Heftige Debatte um Italiens Kolonialzeit entbrannt, auch Südtirol involviert – VIDEO

„Rassist und Vergewaltiger“: Statue von Indro Montanelli beschmiert

Montag, 15. Juni 2020 | 08:02 Uhr

Mailand – Im Zuge der Anti-Rassismus-Proteste werden weltweit Statuen, die an Sklavenhändler und Kolonialisten erinnern, von ihren Sockeln gestoßen. Auch in Italien wird die eigene, nicht nur mehr als fragwürdige, sondern oftmals grausame Kolonialgeschichte heiß diskutiert.

Dabei gerät besonders die Rolle eines der größten und bekanntesten Journalisten Italiens, Indro Montanelli, immer stärker ins Zwielicht. Eine linke Gruppierung wies darauf hin, dass Montanelli während seiner Zeit im Abessinienkrieg eine zwölfjährige Eritreerin gekauft und „geheiratet“ hatte, um ihm als Sexsklavin zu dienen. Die Gruppierung forderte die Stadt Mailand dazu auf, seine Statue zu entfernen. Das Ansinnen löste eine heftige Debatte aus. Am Samstag wurde die Statue mit mehreren Kübeln roter Lackfarbe überschüttet und mit den Worten „Rassist und Vergewaltiger“ beschmiert.

Der im Jahre 2001 verstorbene Indro Montanelli gilt aufgrund seiner vielen Werke und nicht zuletzt wegen seiner Verteidigung der Freiheit des Journalismus – er wurde 1977 Opfer eines Anschlags der Brigate Rosse, die ihm in die Beine schossen – als Ikone des italienischen Journalismus des vergangenen Jahrhunderts. Nichtsdestotrotz weist seine Biografie mehrere dunkle Stellen auf, die ihm infolge der weltweiten Anti-Rassismus-Proteste, in deren Verlauf die koloniale Vergangenheit vieler Persönlichkeiten genau unter die Lupe genommen wird, nun zum Verhängnis werden. Eine linke Gruppierung, die „I sentinelli di Milano“, wies darauf hin, dass Indro Montanelli während seiner Zeit im Abessinienkrieg eine zwölfjährige Eritreerin gekauft und „geheiratet“ hatte, und forderte die Stadt Mailand auf, die Statue zu entfernen.

LETTERA APPELLO AL SINDACO E AL CONSIGLIO COMUNALE DI MILANOA Milano ci sono un parco e una statua dedicati a Indro…

Pubblicato da I sentinelli di Milano su Mercoledì 10 giugno 2020

Dies entspricht durchaus der Wahrheit. Indro Montanelli, der damals dem Faschismus nahe gestanden war, war dem Ruf des Duce gefolgt und hatte sich freiwillig für den Kriegsdienst in Abessinien gemeldet. Im Kolonialkrieg, der von Italien auf brutale Art und Weise geführt worden war, hatte Montanelli als Leutnant eine Kompanie von Askaris – dabei handelt es sich um italienische Kolonialtruppen – befehligt. Laut einer damals „üblichen Praxis“ – „Madamato“ genannt – hatte er einer Familie ein zwölfjähriges Mädchen abgekauft, die ihm für die ganze Zeit des Kriegs als „Frau“ und Haushaltshilfe zu Diensten gewesen war. Erst kurz vor Ende seines Aufenthalts in Äthiopien hatte er Destà, so der Name des Mädchens, General Alessandro Pirzio Biroli überlassen, der sie daraufhin seinem eigenen „Harem“ einverleibt hatte.

Während und nach dem Kolonialkrieg waren auch Montanellis Zweifel am Faschismus gewachsen, die später erst zu seinem Ausschluss aus der Partei und dann im Jahr 1943 zu seiner Unterstützung für die Partisanen geführt hatten. Allerdings hatte sich Indro Montanelli nie ganz von seiner Kolonialzeit losgesagt und sich – inbegriffen der „Heirat“ mit einer Zwölfjährigen – auch später mit Stolz dazu bekannt. Angesichts seiner Teilnahme am faschistischen Kolonialkrieg und besonders wegen der Tatsache, dass er „ein zwölfjähriges, eritreisches Mädchen gekauft und geheiratet hatte, um ihm als Sexsklavin zu dienen“, forderte die politische Gruppierung „I sentinelli di Milano“ die Entfernung der Statue.

Es entbrannte umgehend eine heftige Debatte. Gegner warfen den Indro Montanelli-Kritikern vor, eine Hexenjagd zu veranstalten, aus durchsichtigen politischen Gründen die Geschichte löschen zu wollen und einem bilderstürmerischen Wahn verfallen zu sein, der jeglicher Verbindung mit dem Kampf gegen den Rassismus entbehre. In diesem Zusammenhang wiesen sie auf die Meriten Montanellis im Kampf gegen den Faschismus und als Verteidiger der Freiheit des Journalismus hin.

LA STATUA DEL GIORNALISTA INDRO MONTANELLI È STATA VANDALIZZATA! L’ignoranza talebana e iconoclasta ha colpito anche a…

Pubblicato da Gioventù Nazionale Milano su Sabato 13 giugno 2020

Der Bürgermeister von Mailand, Giuseppe Sala, betonte, dass die Statue an ihrem Platz in einem Mailänder Park bleiben werde. Die heißen Diskussionen gipfelten am Samstag mit der Überschüttung der Statue mit mehreren Kübeln roter Lackfarbe und ihrer Beschmierung mit den Worten „Rassist und Vergewaltiger“.

UCCIDI IL RAZZISTA DENTRO DI TE Presumibilmente qualche notte fa, un gruppo di ignot* ha imbrattato alcuni dei…

Pubblicato da Bolzano-male su Sabato 13 giugno 2020

Auch in Südtirol flammte die nie ganz verstummte Diskussion um Italiens Verbrechen in der Kolonialzeit wieder auf. Wie die Facebook-Gruppe „Bolzano-male“ berichtet, wurden in Bozen mehrere Denkmäler und Straßennamen, die an Italiens Kolonialzeit erinnern, von Unbekannten mit Farbe „markiert“. In einer auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichten Stellungnahme, in der die Solidarität mit den weltweiten Anti-Rassismus-Protesten betont wird, fordert „Bolzano-male“ dazu auf, „den verinnerlichten Rassismus, der in uns steckt, zu dekonstruieren, die koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten und sich mit der neokolonialen Gegenwart auseinanderzusetzen“.

«Gli italiani non imparano niente dalla Storia, anche perché non la sanno»Queste sono le parole spocchiose del “più grande giornalista italiano” Indro Montanelli.Crediamo di aver dimostrato – al contrario – di conoscerla molto bene. Siamo convinti che, senza una giusta revisione critica, la storia non possa definirsi tale. Essa va intesa come materia viva, soggetta a cambiamenti, e non possiamo fingere di non sapere che le statue che ne celebrano i protagonisti hanno una funzione sociale collettiva, perché occupano lo spazio pubblico rappresentando ciò che una classe dirigente decide di celebrare della propria storia. In un momento globale così importante – che da ogni parte del mondo ci vede capaci di infrangere barriere e abbattere idoli di un mondo che non deve più esistere – crediamo che figure come quella di Indro Montanelli siano dannose per l’immaginario di tuttx.Un colonialista che ha fatto dello schiavismo una parte importante della sua attività politica non può e non deve essere celebrato in pubblica piazza.In una città come Milano, medaglia d’oro alla Resistenza, la statua di Indro Montanelli è una contraddizione che non possiamo più accettare.Il giornalista, oltre ad aver portato avanti una strenua campagna di apologia del fascismo, si arruolò volontariamente durante la campagna etiope, una campagna colonialista e schiavista. Qui comprò una “faccetta nera” di nome Destà, una ragazza etiope di soli 12 anni, che usò senza ripensamenti come un vero e proprio giocattolo sessuale.Chiediamo, ad alta voce e con convinzione, l’abbattimento della statua a suo nome. Non possiamo accettare che vengano venerati come esempi da imitare personaggi che hanno fatto dello schiavismo, del colonialismo, della misoginia, del fascismo e del razzismo una mentalità con ben pochi ripensamenti. Con questo gesto vogliamo inoltre ricordare che, come ci hanno insegnato e continuano a insegnarci movimenti globali come Non Una Di Meno e Black Lives Matter, tutte le lotte sono la stessa lotta, in un meccanismo intersezionale di trasformazione del presente e del futuro. Se il mondo che vogliamo tarda ad arrivare, lo cambieremo.Mai più schiavismo.Mai più sessismo.Mai più razzismo.LUME – Laboratorio Universitario MEtropolitanoRete Studenti Milano

Pubblicato da Rete Studenti Milano su Domenica 14 giugno 2020

Während sich in Mailand eine linke Studentengruppierung zur Tat bekannte, wurde die Indro Montanelli-Statue von Aktivisten von „Gioventù Nazionale“, der Jugendorganisation der rechten Partei „Fratelli d’Italia“, und Arbeitern der Stadtgemeinde gereinigt.

Pubblicato da Fratelli d'Italia Milano su Domenica 14 giugno 2020

Die Debatte um Statuen und Straßennamen fragwürdiger und umstrittener Persönlichkeiten geht aber ungehindert weiter. Es bleibt abzuwarten, ob die Montanelli-Statue weiter an ihrem Ort stehen bleiben darf. Ähnliches gilt in Bozen, wo durch die weltweit geschehenen Entfernungen von Statuen von Sklavenhaltern und Kolonialherren die Debatte um einzelne Steinsäulen und Straßennamen neu befeuert wurde.

 

 

Von: ka