„Englische Coronavirus-Variante“ bereitet neue Sorgen - VIDEO

Forschung: Virus der zweiten Welle ansteckender

Montag, 21. Dezember 2020 | 08:12 Uhr

USA/London – Während die erst vor Kurzem entstandene „englische Coronavirus-Variante“ neue Sorgen bereitet, haben Forscher herausgefunden, dass die zweite Corona-Welle, die im Sommer von keinem Experten als dermaßen heftig vorhergesagt worden war, von einer ansteckenderen Variante von SARS-Cov-2 als dem ursprünglichen „Wuhan-Virus“ getragen wurde. Insbesondere weil sie auch die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigen könnten, stellen die neuen Coronavirusmutationen die Wissenschaftler vor großen Herausforderungen.

Eine Forschergruppe rund um den an der Universität von North Carolina arbeitenden Epidemiologen Ralph Baric fand heraus, dass am Ursprung der zweiten Corona-Welle eine neue, gegenüber dem „Wuhan-Virus“ viel ansteckendere Variante von SARS-Cov-2 gestanden war. Laut Ansicht der Wissenschaftler der Universität von North Carolina könnte die erstmals im Februar in Südeuropa aufgetauchte und isolierte Virusvariante – sie wurde D614G getauft – nicht nur den schweren Verlauf der ersten Corona-Welle in Italien, sondern auch die nicht so heftig erwartete zweite Welle erklären.

APA/APA (Symbolbild/AFP)/HANDOUT

In seiner in den wissenschaftlichen Zeitschriften Science und New England Journal of Medicine veröffentlichen Studie erklärt Ralph Baric mittels einigen Experimenten, wie D614G innerhalb kurzer Zeit den ursprünglichen „Wuhan-Virus“ ausstechen und weltweit zur vorherrschenden Corona-Variante werden konnte.

Kurz zusammengefasst untersuchten die Forscher die Vermehrungsgeschwindigkeit der D614G-Variante des Coronavirus. Dabei fiel den Wissenschaftlern auf, dass sich das Virus unter Laborbedingungen mithilfe von menschlichen Schleimhautzellen der Atemwege bis zu achtmal schneller teilen und vermehren konnte als das ursprüngliche, erstmals in Wuhan isolierte und beschriebene Virus. Auch nachdem das „Wuhan-Virus“ in zehnmal so großer Menge als D614G in Kontakt mit den Zellen versetzt worden war, nahm die D614G-Variante innerhalb weniger Tage die Überhand. Die hatte zur Folge, dass die neue Variante die gesamte Zellkultur „eroberte“.

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Experimente mit Hamstern und Mäusen zeigten zudem, dass D614G imstande ist, sich stärker und früher in den Schleimhäuten der Nase zu verbreiten. Da die Nasenschleimhäute dem Virus als bevorzugtes „Sprungbett“ für neue Ansteckungen dienen, könnte dies die starke und schnelle Verbreitung der neuen, dominierenden SARS-Cov-2-Variante erklären. In jedem Fall wurde bei Versuchstieren nachgewiesen, das D614G nur zwei Tage nach der ersten Ansteckung an weitere Tiere weitergegeben werden kann. Außerdem sind dazu laut den gleichen Experimenten verglichen mit der „chinesischen Variante“ geringere Viruslasten notwendig.

„Unsere Experimente zeigen, dass die D614G-Variante unter Hamstern deutlich schneller über Tröpfchen und Aerosole übertragen wird. Die Mutation bewirkt auch in der menschlichen Population eine erhöhte Infektiosität und Übertragungskapazität. Beobachtungen bei Versuchstieren weisen in die Richtung, dass die Schwere der Symptome bei dem mutierten Virus gleich oder geringfügig höher ist. Auch beim Menschen verursacht D614G höhere Viruslasten. Und mit mehr Viren in der Nase ist es leichter, die Menschen um uns herum anzustecken. Aber obwohl das mutierte Virus effizienter bei der Infektion ist, ist es nicht geschickter darin, den menschlichen Antikörpern zu entkommen. Auch die Impfstoffe, die am Spike-Protein des Virus ansetzen, sollten gegen die D614G-Variante wirksam sein“, so Ralph Baric.

Der angesehene Forscher und seine Kollegen schränkten diesen optimistischen Ausblick aber sogleich ein. „Es werden immer wieder neue Varianten auftreten. Da immer mehr Menschen geimpft werden, ist es möglich, dass eine neue Variante auftaucht, die in der Lage ist, den durch den Impfstoff erzeugten Antikörpern zu entkommen und sich durchzusetzen. Daher ist es wichtig, das Auftreten neuer Varianten sofort zu erkennen. Dies ist insbesondere zu jenem Zeitpunkt von Bedeutung, an dem die Herdenimmunität oder andere menschliche Eingriffe den Selektionsdruck auf das Virusgenom verändern werden“, so die Wissenschaftler der Universität von North Carolina.

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Es ist natürlich noch zu früh, um vorauszusagen, ob die neue, B.1.1.7 getaufte „englische Variante“ des Coronavirus, die ganz Europa in helle Aufregung versetzt, die Eigenschaften besitzt, die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe zu beeinträchtigen, aber Virologen und Epidemiologen sind tief besorgt. Die Variante B.1.1.7, die das erste Mal am 20. September in der Grafschaft Kent in England entdeckt wurde, gilt aufgrund seiner großen genetischen Veränderungen, die auch das Spike-Protein betreffen, als problematisch. Da die Impfstoffe sich gegen das Spike-Protein richten, sehen mehrere Experten ihre Wirksamkeit in Gefahr.

Ob und falls ja in welchem Ausmaß die „englische Variante“ des Coronavirus oder andere SARS-Cov-2-Mutationen die Wirksamkeit der Impfstoffe negativ beeinflussen werden, müssen aber erst weitere wissenschaftliche Forschungen weisen.

Von: ka