Geologe rät dringend, die Abbruchstelle abzusichern – VIDEO

Ischia: “Es besteht das Risiko weiterer Erdrutsche”

Dienstag, 29. November 2022 | 08:08 Uhr

Ischia – Nach der Bergung von bisher insgesamt acht Toten, darunter auch Kinder, gelten drei Tage nach dem Erdrutsch, der Casamicciola Terme schwer traf, vier Personen noch immer als vermisst. Um der eigentlichen Ursache dieses Desasters auf dem Grund zu gehen, stieg ein Geologe aus Ischia, Aniello Di Iorio, bis zur Abbruchstelle des Erdrutsches unterhalb des Gipfels des Monte Epomeo empor.

APA/APA/AFP/ELIANO IMPERATO

Seine Erkenntnisse, die er auch fotografisch dokumentierte und mit genauen Erklärungen versah, zeigen die mögliche geologische Ursache für die Katastrophe, die gleich mehrere Familien ins Verderben stürzte. Angesichts der Lage an der Abbruchstelle bestehe dem Geologen Di Iorio zufolge weiterhin das Risiko neuer Rutschungen. Di Iorio warnt davor, diese Gefahr zu unterschätzen und rät dringend dazu, vor dem Auftreten neuer starker Regenfälle das Gelände abzusichern. Zudem zeigt sich der Geologe erstaunt darüber, dass die bekannte Insel nicht einmal einen Evakuierungsplan besitzt.

Facebook/Aniello Di Iorio

„Die Lage ist immer noch gefährlich und weitere Abbrüche können nicht ausgeschlossen werden. Ich rate dringend dazu, die Abbruchstelle des Erdrutsches frühestmöglich und vor dem Auftreten möglicher neuer Regenfälle abzusichern“, meint der Geologe Aniello Di Iorio. Der Geologe, der auf der Insel Ischia im Golf von Neapel geboren war und sein Studium der Geologie in Deutschland an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz absolviert hatte, gilt als ausgewiesener Experte der Geologie von Ischia. Während der Tourismussaison bietet Aniello Di Iorio Interessierten geologische Wanderungen an.

Facebook/Aniello Di Iorio

Nachdem am vergangenen Samstag vom höchsten Inselberg Epomeo ein gewaltiger Erdrutsch abgegangen war, der in Casamicciola Terme mehrere Häuser unter sich begraben und Tod und Zerstörung verursacht hatte, stieg der Geologe aus Ischia bis zur Abbruchstelle des Erdrutsches empor. Der Aufstieg erwies sich aufgrund des unwegsamen Geländes als sehr schwierig, aber Aniello Di Iorio vertritt die Ansicht, dass zur Erforschung der Ursache dieses Desasters eine genaue Untersuchung der Abbruchstelle unerlässlich sei.

„Da neue Erdrutsche ansonsten leicht erneut bewohntes Gebiet erreichen könnten, ist es unbedingt nötig, das sich im oberen Bereich befindliche abgebrochene Material abzusichern und zu überwachen“, so das Fazit des Geologen aus Ischia.

Facebook/Aniello Di Iorio

Aniello Di Iorio zeigte sich erstaunt darüber, dass trotz der vielen seismischen und vulkanologischen Risiken, denen die Insel neben dem Risiko von Erdrutschen ebenfalls ausgesetzt ist, Ischia keine Evakuierungspläne besitzt.

„Ich versuche seit Jahren, dies den Institutionen und Verbänden in diesem Gebiet klarzumachen. Außerdem sind große Teile der Nordseite – insbesondere Casamicciola Terme – nach dem Erdrutsch vom Samstag immer noch stark durch Erdrutsche gefährdet. Die Hänge, von denen sie sich ablösen, werden durch diese Rutschungen geschwächt, wodurch weitere Erdrutsche auslöst werden“, meint Aniello Di Iorio.

Facebook/Aniello Di Iorio

Neben der Tatsache, dass am oberen Rand von Casamicciola Terme vermutlich illegal Häuser errichtet und die vorhandenen Gräben kaum gepflegt und gesichert worden waren, wurde den Betroffenen vermutlich eine geologische Besonderheit des Geländes unterhalb des Monte Epomeo zum Verhängnis.

“Francesco, guarda queste immagini sempre a #Ischia. Che disastro.”

Posted by Francesco Emilio Borrelli on Monday, November 28, 2022

„Auf einer Höhe von rund 600 Metern über dem Meeresspiegel entdeckte ich einen Erdrutsch von gewaltiger Größe, der sich vom Berg gelöst und fast alle Häuser mitgerissen hatte. Beim abgebrochenen Material hatte es sich um wassergesättigten Mutterboden gehandelt, der auf einer Schicht aus festem Ton geruht hatte. Da das Wasser von der Lehm- und Tonschicht weitgehend zurückgehalten worden war, hatte das vollkommen durchnässte Erdmaterial begonnen, talwärts zu rutschen, wobei es alles – auch die Häuser der Opfer – mitgerissen hatte. Wie aus den Bildern zu ersehen ist, enthält der durchnässte Boden auch mehrere große Tuffblöcke. Auf den Fotos ist auch zu erkennen, wo die Rutschzone, die vom lehmigen Untergrund gekennzeichnet ist, aufhört und der Graben, der hinunter in den bewohnten Inselbereich führt, beginnt“, erklärt Aniello Di Iorio.

Facebook/Aniello Di Iorio

„Außerdem wurde durch den Erdrutsch das Geländegebiet vollkommen geschwächt, wodurch der verbliebene Mutterboden bei den nächsten Regenfällen leicht nach unten rutschen könnte. Ich fordere die Verantwortlichen dringend dazu auf, das Gebiet vor dem Auftreten neuer starker Regenfälle zu sichern. Diese Gefahr, die nach wie vor akut vorhanden ist, könnte weitere Menschenleben kosten“, warnt der Geologe.

Facebook/Aniello Di Iorio

Um die genaue Ursache des Desasters und eventuelle Verantwortlichkeiten des Bürgermeisters sowie lokaler Behörden feststellen zu können, eröffnete die Staatsanwaltschaft von Neapel ein Ermittlungsverfahren. Es verdichten sich allerdings die Hinweise, dass das Zusammentreffen natürlicher Begebenheiten mit schweren Versäumnissen vergangener Jahre zusammen mit einem sehr starken Regenfall eine Katastrophe ausgelöste.

Ischia, 28 Novembre 2022

Un altro pomeriggio di incessanti ricerche ad Ischia. 8 le vittime, 4 i dispersi. Si continua a scavare tra fango, rocce e detriti, in uno scenario apocalittico 👉 https://app.meteoeradar.it/pHdP/ITsoc#meteo #radar #italia #alluvione #ischia

Posted by Meteo & Radar Italia on Monday, November 28, 2022

Auf Ischia war jahrelang bis weit in die Hänge hinauf gebaut worden, wobei mutmaßlich einige Gebäude auch illegal errichtet worden waren. Zugleich war es wahrscheinlich vernachlässigt worden, die Hänge zu sichern und die bestehenden Gräben zu pflegen und zu befestigen. Fatalerweise fiel am Samstag auf einem relativ kleinen Gebiet sehr viel Niederschlag. In der Folge geriet stark durchnässter Boden ins Rutschen und bahnte sich als Mure seinen Weg bis zum Meer, wobei viele Häuser zerstört wurden und wohl ein Dutzend Menschen ihr Leben verloren.

Von: ka