Ursachenforschung in Treviso – VIDEO

Außer Kontrolle: 257-Coronainfizierte in Aufnahmezentrum

Montag, 10. August 2020 | 08:09 Uhr

Treviso – Der größte Corona-Hotspot in Italien ist eine ehemalige Kaserne bei Treviso. In der Kaserne, die seit geraumer Zeit als Aufnahmezentrum für Flüchtlinge dient, fielen von 309 Abstrichen nicht weniger als 257 positiv auf SARS-CoV-2 aus.

Bei den Corona-positiv getesteten Personen handelt es sich um 246 Migranten und elf Mitarbeiter des Aufnahmezentrums. Um eine Flucht von Insassen des Zentrums zu verhindern und um bei eventuellen Auseinandersetzungen zwischen Migranten zeitnah eingreifen zu können, wurden in der Umgebung der Kaserne die Polizeikräfte verstärkt. Während die Behörden versichern, dass die Lage unter Kontrolle sei, wird in der italienischen Öffentlichkeit rege Ursachenforschung betrieben. Wie konnte es passieren – fragen sich insbesondere die Einwohner von Treviso in Venetien – dass innerhalb weniger Wochen der Großteil der Migranten in der ehemaligen Kaserne mit dem Coronavirus infiziert wurde.

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Seit dem Bekanntwerden der Tatsache, dass in der als Asylaufnahmezentrum verwendeten, ehemaligen Kaserne „Serena“ von 309 abgenommenen Abstrichen 257 positiv ausfielen, wird in Treviso rege über die möglichen Ursachen debattiert. Es scheint sich abzuzeichnen, dass eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen zum größten Corona-Herd Italiens führten.

Die Geschichte des größten Corona-Hotspots Italiens begann mit einem Bediensteten pakistanischer Nationalität, der mit nicht nachlassendem Fieber und weiteren typischen Symptomen einer Ansteckung mit dem Coronavirus von seinem Heimaturlaub zurückgekehrt war. Der Pakistaner, bei dem es sich vermutlich um den „Patienten null“ handelt, wurde positiv getestet und in einem Krankenhaus stationär aufgenommen.

Um die für solche Fälle vorgeschriebenen Coronamaßnahmen zu ergreifen, suchten in der Folge Ärzte und Pflegekräfte des zuständigen Sanitätsbetriebs von Treviso das Aufnahmezentrum für Flüchtlinge auf. Allerdings rechneten sie nicht mit dem Widerstand eines guten Teils der Flüchtlinge. Diese verweigerten sowohl eine ärztliche Visite als auch die Abnahme eines Abstrichs. Aber ganz besonders wollten sie sich nicht mit der Verhängung der Quarantäne abfinden. Angesichts der „Revolte“ sahen sich die Mitarbeiter der lokalen Sanitätseinheit gezwungen, die Ordnungskräfte zu verständigen. Erst die herbeigerufenen Beamten der Carabinieri, der Polizei und der Lokalpolizei stellten die Ruhe wieder her und sorgten dafür, dass die Ärzte und Pflegekräfte alle erforderlichen Corona-Maßnahmen durchführen konnten.

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Nach den ersten positiven Fällen gelang es aber nicht, den Corona-Ausbruch erfolgreich einzudämmen. Am 30. Juli wurden unter den rund 330 in der ehemaligen Kaserne untergebrachten Migranten 130 Neuansteckungen mit dem Coronavirus festgestellt. In Treviso schrillten sofort die Alarmglocken. Im Rahmen einer weiteren flächendeckenden Testserie fielen von 309 Abstrichen nicht weniger als 257 positiv auf SARS-CoV-2 aus.

In Treviso kursierten bald gegenseitige Schuldzuweisungen. Während die Betreiber des Aufnahmezentrums für Flüchtlinge dem lokalen Sanitätsbetrieb eine Mitschuld am Corona-Ausbruch gaben und von einer „mangelhaften gesundheitlichen Überwachung“ sprachen, wiesen die Verantwortlichen der lokalen Sanitätseinheit von Treviso mit Blick auf die verschiedenen „Revolten“ im Zentrum auf das vorhandene Sicherheitsproblem hin.

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Als Hauptgrund für das Corona-Desaster im Asylaufnahmezentrum von Treviso wird die fehlende Trennung zwischen positiv und negativ getesteten Insassen des Aufnahmezentrums genannt.

Aus bisher noch ungeklärten Gründen wurde das ursprüngliche Projekt, einen Flügel des Gebäudes der Kaserne für die positiv getesteten Migranten bereitzustellen, nie realisiert. Aus diesem Grund fuhren gesunde Insassen und asymptomatisch SARS-CoV-2-positive Flüchtlinge über mehrere Wochen hinweg fort, die gemeinsamen Aufenthalts- und Schlafräume der unter anderem überfüllten Kaserne zu benutzen. Diesem Szenario zufolge wurden nach und nach der Großteil der untergebrachten Flüchtlinge, aber auch ein guter Teil der Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert.

Facebook/Luca Zaia

Für Venetien ist die Tatsache, in der eigenen Region den größten Corona-Hotspot Italiens zu beherbergen, eine Katastrophe. Laut Aussage von Wirtschaftsvertretern der Region beschädigt der Corona-Herd von Treviso alle Bemühungen, wieder langsam aus der Krise zu kommen. Die Touristiker melden erste Stornierungen von bereits gebuchten Urlauben.

In einem Interview zeigte sich Venetiens Präsident Luca Zaia empört. Er bezeichnete die Betreiber als unfähig, ein Asylaufnahmezentrum zu führen, erklärte die Kaserne zur „Roten Zone“ und forderte die römische Regierung im gleichen Atemzug dazu auf, solche Zentren zu schließen.

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Von: ka