Wegen versuchten Mordes verurteilt: Notwehr oder Selbstjustiz? – VIDEO

Einbrecher angeschossen: Vier Jahre und elf Monate Haft

Donnerstag, 21. Dezember 2017 | 08:06 Uhr

Legnaro/Padua – Ein Urteil des Gerichts von Padua, das weit über Venetien hinaus für erhebliche Diskussionen sorgt, zeigt, wie dünn der Unterschied zwischen Notwehr und Selbstjustiz ist. Während erst vor einer Woche das Verfahren gegen einen 61-Jährigen – er hatte einen Einbrecher überrascht und erschossen – SüdtirolNews berichtete – eingestellt wurde, weil laut Meinung der Richter der Mann aus Notwehr gehandelt hatte, wurde in Padua der 37-jährige Walter Onichini wegen versuchten Mordes zu vier Jahren und elf Monaten Haft verurteilt.

Twitter/Padova

Es war in den frühen Morgenstunden des 22. Juli 2013, als mehrere Einbrecher ins Erdgeschoss der Villa von Onichini in Legnaro, einer Ortschaft bei Padua, eindrangen, um es leer zu räumen. Um 3.30 Uhr von verdächtigen Geräuschen aus dem Untergeschoss aus dem Schlaf gerissen, nahm der 37-Jährige seine regulär gemeldete Waffe – ein Pumpgun – zur Hand und öffnete das Fenster seines Schlafzimmers. Just in diesem Moment kamen die Räuber mit ihrer Beute aus dem Erdgeschoss und wollten auch noch den vor dem Haus geparkten Wagen von Walter Onichini – einen Audi S4 – stehlen. Onchini zielte auf die Räuber und gab auf einen von ihnen, den 25-jährigen albanischen Staatsbürger Elson Ndreca, mehrere Schüsse ab. Schwer verletzt brach der 25-jährige Einbrecher vor dem Haus zusammen. Um den Verdacht von sich abzulenken, lud Onichini den blutenden Elson Ndreca in sein Auto. Ungefähr einen Kilometer von seiner Villa entfernt legte er ihn in einem Feld ab. Erst in den frühen Morgenstunden wurde der verletzte Einbrecher von einem Passanten aufgefunden. Rettungskräfte brachten den angeschossenen Elson Ndreca ins Krankenhaus, wo ihm die Milz entfernt werden musste.

Schnell führte damals die Spur zu Walter Onichini. Er wurde wegen versuchten Mordes in das Ermittlungsregister eingetragen. Onichini wehrte sich und behauptete, dass er geschossen habe, um seine Frau und sein Kind zu schützen. Der Staatsanwalt ließ aber während der Gerichtsverhandlung mehr als vier Jahre nach der Tat diesen Einwand nicht gelten.

Walter Onichini, so der Staatsanwalt, habe als erfahrener Tontaubenschütze das Können, ein bewegliches Ziel wie einen flüchtenden Einbrecher zu treffen. Daher habe Onichini, als er Elson Ndreca mehrmals anschoss, vorsätzlich gehandelt. Der 37-Jährige, so die Anklage weiter, habe im vollen Bewusstsein geschossen, um den Flüchtenden zu treffen und seinen Tod zu verursachen. Dabei habe weder für ihn noch für seine Angehörigen eine Gefahr bestanden. Der schwer verletzte Einbrecher sei zu keiner Gegenreaktion mehr fähig gewesen, was Notwehr ausschließe.

Twitter/Padova

Das Gericht folgte im Wesentlichen den Ausführungen des Staatsanwalts, ließ nur den mildernden Umstand des „Zorns wegen des Einbruchs“ gelten und verurteilte Walter Onichini wegen versuchten Mordes zu vier Jahren und elf Monaten Haft, zur Zahlung aller Prozesskosten und dazu, Elson Ndreca zu entschädigen. Die Höhe der Entschädigung muss in einem getrennten Zivilverfahren festgestellt werden, aber das Gericht verurteilte den Angeklagten zur vorläufigen Zahlung eines ersten Vorschusses von 24.500 Euro.

Das Urteil löste zum Teil heftige Proteste aus. „Sie rauben dein Haus aus und zwingen dich auch noch, den Schaden zu bezahlen“, so Freunde und Unterstützer von Walter Onichini. „Das System muss uns schützen, wir werden vergewaltigt“, so die Mutter des Angeklagten, Lorella Roncolato. Im Netz pflichteten viele Kommentatoren der Mutter von Walter Onichini bei, und meinten, dass das Gesetz geändert werden müsse. Bereits im Vorfeld des Urteils wurden zugunsten von Walter Onchini Mahnwachen abgehalten und Protestmärsche organisiert.

Von: ka