Slowenien hat seine ganz eigene „Bärenkultur“ – VIDEO

„Selektive Jagd und Erlegung von Problembären“

Samstag, 15. April 2023 | 08:20 Uhr

Caldes/Slowenien – Seit der erschütternden Tragödie auf dem Monte Peller ist die Beantwortung der Frage, ob Bären – und Wölfe – mit dem Menschen eine einigermaßen „friedliche“ Koexistenz pflegen können, umstrittener denn je.

Von besonderem Interesse ist dabei, was in anderen italienischen Regionen und in europäischen Ländern, in denen Bären leben, getan wird, um das Risiko von Angriffen von Bären zu minimieren. Neben dem Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise, dessen Verantwortlichen ein umfangreiches Regelwerk entworfen haben, das gefährliche Begegnungen zwischen Menschen und Bären verhindern soll, fällt der Blick auch auf die „Urheimat“ der heutigen Bären im Naturpark Brenta-Adamello – Slowenien.

Instagram/Parco Nazionale d’Abruzzo, Lazio e Molise

Für die Bären ist Slowenien ein wahres Paradies. 60 Prozent der Fläche des kleinen Landes sind von dichten Wäldern bedeckt, in denen sich die Bären besonders wohlfühlen. In Slowenien sind die Menschen es gewohnt, sich den Lebensraum mit dem Bären zu teilen. Fast alle Ortschaften liegen so nah am Wald, dass die Koexistenz mit dem slowenischen Braunbären, der bis zu zwei Meter groß und 300 Kilogramm schwer werden kann, für die Bewohner etwas vollkommen Normales ist, das ihnen keine besonderen Sorgen bereitet. Für den unaufgeregten Zugang der Slowenen zu „ihren“ Bären gibt es mehrere Gründe.

Facebook/Parco Nazionale d’Abruzzo, Lazio e Molise

„Die großen Raubtiere sind jagdbar und bringen den Slowenen einen wirtschaftlichen Nutzen. In Slowenien ist der Bär zwar als gefährdet eingestuft, aber gleichzeitig unterliegt er der Jagd und der zahlenmäßigen Kontrolle. Die Bestände sind dermaßen hoch, dass sich der Staat ein sehr pragmatisches Bärenmanagement leisten kann“, erklärt der Wildtierforscher des Projekts Lince Italia und Experte für Konflikte mit großen Säugetieren, Paolo Molinari, gegenüber dem Corriere della Sera.

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In der Tat sind die Bärenbestände keineswegs gefährdet. Gegenwärtig gibt es mehr als 1.000 slowenische Braunbären, von denen 70 Prozent im mittleren und südlichen Teil des Landes – vor allem an der Grenze zu Kroatien – leben. Das kleine mitteleuropäische Land besitzt die höchste Bärendichte Europas. Im Durchschnitt leben auf 100 Quadratkilometern 13 Individuen.

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Im Rahmen des gesetzlich festgelegten Artenschutzes, aber auch zur numerischen Kontrolle der Bärenpopulation werden jedes Jahr für jedes klar eingegrenzte Jagdgebiet eigene Abschussquoten festgelegt. In der Regel werden auf diese Weise jedes Jahr zwischen fünf und zehn Prozent der slowenischen Bären „entnommen“, was bedeutet, dass jährlich etwa 50 bis 100 slowenische Braunbären erlegt werden. Die „Verarbeitung“ dieser Bären – unter anderem wird aus dem Fleisch der erlegten Tiere eine Bärensalami hergestellt – ist für Slowenien auch von wirtschaftlichem Nutzen.

Da die Bärenbestände als zu hoch angesehen werden, werden die slowenischen Jäger dieses Jahr nicht weniger als 230 Braunbären erlegen. Wie der Minister für Naturressourcen und territoriale Angelegenheiten, Uroš Brežan, mitteilt, sei dies „eine notwendige Maßnahme, um die Sicherheit und Gesundheit der Bürger zu gewährleisten und übermäßige Schäden durch die Bärenpopulation zu verhindern“.

Ziel des slowenischen Staats ist es, die Zahl der Bären in den nächsten Jahren auf 800 zu senken. Laut den Experten wäre für die Größe der slowenischen Wälder allerdings eine Population von 450 bis höchstens 500 Bären ideal. In jedem Fall hält sich Slowenien die Tür offen, die Anzahl der Individuen weiter zu senken. Im Gegensatz zu Italien, wo Gerichtsurteile Abschussverordnungen von „Problemtieren“ aufheben, ist in Slowenien die Entnahme von Bären, die massive Schäden verursachen oder gar für Angriffe auf Menschen verantwortlich sind, kein Problem.

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„Es sollte noch ein weiterer Aspekt bedacht werden. Die übermäßig hohe Anzahl bestimmter Arten ist in Wirklichkeit eine echte Beeinträchtigung und Einschränkung der biologischen Vielfalt. Sie verstößt somit gegen den ersten Grundsatz der Erhaltung. Wer das nicht sieht, hat nicht verstanden, was es heißt, einen Naturraum zu hegen und zu pflegen“, fügt der Wildtierforscher hinzu.

Im Gegensatz zu Italien ist in Slowenien niemand über die Abschusspläne des slowenischen Staats schockiert oder empört. „Der Bär ist ein Teil der Kultur des Landes. Die Bären werden gejagt und als Trophäen im Wohnzimmer ausgestellt. Ihr Fleisch wird gekocht, gebraten oder zu Wurst verarbeitet. Der Bär gerät in Slowenien nie in Vergessenheit. Die Menschen wissen, dass sie vorsichtig mit ihm umgehen müssen“, schließt Paolo Molinari. Zudem werden für interessierte Touristen und Naturliebhaber geführte Wanderungen und Fototouren angeboten.

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Slowenien hat seine ganz eigene „Bärenkultur“. Können wir vom Pragmatismus und der Unaufgeregtheit, mit der die Slowenen alle mit den Bären verbundenen Notwendigkeiten angehen, etwas lernen?

Von: ka