Piemont, Lombardei, Ligurien und Trentino nur bedingt bereit – Südtirol schon

Phase 2: Tanz auf der Rasierklinge

Samstag, 02. Mai 2020 | 08:34 Uhr

Rom/Bologna – Während immer mehr Regionen von der zögerlichen Haltung der römischen Regierung enttäuscht sind und früher öffnen wollen, geben die Experten der medizinischen Forschungsstiftung „Fondazione Gimbe“ zu bedenken, dass drei Regionen und eine autonome Provinz für die Phase 2 nur bedingt bereit sind. Der Piemont, die Lombardei, Ligurien und das Trentino weisen laut einer Studie der Stiftung noch Fallzahlen und Anstiege der Neuansteckungen auf, die eine Lockerung als riskanten Schritt erscheinen lassen. Südtirol hingegen befindet sich laut den Experten der „Fondazione Gimbe“ dank seiner wenigen Neuansteckungen auf einen guten Weg.

Prevalenza e incremento percentuale dei casi di COVID-19 al 30/04; Il grafico illustra il posizionamento delle Regioni…

Pubblicato da GIMBE su Venerdì 1 maggio 2020

Die angesehene medizinische Stiftung „Fondazione Gimbe“ beschäftigt sich schon seit ihrem Beginn intensiv mit der Covid-19-Epidemie. Die letzte Studie der Epidemiologen der medizinischen Stiftung fußt auf zwei Indikatoren: die Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohner und den prozentualen Anstieg der Neuansteckungen in der letzten Woche. Die Auswertung der Gesamtzahlen der Fälle und der Steigerungen der Neuansteckungen, die getrennt nach Regionen und autonomen Provinzen durchgeführt wurde, ergab ein Bild mit Sonne und Wolken.

Casi di COVID-19, andamento giornaliero dei tamponi al 28/04;Il grafico illustra il numero di tamponi eseguiti per giorno e la percentuale di tamponi positivi per giorno. 🔵https://coronavirus.gimbe.org/

Pubblicato da GIMBE su Mercoledì 29 aprile 2020

„Vier Tage vor dem Beginn der Phase 2 zeigt unsere unabhängige Überwachung eine weitere Entlastung der Krankenhäuser und insbesondere der Intensivstationen. Was die Neuinfektionen und die Todesfälle anbelangt, hat die Zahl der Neuerkrankungen trotz der fortschreitenden Verlangsamung jedoch noch nicht eine dauernde, gemäß den Empfehlungen der Europäischen Kommission für einen Neustart notwendige Stabilisierung erreicht“, so der Präsident der „Fondazione Gimbe“, Nino Cartabellotta.

Die Studie der medizinischen Forschungsstiftung, bei der der Zeitraum vom 22. bis 29. April beleuchtet wurde, zeichnet ein Italien der verschiedenen Geschwindigkeiten. Um die Gesamtlage besser zu verdeutlichen, wurde ein Diagramm erstellt, in dem die Regionen je nach „Gefährlichkeit der Covid-19-Lage“ in vier Gruppen – von Rot über Orange und Gelb bis zu Grün – eingeteilt wurden. Der Piemont, die Lombardei und Ligurien und das Trentino, die nicht nur eine hohe Covid-19-Prävalenz, sondern – was besonders bedenklich ist – eine immer noch hohe Anzahl von Neuansteckungen aufweisen, befinden sich im roten Teil des Diagramms. Laut den Experten befinden sich diese Sorgenkinder unter den Regionen, die teilweise noch immer Steigerungsraten von Neuansteckungen von über zehn Prozent aufweisen, weiterhin in der Phase 1.

Bedenklich ist der Umstand, dass vier Fünftel der Neuansteckungen norditalienische Regionen betreffen und ab dem 4. Mai genau in denselben Regionen der Großteil der viereinhalb Millionen Arbeiter und Angestellten zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren wird.

Die Lage genau im Auge behalten müssen aber auch die „orangen Regionen“. Sie weisen zwar eine geringe Prävalenz, aber einen Anstieg der Neuansteckungen auf, der über dem italienischen Durchschnitt von 8,7 Prozent liegt. Umgekehrt verhält es sich bei den „gelben Regionen“. Sie haben eine hohe Anzahl von Gesamtfällen, aber nur kleine Steigerungsraten der Neuinfektionen, was heißt, dass sie sich auf einen guten Weg befinden.

Unter Letzteren befindet sich auch Südtirol. Die Anzahl der Gesamtfälle liegt mit 472 Covid-19-Fälle auf 100.000 Einwohner in Südtirol zwar über dem italienischen Schnitt von 337, aber die wichtige Steigerungsrate der Neuinfektionen liegt mit nur 3,8 Prozent auf dem Niveau der „grünen Regionen“. Die „grünen Regionen“, zu denen die meisten mittel- und süditalienischen Regionen zählen, dürfen hingegen heute schon etwas aufatmen. Es genügt, wenn sie ihre niedrigen Fallzahlen und Steigerungsraten weiterhin beobachten und den Zustrom von Menschen aus den „roten Regionen“ kontrollieren.

„Mit diesem epidemiologischen Bild unterliegen ab dem 4. Mai einige Regionen übermäßigen Beschränkungen, während in anderen die Lockerungen, in deren Verlauf viereinhalb Millionen Menschen zu ihrer Arbeit zurückkehren werden, auf der Rasierklinge stattfinden werden. Und vor allem müssen wir uns bewusst sein, dass der mögliche Anstieg der Infektionskurve frühestens in zwei Wochen sichtbar sein wird. Wie jede politische Entscheidung stellt das Dekret der Phase 2 einen unvermeidlichen Kompromiss zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und anderen Interessen dar. In diesem Rahmen in verschiedenen Regionen je nach ihrer epidemiologischen Lage unterschiedliche Regeln aufzustellen, hätte die Bank gesprengt“, meint abschließend Nino Cartabellotta.

Aber besonders die „gelben“ und „grünen“ Regionen, zu denen auch Südtirol gehört, fühlen sich von der Studie bestätigt. Sie fordern von Rom, ihnen endlich jenen Spielraum zu gewähren, der den einzelnen Regionen – und Südtirol – einen Neustart nach Maß ermöglicht.

 

 

Von: ka