Experten rätseln über den Brand – VIDEO

Busunglück in Mestre: Spielten die Batterien eine Rolle?

Freitag, 06. Oktober 2023 | 08:06 Uhr

Venedig/Mestre – Drei Tage nach dem Busunglück von Venedig, das 21 Menschen das Leben kostete, debattieren Experten darüber, was der Auslöser dieses Desasters war.

Im Vordergrund stehen die maroden, viel zu niedrigen und ebenso zu schwachen Leitplanken, die nicht imstande waren, das Herabstürzen des Busses auf die zehn Meter unter dem Viadukt liegenden Gleise zu verhindern. Auf der anderen Seite wird auch diskutiert, ob die Beschädigung der Batterien des elektrisch betriebenen Busses zum Unglück beigetragen haben könnte.

Polizia di Stato

Die Frage, ob die Elektrobatterien des Busses der Marke Yutong Eurobus E12 eine Mitursache für den Busunfall in Mestre waren, wird unter den Experten heftig diskutiert. Die Feuerwehr musste bis zum frühen Mittwochmorgen gegen 5.00 Uhr, also neun Stunden nach dem Unfall warten, um das Wrack bergen zu können. Um sicherzustellen, dass der Batteriebrand nicht erneut ausbricht, wurde das Fahrzeugwrack danach alle vier Stunden kontrolliert. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass elektrisch betriebene Fahrzeuge weniger oft Feuer fangen als konventionelle Autos. Allerdings ist das Feuer, das unter bestimmten Umständen entstehen kann, schwieriger zu löschen.

Vigili del Fuoco

Der Unglücksbus ist das Modell E12 des chinesischen Herstellers Yutong Eurobus, der in diesem Bereich weltweit führend ist. Dieses ausschließlich elektrisch betriebene Busmodell besitzt eine Reichweite von 400 Kilometern, die durch die unter dem Dach untergebrachten Batterien mit einer Gesamtleistung von 350 kW gewährleistet wird. Die Lage der Batterien unter dem Dach gilt dem Hersteller zufolge als sicher. Zur technischen Ausstattung des elektrischen Busses gehören auch ein automatisches Anti-Kollisionssystem sowie Innen- und Außenkameras.

Laut Yutong sind die Batteriepakete des E12-Elektrobusses mit einer Sicherheitsvorrichtung ausgestattet, die vor Kurzschlüssen schützt und es dem System erlaubt, sich den verschiedenen Gegebenheiten anzupassen. Im Falle einer anormalen externen Überlast oder eines Kurzschlusses kann der fehlerhafte Stromkreis rechtzeitig abgeschaltet werden. Bei der Isolierung der Batterie handelt es sich um eine vom chinesischen Hersteller entwickelte Sandwichstruktur, die einem 1.300 Grad heißen Brand über zwei Stunden lang standhalten soll. Nach Angaben des Unternehmens entsprechen alle Batterieeinheiten in vollem Umfang der Sicherheitsprüfnorm der EU nach ECE-R100.

Vigili del Fuoco

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass elektrisch betriebene Fahrzeuge sehr sicher sind und in der Tat weniger oft Feuer fangen als herkömmliche Fahrzeuge. Allerdings ist der Brand, der unter bestimmten Umständen ausbrechen kann, schwieriger zu löschen.

„Lithiumbatterien können leider Feuer fangen. Wenn das geschieht, ist es äußerst schwierig, die Flammen vor dem vollständigen Verbrennen aller brennbaren Stoffe zu löschen“, erklärt der Dozent an der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Universität Padua und Leiter des Labors „Eescolab“ für die Entwicklung von Speichersystemen, Massimo Guarnieri.

„Wenn, wie es bei einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug der Fall ist, mehrere Batterien zusammengeschaltet werden, kann es immer zu einem Phänomen kommen, das als Thermisches Durchgehen bezeichnet wird. Das bedeutet, dass die Überhitzung einer Batterie schnell auf die anderen übergreifen kann. Wenn das passiert, fängt das Fahrzeug komplett Feuer. Wir haben das auch schon bei sehr hochwertigen Fahrzeugen beobachten können. Es ist ein seltenes Phänomen, das aber seit mehr als 20 Jahren bekannt ist und nur durch eine sehr gute Planung und Konstruktion der thermischen Kontrollsysteme verhindert werden kann“, so Massimo Guarnieri.

Vigili del Fuoco

Zur Bustragödie von Mestre befragt, hält es der Dozent an der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Padua für wahrscheinlich, dass das Feuer durch Funken entstanden sei, als durch den Sturz vom Viadukt und dem Aufprall auf die Gleise die Batteriepackungen und die Isolierungen schwer beschädigt worden seien und dadurch die verschiedenen hochreaktiven Chemikalien – von Lithium über Kobalt bis Mangan – untereinander in Kontakt geraten seien.

„Wenn Batteriepackungen dieser Art Feuer fangen, dient das Eingreifen der Feuerwehr nur mehr dazu, den Brandherd einzugrenzen und das Ausgreifen des Feuers auf die Umgebung zu verhindern. Vor dem Verbrennen des gesamten Inhalts der Batterien ist es aber fast unmöglich, das Feuer zu löschen“, so das Fazit von Massimo Guarnieri.

Vigili del Fuoco

Der Provinzkommandant der Feuerwehr von Venedig, Mauro Luongo, scheint die Ansicht des Professors zu bestätigen. „Die Rettungsmaßnahmen wurden durch die Batterien erschwert, die beim Aufprall in Brand geraten waren. Wenn sie heiß sind, sind Batterien gefährlich. Um sie entfernen zu können, mussten wir warten, bis sie abgekühlt waren“, erklärt Mauro Luongo.

Polizia di Stato

Ob und falls ja, welche Rolle die Batterien des Elektrobusses beim Unglück spielten, werden die Ermittlungen der Staatsanwalt weisen. Diese stehen jedoch erst am Anfang.

Von: ka