Finanzpolizei nimmt Richter, Rechtsanwälte und Arzt fest – VIDEO

Für „Anpassung“ von Urteilen Geld, Geschenke und sexuelle Dienste angenommen

Donnerstag, 16. Januar 2020 | 07:11 Uhr

Catanzaro – Die Regionalhauptstadt der süditalienischen Region Kalabrien war am Mittwoch Schauplatz einer aufsehenerregenden Verhaftungswelle. Auf Anordnung der Bezirksdirektion der Antimafia-Polizei von Salerno nahm die Finanzpolizei acht Personen – darunter einen Richter, zwei Rechtsanwälte sowie einen Arzt – fest.

Der prominenteste Verhaftete ist der Präsident der zweiten Sektion des Schwur- und Berufungsgerichts von Catanzaro, Marco Petrini. Dem Richter wird zur Last gelegt, im Gegenzug für Geld, teure Geschenke und sexuelle Dienste Prozesse „angepasst“ und einige angehende Rechtsanwälte beim Wettbewerb begünstigt zu haben. Ein Arzt hingegen wird beschuldigt, für die regelmäßig in Anspruch genommenen „Dienste“ des Richters diesem einen „monatlichen Lohn“ gezahlt zu haben.

ANSA/ FRAME DA VIDEO

Die Ermittlungen begannen nach einigen Verdachtsmomenten im Jahr 2018 in Catanzaro. Aufgrund der Verwicklung eines Richters wurden die folgenden Ermittlungen der Bezirksdirektion der Antimafia-Polizei der Staatsanwaltschaft von Salerno anvertraut. Die unter anderem mithilfe von versteckten Kameras und angezapften Telefonen durchgeführten Untersuchungen förderten bald Ungeheuerliches zutage. Nachdem genug Indizien und belastendes Material gesammelt worden waren, schlug auf Anordnung der Staatsanwaltschaft von Salerno die Finanzpolizei zu.

ANSA/ GDF

Neben Marco Petrini, Präsident der zweiten Sektion des Schwur- und Berufungsgerichts von Catanzaro, wurden auch die Rechtsanwälte Marzia Tassone und Francesco Saraco, der Arzt Emilio Santoro sowie vier weitere Verdächtige wegen Bestechung zur Vornahme einer richterlichen Handlung – in einigen Fällen erschwert durch den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung – festgenommen und – mit Ausnahme von Marzia Tassone – in das Gefängnis überstellt.

Laut Staatsanwaltschaft hätten die Beschuldigten den Richter dafür bezahlt, Prozessen einen „günstigen Verlauf“ zu verleihen und so die Beschuldigten selbst oder Personen, die mit diesen verbunden waren, zu begünstigen. In einigen Fällen – so die Staatsanwaltschaft von Salerno – hätte Marco Petrini dafür gesorgt, Urteile der ersten Instanz im Berufungsverfahren abzumildern, wobei die Verurteilten entweder Freisprüche oder eine hohe Herabsetzung des Strafmaßes erlangt hätten. Petrini, der sich aufgrund seines aufwendigen Lebensstils ständig in Geldsorgen befunden haben soll, habe für diese „Gefälligkeiten“ hohe Geldbeträge, teure Geschenke, Geschenkkörbe mit Luxuslebensmitteln, bezahlte Ferienaufenthalte sowie sexuelle Dienstleistungen erhalten.

Dank seiner „richterlichen Fürsprache“ – so die Sonderabteilung S.C.I.C.O. der Finanzpolizei – gelang es auch dem ehemaligen Regionalrat Giuseppe Tursi Prato, der im Jahr 2007 wegen Zugehörigkeit zu einer Mafia-Vereinigung verurteilt worden war und in der Folge alle Pensionsansprüche verloren hatte, die Leibrente zurückzuerhalten. Dank Telefonmitschnitten konnte die auf Mafiaverbrechen spezialisierte Sondereinheit der Finanzpolizei die Verbindungen zwischen dem Richter und Tursi Prato aufdecken und dokumentieren. Neben Geld und frei ins Haus gelieferten Geschenkkörben mit teuren Lebensmitteln erhielt der Richter – so die Finanzpolizei – dafür auch das Versprechen, auf Kosten seines Gönners die Ferien im Aostatal zu verbringen.

Im Zentrum des Korruptionsnetzwerks – so der Oberstaatsanwalt von Salerno, Luca Masini – stand aber der pensionierte Arzt und ehemalige leitende Angestellte der lokalen Sanitätseinheit von Cosenza, Emilio Santoro. Um sich die regelmäßigen „Dienste“ des Richters zu sichern – so die Anschuldigung – ließ der Arzt dem Richter eine Art monatlichen Lohn zukommen. Indem er Personen, die ihren Zivilprozess verloren hatten oder in erster Instanz verurteilt worden waren, auf die Möglichkeit, ihr Verfahren durch den Richter „anpassen“ zu lassen, hinwies, sorgte laut dem Oberstaatsanwalt von Salerno der Arzt auch für neue „Kunden“. Immer der Anschuldigung zufolge wurden dafür Geld, teure Geschenke oder „andere Dienstleistungen“ verlangt.

Die Verhaftungswelle erregte in der italienischen Öffentlichkeit naturgemäß großes Aufsehen.

Von: ka