Werbespot mit „Versöhnungspfirsich“ entzweit Italien – VIDEO

„Es gibt keinen Einkauf, der nicht wichtig ist“

Freitag, 29. September 2023 | 08:04 Uhr

Mailand – Der Werbespot der italienischen Supermarktkette Esselunga, der von einem kleinen Kind handelt, dessen Eltern getrennt leben, sorgt in der italienischen Öffentlichkeit für heftige Diskussionen.

Das kurze Video zeigt ein kleines Mädchen, das im Supermarkt einen einzigen Pfirsich kauft. Als es von ihrem Vater abgeholt wird, tut das Mädchen so, als sei es ein Geschenk der Mutter für den Vater. „Es gibt keinen Einkauf, der nicht wichtig ist“, lautet der Titel des bewegenden und gefühlvollen, aber auch sehr umstrittenen Spots.

Esselunga

Der Werbespot von Esselunga bricht mit der bisher gewohnten Tradition, die meist eine glückliche Familie zeigt, die im Supermarkt ihrer Wahl den Einkaufswagen füllt, dann glücklich nach Hause fährt und zuletzt harmonisch gemeinsam am Mittagstisch sitzt.

Im Werbefilm der bekannten italienischen Supermarktkette ist hingegen als Hauptdarstellerin ein kleines Mädchen zu sehen, dessen Eltern sich getrennt haben. Während das Mädchen mit seiner Mutter in einem Esselunga-Supermarkt einkauft, entwischt das Kind, um von der Obsttheke einen einzigen Pfirsich herunterzuholen. Als die Mutter ihre kleine Tochter wiederfindet, ermahnt sie das kleine Mädchen, dass es im Supermarkt nicht mehr fortlaufen solle. Wenn sie diesen Pfirsich aber unbedingt wolle – so die Mutter zu ihrer Tochter –,könne sie ihn aber mitnehmen.

Esselunga

Im Auto auf dem Nachhauseweg lobt die Mutter ihre kleine Tochter, weil sie der Lehrerin zufolge in der Schule sehr brav sei, aber das Mädchen, das von seinem Kindersitz aus nachdenklich aus dem Autofenster blickt, hat nur Augen für ein Elternpaar, das mit seinem Kind spielt.

Das harmonische Spielen mit der Mutter endet, als der getrennt von der Frau lebende Vater an der Tür klingelt. Das Mädchen nimmt seinen bereits vorbereiteten Rucksack, verabschiedet sich liebevoll von der Mutter und rennt mit Freude hinunter zu seinem Vater.

Esselunga

Als ihr Vater sie ins Auto setzt, öffnet die Tochtr ihren Kinderrucksack und zieht daraus den famosen Pfirsich hervor. „Diesen hier schickt dir die Mama“, sagt das Mädchen und überreicht den Pfirsich dem Vater. „Das schickt mir die Mama? Mir schmecken Pfirsiche“, antwortet der Vater, der hinzufügt, dass er später die Mutter des Mädchens anrufen werde, um sich bei ihr zu bedanken. Das Mädchen lächelt zufrieden. Mit dem Schriftzug „Es gibt keinen Einkauf, der nicht wichtig ist“ schließt der Werbespot.

Esselunga

Schon am Tag seiner ersten Ausstrahlung löste der Werbespot von Esselunga heftige Polemiken aus. Während die einen den „Mut, die Trennung seiner Eltern aus der Sicht eines Kindes zu betrachten“, loben, kritisieren andere heftig die „Instrumentalisierung“ der Gefühle eines Kindes, dessen Eltern voneinander getrennt leben. Insbesondere Frauenrechtlerinnen betrachten den Spot als Werbung für die sogenannte traditionelle Familie.

Einige von ihnen meinen, dass der Werbespot von Esselunga andere Familienformen dadurch diskriminiere, indem er sie als „nicht normal“ darstelle. Der Spot – so diese Stimmen – sei eine Werbung für das Familienbild der derzeitigen Regierung, schiebe den Frauen die Schuld an den Trennungen zu und untergrabe das gesetzlich verankerte Recht, sich scheiden zu lassen.

Esselunga

Regierungschefin Giorgia Meloni ist vom Werbespot angetan. „Ich lese, dass dieser Spot verschiedene Polemiken und Proteste ausgelöst habe. Ich hingegen finde ihn sehr schön und berührend“, so Giorgia Meloni auf ihrer offiziellen Facebook-Seite.

„Diejenigen, die sich heute empören, waren vielleicht noch nie ein fünfjähriges Mädchen, das unter der Trennung ihrer Eltern leidet und naiv darüber nachdenkt, wie es zwischen Mutter und Vater wieder Frieden schaffen könnte. Die Kleine ist unheimlich lieb. Der Werbespot richtet sich gegen niemanden. Die Perspektive ist die eines Kindes. Das ist alles“, lautet der Tenor vieler Netzkommentatoren.

Esselunga

Viele nehmen die Polemiken auch mit Humor und spinnen Möglichkeiten weiter, welchen Fortgang die versuchte „Schlichtung“ zwischen den getrennten Eltern nehmen könnte. Ein Spaßvogel bemerkt, dass am Pfirsich kein Preisschild samt Barcode klebe.

Die heftigen Polemiken zeigen aber vor allem, wie tief der Riss durch Italiens Gesellschaft geht. Während eine konservative Mehrheit die traditionelle Familie bevorzugt und ihr in der Gesellschaft gegenüber anderen Familienformen einen Vorrang einräumen will, fürchtet eine linksliberale Minderheit, von diesem Modell „überrollt“ und ins Abseits gedrängt zu werden.

Beobachter meinen, dass die Bevorzugung der traditionellen Familie durch die Regierungskoalition einer der Hauptgründe für deren Sieg bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr gewesen sei. Das spiegelt auch die Meinungen der Internetnutzer wider, die mehrheitlich den Esselunga-Spot loben.

Von: ka