Von: ka
Cuneo – Nachdem Rom die Öffnung der italienischen Skigebiete im buchstäblich letzten Moment abgesagt hatte, ist den Betreibern der Skilifte, den Touristikern, den Kaufleuten, den Skilehrern und allen anderen, die in der Region Piemont vom „Weißen Sport“ leben, endgültig der Kragen geplatzt.
Nach der letzten Schließung, die nicht weniger als das endgültige Aus für die Skisaison bedeutet, lassen die Menschen, die sich selbst „Volk der Berge“ oder „Volk des Schnees“ nennen, ihrem Unmut in lautstarken Protestaktionen und Demonstrationen freien Lauf.
Um gegen die Schließung der Lifte und für das Überleben der piemontesischen Täler zu protestieren, organisierte das „Volk des Schnees“ in allen Skigebieten des Piemont einen viel besuchten und aufsehenerregenden Flashmob.
Am Montag hingegen versammelten sich Liftbetreiber, Skilehrer, Skiverleiher, Inhaber von Sportartikelgeschäften, Skihüttenwirte, aber auch Bauern, Handwerker und andere Talbewohner vor dem Sitz der „Cuneo Neve“ – einer Teilorganisation der italienischen Industriellenvereinigung Confindustria –, um sich für den Erhalt ihrer Betriebe, Lokale und Arbeitsplätze einzusetzen. „Erhält die Berge am Leben“, so die Parole, die am Gebäude auf einem riesigen Spruchband prangte.
Als Zeichen der Trauer trugen alle Demonstranten schwarze Luftballons. Mit Glocken und Trompeten machte das „Volk der Berge“ lautstark auf ihre Not aufmerksam. Einige der wütenden Protestierenden brachten sogar ihre Schneekanonen, die diesen Winter ganz umsonst die Pisten eingeschneit hatten, mit.
La montagna rompe il silenzio!"Dietro di noi c'è una struttura di vita per le valli"Ascolta l'intervista a Roberto Gosso Presidente di CUNEO NEVE nell'estratto del Tgr Piemonte👇👇Si ringrazia il caporedattore Tarcisio Mazzeo, il giornalista Gabriele Russo e tutta la redazione
Posted by CUNEO NEVE on Thursday, February 18, 2021
„La montagna merita rispetto, non Speranza“ – Der Berg verdient Respekt und nicht Speranza (Nachname des italienischen Gesundheitsministers, der im Italienischen zugleich Hoffnung bedeutet, Anmerkung der Redaktion) – so einer der vom „Volk des Schnees“ gewählten Slogans.
Mit dieser Parole nahmen die aufgebrachten Menschen, die vom Wintersport leben, vor allem den Gesundheitsminister Roberto Speranza, den sie für den Hauptverantwortlichen der im letzten Moment aufgehobenen Öffnung der Skigebiete halten, ins Visier.
Mit einem Video, in dem sie dem „Volk der Berge“ ihre ganze Solidarität erklärt, schloss sich auch Marta Bassino, die bei den Skiweltmeisterschaften in Cortina im Parallelrennen ihr erstes WM-Gold geholt hatte, dem Protest an. „Wir sind gemeinsam im Rennen“, so Marta Bassino.
Die bekannte Skirennläuferin war aber nicht allein. Neben dem eigentlichen „Volk des Schnees“ nutzen auch Bauern, Kaufleute, Handwerker, Inhaber verschiedener Lokale und Bürgermeister die immer größer werdende Protestwelle, die sich im Sinne der Organisatoren von einem Schneeball in eine große Lawine verwandeln soll, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Überleben der alpinen Bergtäler des Piemont nicht zuletzt vom Wintersport abhängt.
Da aus Sicht der Skiliftbetreiber die Skisaison mehr oder weniger zu Ende ist, forderten die Demonstranten insbesondere für die nicht weniger als fünfmal verweigerte Öffnung der Lifte finanzielle Überbrückungshilfen. Auch die Region Piemont, die wegen der aus ihrer Sicht „sprunghaften“ Corona-Politik Roms mit der Regierung im Clinch liegt, übte mit den Skiliftbetreibern Solidarität.
„Wir sind ein Volk, das es nicht gewohnt ist, zu protestieren, sondern zu arbeiten, aber diesmal ist das Maß voll. Wir haben keine Alternativen mehr, als unsere Wut zu zeigen“, so der Präsident der Region Piemont, Alberto Albo Cirio.
„Um zu zeigen, dass sie etwas gegen das Virus unternommen haben, haben sie uns als Sündenbock benutzt. Aber der Skitourismus ist nicht das Hobby von einigen Reichen, sondern die Arbeit von denen, die wie wir in den Bergen leben“, brachte der Leiter der Skilehrerschule von Limone Piemonte, Pier Paolo Ballarè, die Gedanken vieler Menschen, die schlicht um ihr wirtschaftliches Überleben bangen und die Entvölkerung ihrer Täler fürchten, auf den Punkt.
„Wir haben uns an die Illusion geklammert und daran geglaubt, die Lifte zu jedem uns mitgeteilten Termin öffnen zu können. Nach monatelangem Warten haben wir eine ganze Woche gearbeitet, um die Pisten in Ordnung zu bringen. Im Hinblick auf die Öffnung haben wir für die Pisten und die Unterkünfte Personal eingestellt, Vorräte für die Hütten und Restaurants eingekauft und online Skipässe verkauft. Die neuerliche Schließung bedeutet die Beerdigung der gesamten Saison. Dies alles hat zu einer Erhöhung der Fixkosten geführt, für die wir aufgrund der uns entgangenen Einnahmen aus unserer Arbeit eine hundertprozentige Entschädigung verlangen“, so die Liftbetreiber in einen an Ministerpräsident Mario Draghi adressierten Brief.
Il grido del POPOLO DELLA MONTAGNA di oggi si è innalzato verso il cielo anzi, secondo me, è arrivato ancora più sù! Sono fiero di noi, di tutti noi, della forza che abbiamo dimostrato, della nostra pacatezza e determinazione che da generazioni ci identifica e contraddistingue da tutti gli altri. Sono fiero che il grido di oggi abbia rappresentato le nostre montagne, i nostri prati, le nostre cime innevate e soprattutto le NOSTRE ATTIVITÀ. A chi crede che in montagna si vada solo per “la settimana bianca” chiedo di venire a vedere cosa c’è sulle nostre cime, oltre allo sci. Grazie per esserci stati tutti, grazie per aver gridato con me, perché se si grida tutto insieme, l’eco arriva più lontano. GRAZIE AL POPOLO DELLA MONTAGNA.
Posted by Marco Allegro Allegro on Monday, February 22, 2021
Am Ende der Protestkundgebung ließen die Demonstranten ihre schwarzen Luftballons zur Filmmusik von „Der letzte Mohikaner“ in den grauen Himmel von Cuneo steigen.
Nicht nur die Liftbetreiber, sondern alle Menschen, die in den piemontesischen Alpentälern direkt oder indirekt vom Wintersport leben, wollen sich nicht mehr länger mit Versprechungen zufriedengeben. Die Organisatoren kündigten an, dass die Proteste fortgesetzt werden. Das „Volk des Schnees“ will, dass aus ihrem Unmut eine „Lawine von Protesten“ wird. Wie ein Teilnehmer der Kundgebung gegenüber Reportern unterstrich, wollen die Menschen der Berge keine „letzten Mohikaner“ sein.