Krise und Scheidung tun Hochzeitsfieber keinen Abbruch

„Heiraten ist in und die Brautpaare geben mehr aus“

Mittwoch, 21. Dezember 2022 | 07:57 Uhr

Rom – Obwohl die Inflation die Haushaltskassen der italienischen Familien auf eine harte Probe stellt und die steigende Anzahl der Trennungen auch die heiratswilligsten Paare zur Vorsicht mahnen sollte, ist in Italien nach einer pandemiebedingten Pause erneut der Wille groß, den ewigen Bund der Ehe zu schließen.

Instagram/Cira Lombardo

Gegenüber den Zahlen von vor der Pandemie fehlen zwar noch einige Tausend Paare, die fortan offiziell einen gemeinsamen Weg einschlagen wollen, aber jene, die sich für eine Hochzeit entscheiden, sind dafür bereit, wirklich tief in die Tasche zu greifen. Die Hoffnung der frischen Ehepaare ruht aber darauf, dass die Eltern und insbesondere die Gäste die Rechnung begleichen. In diesem Sinne geben einige Paare die entsprechenden Bankkoordinaten praktischerweise bereits auf dem Einladungskärtchen an.

Instagram/Anna Frascisco

Nach einer pandemiebedingten Pause wird in Italien wieder unverdrossen geheiratet. Vorläufige Schätzungen für das Jahr 2021 gehen von rund 179.000 Eheschließungen aus. Dieser Trend dürfte auch in diesem Jahr und in den kommenden Jahren seine Forstsetzung finden. Laut dem Branchenverband Federmep, der unter seinem Dach einen großen Teil der Hochzeitsplaner vereint, sind die Kirchen und die Restaurants für das kommende Jahr bereits zu 90 Prozent ausgebucht. Selbst für das Jahr 2024 sollen für die Hälfte der verfügbaren Plätze in den Kirchen und in den Restaurants schon verbindliche Buchungen vorliegen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es sich beim Hochzeitsgewerbe in Italien um einen regelrechten Wirtschaftszweig handelt, der laut der Federmep 0,8 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts beträgt und dessen Wert auf jährlich 15 Milliarden Euro geschätzt wird.

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Auffallend ist, dass selbst die steigenden Trennungs- und Scheidungszahlen die Paare nicht davor zurückschrecken lassen, zueinander Ja zu sagen. Bei den Gerichten in Italien werden täglich 267 Trennungsanträge registriert. Dies tut dem grassierenden Hochzeitsfieber aber keinen Abbruch. Von den schätzungsweise 179.000 Paaren, die sich letztes Jahr trauen ließen, bestand etwa ein Fünftel aus Hochzeitspaaren, von denen mindestens ein Partner eine Ehe bereits hinter sich hatte. Geschickt stoßen die Planer auch in neue Nischen vor. Unter anderem werden auch gleichgeschlechtliche Paare – im Jahr 2021 traf dies auf rund 2.000 Paare zu – mit eigens ihnen gewidmeten Ideen und Angeboten umworben.

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Gegenüber den Zahlen von vor der Pandemie fehlen zwar noch einige Tausend Paare, die fortan offiziell einen gemeinsamen Weg einschlagen wollen, aber jene, die sich für eine Hochzeit entscheiden, sind dafür bereit, wirklich tief in die Tasche zu greifen. Laut einer der bekanntesten italienischen Seiten – matrimonio.com – geben die Paare im Schnitt allein für das Hochzeitsessen 24.500 Euro aus, was im Umkehrschluss bedeutet, dass jeder der im Schnitt über 100 Gäste für rund 225 Euro an der Hochzeitstafel sitzt.

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Werden die Ausgaben für das Fahrzeug, die Blumen, die Musik, die Kleidung für sie und ihn, den Fotografen, die Kosmetikerin und die Friseurin, die Gastgeschenke und die Spende an den Pfarrer sowie andere Nebenkosten hinzugerechnet, können die Gesamtkosten für eine Hochzeit leicht die magische 50.000 Euro-Schwelle überschreiten. Schätzungen der Branchenverbände zufolge naschen in Italien nicht weniger als 50.000 Unternehmen am Hochzeitskuchen mit. Die meisten dieser Unternehmen arbeiten mit Hochzeitsplanern zusammen, die ihnen auf Wunsch der Brautpaare die Aufträge zuteilen. Im Durchschnitt – so die Verbände der Hochzeitsplaner – dauert die Planungs- und Vorbereitungsphase einer Hochzeit zwischen ein und zwei Jahre.

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Damit stellt sich nun die Frage, wer für diese Kosten aufkommt. In der Regel wird das Paar von den Eltern der Brautleute großzügig unterstützt. Zugleich erwartet sich das Brautpaar aber, dass die Gäste mit in Kuverts überreichten Geldgeschenken für die entstandenen Kosten aufkommen. In diesem Sinne geben einige Paare die entsprechenden Bankkoordinaten praktischerweise bereits auf dem Einladungskärtchen an, was von den Hochzeitsplanern aber nicht sehr gerne gesehen wird.

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Besonders im Süden Italiens ist es Sitte, dass sich die Gäste gegenüber dem Paar sehr großzügig zeigen, wobei Freundschafts- und Verwandtschaftsgrad des Gastes die Höhe des Geldgeschenks bestimmen. In Süditalien ist es teilweise sogar noch üblich, dass zur Hochzeit das ganze Dorf eingeladen wird, was vom Pfarrer von der Kanzel herab verkündet wird. In Norditalien hingegen darf das Bargeldgeschenk auch etwas kleiner als üblich ausfallen.

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Scheidungen hin und Feminismus her – der Mythos Ehe ist in Italien tief verwurzelt. Gerade auch die jungen Italienerinnen sind zum übergroßen Anteil felsenfest der Überzeugung, dass eine richtige Hochzeit und die folgende Gründung einer Familie unbedingt zum Leben einer Frau gehören. Dazu tragen auch viele in Italien gerne gesehene Fernsehprogramme bei, die sich mit nichts anderem als Hochzeiten beschäftigen.

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Aber lassen wir eine Expertin zu Wort kommen. „Ich habe eine informelle Umfrage unter meinen Universitätsstudentinnen in Neapel durchgeführt. 95 Prozent von ihnen wollen in der Kirche und in einem weißen Kleid heiraten und 97 Prozent von ihnen glauben, dass es für immer ist“, erklärt die Anthropologin Elisabetta Moro.

„Trotz Scheidungen, Feminismus und Krise haben die sozialen Medien und das Fernsehen das Hochzeitsfieber neu entfacht. Die Ehe ist wieder zu dem geworden, was sie seit Jahrhunderten schon immer gewesen ist. Sie ist ein großer Mythos und sie ist eine der wenigen, die wir noch haben“, meint Elisabetta Moro.

Von: ka