Mord an Giulia Cecchettin: Psychiater auf der Suche nach dem Warum – VIDEO

„Erkennt die Zeichen, man wird nicht über Nacht zum ‚Wolf‘“

Montag, 20. November 2023 | 08:18 Uhr

Vigonovo – Nach dem grausamen Mord an Giulia Cecchettin aus Vigonovo bei Padua steht ganz Italien unter Schock.

Viele Italiener fragen sich, was ihren Ex-Freund Filippo Turetta dazu gebracht hat, die junge Frau zu ermorden und zu fliehen. Der bekannte Psychiater und Soziologe Paolo Crepet, der auch Autor vieler Bücher über die heutige Jugend ist, wagt einen Erklärungsversuch. „Es war kein Wutanfall. Man muss die Zeichen erkennen, man wird nicht über Nacht zum ‚Wolf‘“, so Paolo Crepet gegenüber der römischen Zeitung Il Messaggero.

Instagram/Paolo Crepet

Als Paolo Crepet nach seiner Meinung über den grausamen Mord an Giulia Cecchettin gefragt wird, stellt er zunächst klar, dass er, da er den mutmaßlichen Mörder Filippo Turetta nicht kenne, daher keine Diagnose wagen werde. In einem Punkt ist sich der Psychiater, Soziologe und Autor zahlreicher Bücher über Jugendliche allerdings sehr sicher. „Ich glaube nicht, dass alles in dieser Nacht begonnen hat, es war kein Raptus. Den plötzlich auftretenden Wutanfall findet man fast nur in den Comicheften“, meint Paolo Crepet.

ansa/instagram

Die Aussagen von Freunden und Bekannten von Filippo Turetta, dass der mutmaßliche Täter immer noch in Giulia verliebt gewesen sei, weist der Psychiater und Soziologe mit Entschiedenheit zurück. „In diesem Zusammenhang würde ich das Wort ‚verliebt‘ wirklich nicht verwenden. Die Vorstellung, dass eine junge Frau wie ein Motorrad ist, ein Stück Eigentum, hat nichts mit Verliebtheit zu tun. Das ist eine Vorstellung wie aus dem Mittelalter“, meint Paolo Crepet, der in dieser Frage sich mit vielen anderen Experten, die glauben, dass Filippo Turetta Giulia Cecchettin als seinen „Besitz“ betrachtet habe, einig ist. Wie gemeinsame Freunde sowie die Schwester der Ermordeten, Elena Cecchettin, später berichteten, hatte sie der junge Mann, der als besitzergreifend und stark eifersüchtig beschrieben wird, ihr Smartphone kontrolliert und sie bis zu 40 Mal am Tag angerufen. Selbst nach dem Ende der Beziehung hatte sich Filippo Turetta als „Freund“ immer wieder in ihr Leben eingemischt.

Paolo Crepet weist darauf hin, dass das blutige Verbrechen nicht in einem von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Verwahrlosung geprägten Milieu geschah, was bedeutet, dass die Ursache des Problems viel tiefer liegt. „Der Mord ist in Venetien, in einer der produktivsten und reichsten Gegenden des Landes, und nicht in einem Vorort in Süditalien verübt worden. Aus diesem Grund kann die Bluttat nicht mit dem üblichen Gerede über die soziale Herkunft abgetan werden. Es ist der Beweis dafür, dass Gewalt und Vorurteile gegen Frauen nichts mit dem zu tun haben, was einige Soziologen über soziale Umfelder sagen“, fährt Paolo Crepet fort.

FACEBOOK/GINO CECCHETTIN

„Hier sind wir im Herzen des Nordostens. Kleine Villen und gepflegte Gärten prägen das Landschaftsbild, es ist eine heile Welt, die wir für privilegiert und für glücklich halten. Manchmal ist aber das Gegenteil der Fall. Das Geld ist da, aber das Glücklichsein fehlt. Im ganzen Land befinden sich junge Leute, die Gefühle nicht voneinander zu unterscheiden vermögen. Wie kann man von Liebe sprechen, wenn man eine junge Frau 40 Mal anruft?“, fragt sich der bekannte Psychiater und Jugendbuchautor.

Femminicidio di Giulia Cecchettin, si fa strada l'ipotesi della premeditazione

Femminicidio di Giulia Cecchettin, si fa strada l'ipotesi della premeditazioneQuando è stata gettata in un canalone da Filippo Turetta, Giulia Cecchettin probabilmente era già morta. Sul cadavere i segni di almeno venti profonde coltellate: al collo, alla testa e alle braccia, indizio di un tentativo di difesa.L'inviato Alvise Losi per il Tg3 delle 14:15 del 19 novembre 2023

Posted by Tg3 on Sunday, November 19, 2023

Der Soziologe betont, dass es gerade die Eltern sind, die während der Erziehung viele Fehler begehen. „Wenn sie ihre Kinder immer zu rechtfertigen versuchen, begehen sie einen schweren Fehler. Wenn es in der Schule schlecht läuft, heißt es, oh die Ärmsten. Wenn ihre Sprösslinge eine schlechte Note bekommen, geben sie dem Lehrer die Schuld, und wenn sie nicht das Klassenziel erreichen, ziehen die Eltern vor Gericht. Wir haben Kinder geschaffen, die keine Frustrationen und keine Niederlagen mehr kennen und noch weniger ertragen können. Im Gegensatz zu früheren Generationen wissen sie nicht mehr, dass es auch Misserfolge und Fehlschläge gibt. Ich sage das schon seit 30 Jahren. Die Schule sollte allein den Schülern und deren Lehrern gehören und ein Ort sein, den Eltern nicht einmal betreten sollten. Das allein wäre schon eine Revolution“, legt Paolo Crepet den Finger in die Wunde.

 

Instagram/Elena Cecchettin

Auf die Frage, wie groß der Einfluss der sozialen Medien sei, hat der Psychiater und Jugendbuchautor eine eindeutige Antwort. „Ihr Einfluss ist gewaltig. Ich habe eine Studie über die Beziehung zwischen den sozialen Medien und der Generation Z begleitet. Es hat sich herausgestellt, dass das, was die jungen Leute am meisten fürchten, das „Ghosting“ ist. Sie können es nicht verkraften, dass jemand, mit dem sie bis vor wenigen Minuten gechattet hatten, plötzlich verschwunden ist. Das hat es in einer anderen Form auch vor dem Aufkommen der Socials gegeben, aber es ist früher nicht ein Drama gewesen“, so Paolo Crepet.

Instagram/Elena Cecchettin

Die Gabe, ein Nein anzunehmen und daraus zu lernen, so könnte das Fazit des Soziologen und Psychiaters lauten, scheint vielen jungen Leuten – darunter leider besonders vielen jungen Männern – abhandengekommen zu sein, was zur Folge hat, dass für junge Frauen gerade das Ende von Beziehungen viele Gefahren birgt.

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Posted by Tg3 on Sunday, November 19, 2023

In Vigonovo ist die Trauer groß. „Als Frau ist man in Italien nirgends sicher, es gibt keine Männer, denen man vertrauen kann. Alle 72 Stunden wird eine Frau ermordet. Es ist die Bilanz eines gescheiterten Staates, der nicht in der Lage ist, seine Töchter zu schützen und seine Söhne zu erziehen“, so lautet eine der Antworten auf den Instagram-Eintrag, den Elena Cecchettin ihrer ermordeten Schwester widmet.

Von: ka

Kommentare

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23 Kommentare auf "„Erkennt die Zeichen, man wird nicht über Nacht zum ‚Wolf‘“"


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Gagarella
Gagarella
Kinig
15 Tage 8 h

Was für eine Bescheuerte Überschrift!?!?! Sind Wölfe Mörder? Sind alle die ein Schaf schlachten Mörder? Jeder der ein Wild erlegt ein Mörder? Ein Mensch mit seinen angeblichen Grosshirn der mit einer Waffe, in diesem Fall mit einen Messer mehrmals auf sein Opfer einsticht segr wohl. Bitte macht unschuldige Tiere nicht schlecht, nur weil sie keine Besteien sind wie wir Menschen. Danke.

Trina1
Trina1
Kinig
15 Tage 6 h

Gagarella, na entschuldige das ist eine reine Ausdrucksweise. Genauso wie : du bist dumm wie ein Esel. Dabei ist der Esel ein intelligentes Tier!

magg
magg
Superredner
15 Tage 10 h

Wenn man diesen Psychologe deuten will und man die häufige Fehlerziehung der Kinder in Betracht nehmen will, wird es in Zukunft noch mehr Morde geben!
Es ist kein Wunder, dass die Menschheit immer mehr soziophatischer wird.

N. G.
N. G.
Kinig
15 Tage 7 h

Der Herr Psychiater hat dich im Ton vergriffen! Wölfe töten aus Instinkt! Wurde hier aus Instinkt ein Mord begangen? Definitiv NEIN!

marher
marher
Kinig
15 Tage 6 h

Eine Schahde dass soviele Frauen aber auch Kinder häusliche u.sw. Gewalt erleiden müssen. Gefährlich wird es wenn Liebe zu Hass wird und der kranke Eifersuchtsgedanke aufkommt, ich oder keiner. Die Schutzmassnahmen müssen strenger und couragierter seitens der Gesellschaft werden. Vor allem die Annäherungsverbote müssen genau kontrolliert und härter bestraft werden.

ebbi
ebbi
Universalgelehrter
14 Tage 19 h

Ein Annäherungsverbot ist das Papier nicht Wert, auf dem es steht.

ieztuets
ieztuets
Universalgelehrter
15 Tage 1 h

Eifersucht, südländisches Übertemperament und Ansichten wies in Italien gang und gäbe isch… sie welln a NA nit einsechn und gebn uenfoch nit au!

Trina1
Trina1
Kinig
14 Tage 22 h

istztuetz, warum ist in Südtirol nichts in dieser Richtung passiert ?

elvira
elvira
Universalgelehrter
14 Tage 10 h

@Trina1 weil in südtirol sehr viel hinter verschlossenen türen passiert. villeicht kuan mord. ober sicher gewalt

Trina1
Trina1
Kinig
14 Tage 7 h

@elvira und ob in Südtirol Frauen ermordet wurden!

elvira
elvira
Universalgelehrter
15 Tage 6 h

es isch a tragisch zu beobachten wos viele unter liebe verstian…
aussagen von freunden, er hot sie so geliebt, wor traurig nochn beziehungsende, hot darunter glittn. er hot ihr sogor biscotti gmocht..
handy kontrolliern, dauernde kontrollunruafe, eifersucht auf freundinnen, neid, missgunst.
des sein olles keine ausdrücke von liebe…und dasses trotzdem asou gsechn wert far gesellschaft isch schockierend

George Best
George Best
Grünschnabel
15 Tage 8 h

Gebe @Magg 100% recht. Zeichen erkennen bleibt wohl je länger je mehr ein frommer Wunsch in einer Zeit, un der sich jeder nur um seine eigenen Bedürfnisse kümmert

Hustinettenbaer
15 Tage 6 h

@George Best
Hm, so als Außenstehender kümmern. Ich jedenfalls hätte die Befürchtung gehabt, das wird als übergriffig empfunden.
Hätte auf die Geschwister gehofft. Aber die dürften sich nach dem Tod der Mutter auch in einem Ausnahmezustand befinden.

Mein Fazit: nach dem Fall würde ich – egal ob sie mich für einen komischen Kauz hält/halten – mit dem Mädel und/oder Geschwistern über diese Warnsignale reden:
https://www.blick.ch/schweiz/acht-stufen-bis-zum-femizid-der-taeter-ertraegt-seinen-kontrollverlust-nicht-id17337170.html

Blasius
Blasius
Superredner
14 Tage 23 h
Wir sollten nicht vom Thema abschweifen. Auch wenn ich das jetzt  auch mache – weil es mir wichtig erscheint. Der Begriff “Wolf” wurde hier deutlich durch die Anführungszeichen als Synonym benutzt. Seit den Gebrüdern Grimm (oder noch früher?) wird der Wolf als Inbegriff des Bösen verstanden und benutzt. Ich wurde auch schon mal von Jemandem gerügt, als ich in einem privaten (!) Schreiben über die Affen dieser Welt schrieb, und damit die aktuell sehr dummen Menschen meinte. Man schrieb, ich hätte die Affen per se beleidigt. Ich finde das idiotisch, weil der Ansprechpartner sehr gut weiß, was ich damit gemeint… Weiterlesen »
Trina1
Trina1
Kinig
15 Tage 8 h

Traurig traurig eine objektive Analyse!

schnegge
schnegge
Tratscher
15 Tage 3 h

endlich amo ando wos sog wies isch! di jugend fa haint isch großteils aso weils di eltern net in griff houbm!

EviB
EviB
Universalgelehrter
15 Tage 57 Min

Schützt eure Töchter,
aber noch viel wichtiger:
erzieht eure Söhne!

ieztuets
ieztuets
Universalgelehrter
15 Tage 1 h

Bezüglich dem Vergleich mit den “Wölfen” ist der Titel allerdings unter “…” gesetzt!

jack
jack
Universalgelehrter
15 Tage 4 h

der hot net uma suscht den Beruf🤣🤣

Blasius
Blasius
Superredner
14 Tage 11 h
Insofern eine Erziehung überhaupt noch möglich ist. Abschotten funktioniert nicht, wenn sie nicht zu Sonderlingen werden sollen, man will sie ja auf das Leben “da draußen” vorbereiten. Viele Kinder sind im Kindergarten (die meisten sind gut), wo sie anderen Einflüssen ausgesetzt sind (“Mamma, ich will das auch haben”). Die Medien, besonders das Internet, beherrschen die Welt, diesem Einfluss können sich nicht mal Erwachsene entziehen. Letztens sah ich ein typisches Bild: Ein Kleinkind, mitten im Dreck und Elend. Was war sein Spielzeug? Ein Smartphone. Viele Jugendliche  “sche..en den Eltern schon mal aufs Haupt”, wenn’s drauf ankommt. Und jetzt schreibe ich ganz… Weiterlesen »
Ibens a
Ibens a
Grünschnabel
14 Tage 9 h

Was ich immer sage: Wer erzieht diese Täter eigentlich? Ja, ein “Nein” nicht mehr akzeptieren zu können, mit Misserfolgen nicht mehr umgehen zu können, ist das eine. Das andere aber ist doch die Frage, welches Frauenbild diese Burschen zu Hause vermittelt bekommen. Sicher, jeder der Kinder hat, weiß, dass die Herrschaften auch gerne alles anders machen als die Eltern das sagen. Aber die Grundwerte müssten sie doch eigentlich verinnerlicht haben?!
Es ist alles so furchtbar, man mag sich nicht vorstellen, was in der armen Familie des Opfers jetzt los ist.

Selbstbewertung
Selbstbewertung
Universalgelehrter
14 Tage 11 h
Liebe Fachleute: manchmal habe ich den Eindruck, dass ihr genauso wie wir alle die eigene Meinung mit Fachwissen verwechselt. Bevor unzulässige Schlüsse auf die heutige Generation in Italien gezogen und als Erklärung für diese furchtbare Tat bemüht werden, gilt es zu bedenken, dass 1.) die fast alle Täter jenseits der hier zitierten Generation Z angehören, 2.) in Italien die Femizitrate weit niedriger ist als in Deutschland oder Österreich, 3.) sie insgesamt über die Jahre rückläufig ist. Das heißt nun nicht, dass kein Handlungsbedarf besteht! Jeder Mord ist einer zu viel! Da gibt es nichts schln zu reden. Aber bei der… Weiterlesen »
Blasius
Blasius
Superredner
14 Tage 8 h
@Selbstbewertung: Fachwissen? Gott bewahre, aber Erfahrung. Man hat ja auch Augen und Ohren. Ich hätte da eine gute Idee, mehr nicht: Mit den altbekannten, einfachen Tugenden Achtung und Respekt vor dem Nächsten (auch Deine Meinung, wenn ich Deine Zeilen richtig interpretiere) ergeben sich Deine Wünsche ganz von alleine? Dann bräuchten wir nicht so viel “Sinnieren”. 🤗 Leider steckt anscheinend in jedem Menschen auch ein Täter? Es ist nicht all zu lange her, da sind wir noch mit der Keule herumgelaufen, und der Stärkste war der Leithammel. …. 🤣 Wir sind und bleiben einfach unberechenbar. Die 10 Gebote sind so falsch… Weiterlesen »
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