Ex-Freund, Mutter und Kindergartendirektorin angeklagt

Racheporno: Kindergartenerzieherin erniedrigt und entlassen

Mittwoch, 18. November 2020 | 08:04 Uhr

Turin – Eine Gemeinde in der Nähe von Turin im Piemont war Schauplatz einer unglaublichen und zugleich traurigen Geschichte. Mehrere pikante Fotos und Videos, die eine Kindergartenerzieherin ihrem Freund geschickt hatte, wurden von Letzterem im WhatsApp-Chat seiner Sportgruppe geteilt. Von dort gelangten sie zur Mutter eines der Kindergartenkinder der Erzieherin und zur Direktorin. Anstatt Solidarität und Hilfe zu erhalten, wurde die Kindergartenerzieherin entlassen und öffentlich an den Pranger gestellt. Aber nach der Anzeige des Opfers ließen die Richter Gerechtigkeit walten.

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Für die zwei Frauen kommt es nun knüppeldick. Die Mutter und die Leiterin des Kindergartens werden sich jeweils wegen Erpressung und Verleumdung vor Gericht verantworten müssen. Der Ex-Freund des Opfers hingegen wurde bereits im Rahmen eines getrennten Verfahrens zu einem Jahr sozial nützlicher Arbeiten verurteilt. Zudem kommen auf alle drei Täter im sechsstelligen Bereich liegende Schadenersatzforderungen hinzu. Das von der Kindergartendirektorin in die Wege geleitete Entlassungsverfahren wurde eingestellt.

Die traurige und bitterböse Geschichte begann in einer Gemeinde in der Nähe von Turin. Eine Kindergartenerzieherin lernte einen Mann, der in einem Freizeitfußballverein spielt, kennen. Unvorsichtigerweise schickte sie ihm während der nur wenige Wochen dauernden Beziehung insgesamt 18 pikante Fotos und mindestens ein Video sexuellen Inhalts. Die Liebesbeziehung fand schnell ein Ende, aber der Ex-Freund fand offenbar nichts dabei, die pikanten Fotos und Videos im WhatsApp-Chat seiner Sportgruppe mit seinen Fußballfreunden zu teilen.

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Damit nahm für die junge Kindergärtnerin das Unglück ihren Lauf. Die Fotos und die Videos, in denen das Gesicht der Kindergartenerzieherin klar zu erkennen ist, wurden zwischen den Fußballspielern des Freizeitvereins und ihrem privaten Umfeld viele Male kommentiert und geteilt. Leider erkannte dabei auch die Ehefrau eines der Fußballfreunde des Mannes die Frau im Video als die Kindergartenerzieherin ihres kleinen Sohnes wieder. Anstatt das Racheporno-Opfer auf das in den WhatsApp-Chats zirkulierende Foto- und Videomaterial sexuellen Inhalts aufmerksam zu machen, zog die Mutter es vor, die Fotos und Videos drei weiteren Müttern zu schicken.

Zugleich rief sie die Kindergärtnerin an und drohte ihr damit, im Falle einer Anzeige gegen ihren Mann ihre Vorgesetzte zu informieren. „Sag es niemandem, sonst erzähle ich alles der Kindergartendirektorin“, so die Mutter zur jungen Frau. Die Frau ließ sich aber nicht davon abbringen, ihren Ex-Freund und alle, die das pikante Foto- und Videomaterial weitergereicht hatten, anzuzeigen. Die Mutter machte daher ihre Drohung wahr und informierte die Vorgesetzte der Kindergärtnerin über die sich im Umlauf befindlichen Fotos und Videos.

Auch diesmal fand die junge Frau, die Opfer eines Rachepornos geworden war, keine Hilfe. Obwohl es eigentlich Aufgabe der Direktorin gewesen wäre, Solidarität zu zeigen und gemeinsam mit dem Opfer den Vorfall zur Anzeige zu bringen, stellte die Leiterin des Kindergartens die Frau öffentlich an den Pranger. Die Vorgesetzte leitete ein Entlassungsverfahren ein und erniedrigte sie, indem sie sich öffentlich über die Gründe der Entlassung – das zirkulierende pornografische Foto- und Videomaterial – äußerte. Sie fügte sogar hinzu, dass die junge Frau infolge dieses „Vorfalls“ nie wieder als Kindergartenerzieherin arbeiten könne.

Die junge Frau ließ sich aber nicht einschüchtern. Gegen alle Beteiligten wurde ein von Staatsanwalt Ruggero Crupi koordiniertes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das von der Kindergartendirektorin initiierte Entlassungsverfahren wurde hingegen eingestellt.

Für die zwei Frauen kommt es nun knüppeldick. Die Mutter und die Leiterin des Kindergartens werden sich jeweils wegen Bedrohung und Erpressung sowie wegen Verleumdung im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens vor Gericht verantworten müssen. Der Ex-Freund des Opfers hingegen wurde bereits im Rahmen eines gesonderten Verfahrens zu einem Jahr sozial nützlicher Arbeiten verurteilt. Der Mann muss sich für ein ganzes Jahr acht Stunden pro Woche ohne Feiertagspausen für sozial nützliche Arbeitseinsätze zur Verfügung stellen.

Damit sind für die drei Täter die „Unannehmlichkeiten“ aber noch nicht zu Ende. Das Racheporno-Opfer fordert von allen Beteiligten eine Schadenersatzforderung im sechsstelligen Bereich. Andernfalls – so die Kindergartenerzieherin – wird sie sich dem strafrechtlichen Prozess gegen die Kindergartendirektorin und die Ehefrau des Freundes ihres Ex als Zivilpartei anschließen.

In der italienischen Öffentlichkeit werden die harte Hand des Gesetzes sowie die hohen Schadenersatzforderungen, die auf die mutmaßlichen Täter zukommen, begrüßt. Nach besonders traurigen Fällen, in denen sich Opfer von Rachepornos sogar das Leben genommen haben, kann gegen die Täter gar nicht hart genug vorgegangen werden, so die Meinung vieler Leser und Kommentatoren.

 

Von: ka