2.600 Kilogramm Eis gehen verloren

Hummer auf Dolomiten-Hütte: Ein Desaster fürs Klima

Montag, 12. August 2024 | 08:00 Uhr
Update

Von: mk

Arabba – Hummer gilt als Delikatesse, auf die manche offenbar nicht verzichten wollen. Um Touristen und Wanderer zu beeindrucken, werden die Schalentiere mittlerweile selbst auf Berghütten angeboten. So kann man etwa das Antlitz der Marmolata in den Dolomiten bewundern und gleichzeitig die Meeresspezialität genießen. Ein Hummer am Rande eines Gletschers, der vermutlich nicht mehr allzu lange einer bleibt, ist in der Tat eine umwerfende Erfahrung, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht.

Rechnet man sich die Klimabilanz nämlich durch, verschlägt es einem die Sprache. Diese Mühe haben sich die Betreiber der Instagram-Seite „L’occhio del Gigiat“, gemacht, die aus einer Zusammenarbeit zwischen dem Blog „Alto-Rilievo/voci di montagna“ und dem Kollektiv „Ci Sarà Un Bel Clima“ entstanden ist. Das Ergebnis ist vernichtend und zeigt wie vermeintliche Bergliebhaber und Naturfreunde mit ihrem Verhalten zum Klimawandel und zur Gletscherschmelze beitragen.

„Machen wir eine einfache Rechnung“, heißt es im Beitrag auf Instagram. „Der Hummer in Arabba stammt bestenfalls aus einer Farm in Gallipoli (die Aufzucht erfolgt in großen Räumen in getrennten Käfigen, weil sie sich gegenseitig fressen könnten, aber das ist ein anderes Thema). Wahrscheinlich wurde er in einem Lkw transportiert, der die 1161 Kilometer zurücklegte, und dieser Lkw wird, wenn alles gut geht, etwa 150 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, also insgesamt 174,15 Kilogramm CO2“, lautet der Beginn der Übung. Dabei werde der CO2-Ausstoß des Hüttenbetriebs selbst nicht berücksichtigt. Nur vom Transport von der Hafenstadt in Apulien in die Dolomiten sei die Rede, heißt es weiter.

Doch was macht das freigesetzte CO2? „Es wird in der Atmosphäre verbleiben und zu den bereits vorhandenen 424 ppm CO2 hinzukommen“, heißt es in den Beitrag.

Zum besseren Verständnis: Die Fieberkurve der Klimakrise, die Keeling-Kurve, die die CO2-Konzentration in der Atmosphäre misst, ist mittlerweile auf fast 425 ppm (parts per million) gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Millionen von Jahren. Das kalifornische Forschungszentrum Scripps Institution of Oceanography, das seit 1958 auf Hawaii die CO2-Konzentration in der Luft erfasst, meldete für den 29. Mai 2023 einen Tageswert von 424,61.

Ein so hoher Wert wurde nie zuvor gemessen. Daten aus Eisbohrkernen in der Antarktis zeigten, dass in den vergangenen 800.000 Jahren nie Werte über 300 ppm erreicht wurden, auch nicht während der Eem-Warmzeit, als der Meeresspiegel in Grönland zwei Meter höher als jetzt lag und die Temperatur um fünf Grad höher war.

Zur Veranschaulichung wird im Instagram-Beitrag ein drastischer Vergleich gezogen: „Euer Teller Hummer emittiert so viel wie die jährlichen Emissionen von zwei Einwohnern der Demokratischen Republik Kongo. Zwei Einwohner. Jährlich. All dieses CO2 für den Verzehr eines Tellers mit Pfifferlingen und Hummer auf der Gorza-Hütte wirkt sich durch den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen direkt auf das Schmelzen des Gletschers auf der Marmolata aus, der den Hintergrund für dieses schöne Foto bildet.“

2018 habe eine Studie ergeben, dass jedes emittierte Kilogramm CO2 rund 15 Kilogramm Eis zum Abchmelzen bringe, heißt es weiter. „Unser Dolomiten-Hummer könnte also zum Schmelzen von 2.600 Kilogramm Eis auf der Marmolata beitragen.“

Während man also das Panorama genießt, trägt man mit so einem Gericht dazu bei, dass zur gleichen Zeit ein so wunderbarer Gletscher wie die Marmolata weiter schwindet. Das Ganze passiert praktisch vor den eigenen Augen. Na dann, Mahlzeit!

Kritiker werfen den Verfassern des Beitrags vor, dass nur mit einem Hummer pro Lkw gerechnet wird. Gleichzeitig kommt vermutlich nicht jeder Hummer im Laster hinauf auf den Berg. Auch wenn die Rechnung mathematisch vielleicht nicht ganz stimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir mit extravagantem Konsum dem Klima schaden.

Kommentare

Aktuell sind 114 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen