Von: ka
Rom – Die italienischen Corona-Zahlen lassen einen sorgenfreien Sommer immer wahrscheinlicher werden. Laut der einhelligen Meinung der Experten ist dies neben den rechtzeitig erfolgten Corona-Einschränkungen vor allem der erfolgreichen Impfkampagne zu verdanken. Die Virologen und Epidemiologen geben aber auch zu bedenken, dass man sich nun nicht auf den Lorbeeren ausruhen darf.
Ziel der römischen Regierung ist es nun, einen erneuten Anstieg der Neuinfektionen im Herbst – die sogenannte vierte Corona-Welle – zu vermeiden. Dem Schulbeginn im September und damit der Immunisierung der Schüler und Studenten kommt dabei eine besondere Rolle zu. Nachdem die europäische Arzneimittelbehörde EMA sowie die EU-Kommission grünes Licht gegeben haben, steht der Verabreichung des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer an Kinder ab zwölf Jahren nichts mehr im Wege. Rom hofft, dass bis zum Schulbeginn möglichst viele Kinder und Jugendliche der Altersgruppe von zwölf bis 15 Jahren geimpft sein werden, und will es – derzeit – noch bei einer „dringenden Empfehlung“ belassen. Bleibt die Impfbereitschaft aber gering, steht aber auch eine vorübergehende Impfpflicht im Raum.
Die überraschend gute Entwicklung der italienischen Coronazahlen erstaunt selbst Experten. „Ich bin freudig erstaunt, denn in Italien verbessern sich die Epidemiezahlen dramatisch schnell und jenseits aller rosigsten Erwartungen. Bei den Wiedereröffnungen gab es eine zehnprozentige Chance, dass die Dinge diesen Verlauf nehmen würden, aber am Ende ging es gut und darüber bin ich wirklich glücklich“, so der angesehene Virologe Massimo Galli.
Aber auch wenn sich die Italiener auf den Sommer freuen, steckt vielen die Angst vor einer erneuten Corona-Welle im Herbst in den Knochen. Diese Besorgnis wird auch von der Regierung geteilt. Da die gefährdetsten Personengruppen und die älteren Jahrgänge inzwischen großteils geimpft sind, rücken nun die jungen Leute in den Mittelpunkt. Als „besonders kritischen Zeitraum“ sehen die Experten den Schulbeginn an. Damit kommt der Immunisierung der Schüler und Studenten eine besondere Rolle zu. Nachdem die europäische Arzneimittelbehörde Ema sowie die EU-Kommission grünes Licht gegeben haben, steht der Verabreichung des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer an Kinder ab zwölf Jahren nichts mehr im Wege.
Der außerordentliche Kommissar für die Koordinierung der Maßnahmen gegen die Covid-19-Notlage, General Francesco Paolo Figliuolo, hofft, dass bis zum Schulbeginn möglichst viele der 2.300.000 Kinder und Jugendliche der Altersgruppe von zwölf bis 15 Jahren geimpft sein werden. Zu diesem Zweck lädt er die Regionen und Autonomen Provinzen – also auch Südtirol – dazu ein, ihren Fokus auf die Impfung der Kinder und Jugendlichen zu richten. Da für die vollkommene Immunisierung zwei Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer notwendig sind, gilt es allein für diese Altersgruppe insgesamt 4,6 Millionen Dosen zu verabreichen. Angesichts der Millionen Impfdosen, die im Sommer verfügbar sein werden und der verbesserten Organisation des Impfapparats – es könnte auch die Möglichkeit geschaffen werden, die Impfdosis vor Beginn des Unterrichts zu verabreichen – halten die Experten eine vorrangige Immunisierung dieser Altersgruppe für in wenigen Wochen stemmbar.
Das große Fragezeichen sind aber weniger die Kinder, sondern deren Eltern. Frühere Erfahrungen bieten wenig Raum für Hoffnung. Dem im vergangenen Herbst erfolgten Aufruf der Kinderärzte, zum Zweck des besseren „Herausfilterns“ der Covid-19-Fälle ihre Sprösslinge gegen die Grippe impfen zu lassen, folgten nur wenige Eltern. Aus diesem Grund fordern einige Stimmen eine zumindest zeitweilige Impfpflicht. Sie halten es für paradox, dass in Italien seit dem Jahr 2017 für schulpflichtige Kinder zwar zehn Impfungen – Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Hepatitis B, Keuchhusten, Haemophilus influenzae B, Masern, Röteln, Mumps und Windpocken – Pflicht sind, aber ausgerechnet die Impfung gegen jenes Virus, das für Millionen von Todesopfern verantwortlich ist und seit bald eineinhalb Jahren die Welt lahmlegt, „nur“ empfohlen wird.
Die Mehrheit der Virologen und Epidemiologen hingegen warnt davor, die Impfung gegen SARS-CoV-2 zur Pflicht zu machen. Zu ihnen gehört auch Andrea Crisanti. Der bekannte Virologe verweist auf die noch relativ dünne Datenlage und auf das Auftreten einiger Fälle von Myokarditis nach der Verabreichung von mRNA-Produkten – insbesondere bei unter 30-Jährigen. „Es handelt sich dabei um Hinweise, die nicht zu unterschätzen sind, und die, um ein klares Bild zu erhalten, weiterer Analysen und Untersuchungen bedürfen“, so Andrea Crisanti. Der Virologe ist daher dagegen, die Impfung zur Bedingung für die Aufnahme in die Schule zu machen und rät dazu, noch abzuwarten.
Am Montag erteilte die italienische Agentur für Medikamente AIFA die Genehmigung für den Einsatz des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer an Kinder ab zwölf Jahren. „Der Impfstoff ist gut verträglich. Es hat nur geringe Nebenwirkungen gegeben“, so der Generaldirektor der AIFA, Nicola Magrini. Eine Studie habe bei jungen Menschen eine sehr hohe Wirksamkeit bestätigt.
Der Mehrheit der Regierung und der Experten, die sie beraten, möchte sich – vorerst – aber noch damit begnügen, die Impfung der Kinder ab zwölf Jahren „dringendst zu empfehlen“. Sollten bis zum September aber zu wenige Kinder geimpft sein, steht auch eine zeitweilige Pflichtimpfung im Raum.
Ab dem 3. Juni fallen in Italien alle Altersschranken. Aus heutiger Sicht scheint es, dass jeder Beschluss der römischen Regierung davon abhängen wird, wie viele Eltern sich aus freien Stücken für die Impfung ihrer Kinder entscheiden werden. Ironischerweise müssen die Impfgegner unter den Eltern vermutlich darauf hoffen, dass möglichst viele Eltern der „dringenden Empfehlung“ der Behörden folgen werden.