33-jähriger mutmaßlicher Vatermörder sitzt in Untersuchungshaft – VIDEO

Erbschaftsstreit: Plante Marco Eletti den perfekten Elternmord?

Mittwoch, 28. April 2021 | 07:55 Uhr

San Martino in Rio – Vier Tage nach der Tragödie von San Martino in Rio dringen immer mehr Einzelheiten und Hintergründe über die schreckliche Bluttat an die Öffentlichkeit. Dem 33-jährigen Marco Eletti, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt, wird zur Last gelegt, seinen Vater ermordet und seine Mutter schwer verletzt zu haben. Die Ermittler glauben, dass der 33-Jährige, der mehrere Kriminal- und Science-Fiction-Romane geschrieben hat, geplant hätte, einen Mord-Selbstmord seiner Eltern zu inszenieren. Als Motiv wird ein seit geraumer Zeit schwelender Erbschaftsstreit vermutet.

ANSA/FACEBOOK PAOLO ELETTI

Am letzten Samstag gegen 17.00 Uhr wurden in einer Wohnung in San Martino in Rio bei Reggio Emilia der 58-jährige Paolo Eletti tot und seine 54-jährige Ehefrau Sabrina Giulietti schwerverletzt aufgefunden. Erste Untersuchungen ergaben, dass der 58-Jährige mit mehreren Schlägen auf dem Kopf, die vermutlich mit einem Hammer ausgeführt worden waren, ermordet worden war. Die Frau hingegen wies an beiden Handgelenken Schnittverletzungen auf.

Der Sohn des Ehepaars, der 33-jährige Marco Eletti, der die Rettungskräfte und die Carabinieri verständigt hatte, gab gegenüber den Beamten an, dass er nach seiner Heimkehr seine Eltern in diesem Zustand angetroffen hätte. Im folgenden Verhör verstrickte sich Marco Eletti allerdings in dermaßen viele Widersprüche, dass die Carabinieri zum begründeten Verdacht gelangten, der 33-Jährige sei der eigentliche Urheber der schrecklichen Bluttat.

Diese Hypothese wird auch von weiteren Indizien gestützt. Die Feuerwehrleute, die zusammen mit den Rettungskräften und den Carabinieri am Tatort eintrafen, stellten nach dem Löschen eines kleinen Brandes, der in der Garage ausgebrochen war, die verbrannten Überreste von Gummihandschuhen und Schnüren, die auch zum Fesseln von Menschen verwendet werden können, sicher.

In den Stunden und Tagen nach dem Mord fügten sich die aus Spuren und Zeugenaussagen bestehenden Indizien wie Puzzlesteine zu einem Gesamtbild zusammen. Einer Rekonstruktion der Ermittler zufolge hätte Marco Eletti um die Mittagszeit seine Eltern zuerst mit einem starken Beruhigungsmittel betäubt, den 58-jährigen Paolo Eletti mit einem Maurerhammer erschlagen und der 54-jährigen Sabrina Giulietti die Pulsadern aufgeschnitten. Ziel der Inszenierung sei es gewesen, den Mord von Paolo Eletti durch die Hand seiner Frau und ihren folgenden Selbstmord vorzutäuschen. Nach der Tat hätte der 33-Jährige das Haus verlassen, um mehrere Stunden später zurückzukehren und laut schreiend den angeblichen „schrecklichen Fund“ vorzuspielen.

ANSA/ARTIOLI Im Bild: Marco Eletti, 33

Allerdings – so die Carabinieri und die Staatsanwaltschaft – habe sein zu früher Alarm den „perfekten Elternmord“ vereitelt. In der Tat fanden die Rettungskräfte die Mutter des mutmaßlichen Vatermörders noch lebend vor. Zugleich gelang es noch, die vom Täter geplante Vernichtung aller Spuren zu verhindern.

Als die Ermittler das Privatleben des 33-Jährigen und den Familienalltag der Elettis näher in Augenschein nahmen, stießen sie auch auf das mögliche Motiv der schrecklichen Bluttat. Marco Eletti, der bei einem Keramikunternehmen als technischer Angestellter arbeitet, gilt als intelligent, brillant und mit guten Manieren ausgestattet. Selbst sieht sich der junge Mann aber eigentlich als verkanntes Schriftstellertalent. Im Eigenverlag veröffentlichte er mehrere Kriminal- und Science-Fiction-Romane. Zugleich schuf der 33-Jährige, dem starke narzisstische Züge nachgesagt werden, im Netz mehrere Seiten, die – mit wenig Erfolg – dem Vertrieb seiner Bücher und seiner Selbstdarstellung dienten. Die herbeigesehnte Teilnahme an der Fernsehquizsendung „L’eredità“ endete in einem Desaster. Das „verkannte Genie“ flog schon in der ersten Runde raus. Seine auch im Netz geäußerte Enttäuschung war riesengroß.

Das Elternmordmotiv soll ein schwelender Erbschaftsstreit sein. Die Eltern hätten sich gewünscht, dass nach dem erst vor wenigen Monaten erfolgten Ableben der Großmutter Marco und seine Lebensgefährtin Giulia in die freigewordene Wohnung, die an der elterlichen Wohnung angrenzt, einziehen. Der 33-Jährige hätte aber vielmehr darauf gedrungen, dass die Eltern ihre eigene Wohnung und jene der Großmutter verkaufen, in ein kleineres Zuhause umziehen und ihm zumindest einen guten Teil der Erbschaft auszahlen. Wie auch Zeugen bestätigen, war es aufgrund der widersprüchlichen Interessen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Vermutung ist, dass Marcos Hass auf seine Eltern mit der Zeit immer größer geworden wäre. Mit dem Tod beider Eltern hätte – so das Motiv – Marco Eletti freie Bahn gehabt, seine eigenen Zukunftspläne zu verwirklichen.

Der in Untersuchungshaft sitzende 33-Jährige weist aber alle Anschuldigungen weit von sich. Von der Mutter, die im pharmakologischen Koma liegt und daher derzeit nicht ansprechbar ist, erhoffen sich die Staatsanwaltschaft und die Carabinieri neue und vielleicht bahnbrechende Erkenntnisse zum Tathergang.

Die italienische Öffentlichkeit blickt fassungslos auf die schreckliche Bluttat von San Martino in Rio. Nicht wenige Leser und Kommentatoren glauben mit Narzissmus, „gescheiterten Lebensträumen“ und Hass auf die Eltern gar einige Parallelen zur Tragödie um das Bozner Ehepaar Neumair-Perselli zu finden.

Von: ka