen Nutzen bringe, eröffnete die Ärztekammer von Rom gegen 13 Mediziner ein Ermittlungsverfahren. „Es handelt sich um zehn Kollegen, die die Meinung der Impfgegner vertreten, und um drei Mediziner, die die Existenz von Covid-19 geleugnet haben. Nachdem uns Bürger und Kollegen Eingaben mit beiliegenden Unterlagen geschickt haben, haben wir gegen die 13 Ärzte ein Disziplinarverfahren eingeleitet“, so der Präsident der römischen Ärztekammer, Antonio Magi.

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Im Rahmen des Verfahrens können die Mediziner für ihre Meinung und ihr Verhalten wissenschaftliche Erklärungen und Begründungen abgeben, die von einer eigens eingesetzten Kommission der Ärztekammer bewertet werden. In der Folge entscheidet die Kommission, ob das Verfahren archiviert wird oder ob es mit einer Bestrafung endet. „Für die zehn Impfgegner sind die Verfahren bereits beendet. Da sich einige ‘reuig’ gezeigt haben, sind die Verfahren in diesen Fällen archiviert worden. Die anderen sind hingegen mit Bestrafungen, die von einer Ermahnung bis zu einer ein- oder zweimonatigen Suspendierung reichen, abgeschlossen worden“, so Antonio Magi.

Für die drei Coronaleugner dauert das Verfahren aber noch an. Obwohl die Corona-Notlage zu Zeitverzögerungen führt, ist Antonio Magi zuversichtlich, dass die Disziplinarverfahren in den nächsten zwei Monaten abgeschlossen werden können.

In der Zwischenzeit mehren sich in der italienischen Politik die Stimmen, die eine Schaffung der Impfpflicht fordern. Diese Forderung wird auch von vielen Virologen und Epidemiologen geteilt. „Die Impfung mit dem Corona-Vakzin sollte für alle Angestellten der Gesundheitsbetriebe sowie für jene der Alten- und Pflegeheime verpflichtend sein. Es ist eine ethische und professionelle Pflicht. Ansonsten ist es besser, den Beruf zu wechseln“, so der Infektiologe Massimo Andreoni.

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„Diese Epidemie hat uns gelehrt, dass sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Pflegeheimen oft das Gesundheitspersonal Träger von SARS-CoV-2 ist. Wie ist es möglich, dass wir die Angehörigen der Kranken und Alten aussperren und zugleich zulassen, dass die Angestellten Träger des Coronavirus sind? Die Verpflichtung ist mit der Arbeit verbunden, die man ausübt. Niemand wird gezwungen, Arzt, Krankenpfleger, Soldat oder Polizist zu sein. Für einige Berufstätige gibt es für die Aufgabe, die sie innehaben, eine Pflichtimpfung. Es handelt sich dabei nicht um eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, sondern um eine Regel. Aus demselben Grund sind für schulpflichtige Kinder die Pflichtimpfungen eingeführt worden: Ziel ist es immer, die Gemeinschaft zu erhalten und zu stärken“, so die unmissverständlichen Worte von Massimo Andreoni.

 

Von: ka