Long Covid führt zu „Covid-Invaliden“ – VIDEO

“Sie leiden an Herz- und Lungenproblemen, einige werden nie gesund”

Montag, 15. November 2021 | 08:04 Uhr

Venedig – Viele Mediziner in Südtirols Nachbarregion Venetien schlagen Alarm. Unter den rund 460.000 Einwohnern der Region, die von Corona geheilt sind, befinden sich wahrscheinlich Tausende, die vermutlich noch Jahre, wenn nicht gar ihr Leben lang an den Folgen von Covid-19 leiden werden. Angesichts der nicht unwesentlichen Anzahl von Patienten, die an Atembeschwerden, Geh- und Sprachbehinderungen, Rückenschmerzen, Gesichtslähmungen oder an Depressionen leiden, beginnen Experten nicht „nur“ mehr von Long Covid, sondern von „Covid-Invaliden“ zu sprechen. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Kein anderes Atemwegsvirus hat jemals so verheerende Folgen hinterlassen“, meint der Pneumologe Andrea Vianello.

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„Ich habe sehr starke Schmerzen im unteren Rückenbereich“, klagt der 48-jährige Felice Costa. Der 48-Jährige, der während der ersten Coronawelle schwer erkrankt war und damals intensivmedizinisch behandelt werden musste, leidet eineinhalb Jahre nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus immer noch an den Folgen von Covid-19. „Ich habe immer Sport getrieben. Obwohl die Ärzte mir geraten haben, mich auszuruhen, kann ich nicht den ganzen Tag sitzen bleiben. Also spiele ich ab und zu Fußball. Das Problem ist, dass mein Rücken dann seinen Tribut fordert und ich mich tagelang nicht mehr bewegen kann. Ich hoffe, dass es in Zukunft nicht noch schlimmer wird“, so der sportbegeisterte Felice Costa.

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Der 48-Jährige ist in Venetien kein Einzelfall. Zu Beginn der Pandemie wurde von einigen noch behauptet, dass man an Covid-19 entweder sterbe oder von der Krankheit komplett geheilt werde. 21 Monate später wird immer deutlicher, dass es leider noch eine dritte Möglichkeit gibt. Unter den rund 460.000 Einwohnern der Region, die „von Corona genesen“ sind, befinden sich wahrscheinlich Tausende, die vermutlich noch Jahre, wenn nicht gar ihr Leben lang an den Folgen von Covid-19 leiden werden.

Die Wissenschaftler nennen es „Long Covid“ oder „Post-Covid-19-Syndrom“. In Wirklichkeit umfassen diese beiden Begriffe eine ganze Reihe von Beschwerden, die mindestens zwei Monate nach der Infektion auftreten. “Es handelt sich dabei um Symptome, die zwar auf Covid-19 zurückzuführen sind, die aber nicht immer direkt mit der Hauptmanifestation der Erkrankung, nämlich der Lungenentzündung, zusammenhängen“, erklärt der Pneumologe Andrea Vianello. „Jüngsten Studien zufolge gibt es fast fünfzig verschiedene Beschwerden, die auch noch mehrere Monate nach der Ansteckung fortbestehen“, fügt der Pneumologe und Professor an der Abteilung für Thorax-, Herz- und Gefäßwissenschaften an der Universität von Padua hinzu.

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In den schwersten Fällen wird sich der Patient wahrscheinlich nie mehr ganz erholen und muss für den Rest seines Lebens mit den Folgen von Corona zurechtkommen. Es ist zu befürchten, dass das Gesundheitswesen in zehn Jahren mit Hunderten von „Covid-Invaliden“ beschäftigt sein wird. Zu ihnen gehören Patienten, die an Atembeschwerden, Geh- und Sprachbehinderungen, Rückenschmerzen, Gesichtslähmungen oder an Depressionen leiden.

„Laut mehreren medizinwissenschaftlichen Studien besteht bei etwa 70 Prozent der auf der Intensivstation aufgenommenen Patienten das Risiko, an einer Lungenfibrose zu erkranken. Dabei handelt es sich um „Narben“ in der Lunge, die zum Atemstillstand führen können. Die meisten von ihnen scheinen sich mit der Zeit zu erholen. Die schwersten Fälle, von denen vor allem Männer, Raucher und Menschen mit Vorerkrankungen betroffen sind, werden nie ganz geheilt sein. Diese Patienten können nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren. Sie sind kurzatmig, können nicht lange gehen, geschweige denn Sport treiben. Um ihre Leiden zu lindern, haben wir hier in Padua einige von ihnen lungentransplantiert“, erläutert Andrea Vianello.

Im Gesundheitswesen der Region beschäftigen sich inzwischen mehrere Dienste mit der Betreuung und Behandlung von „Genesenen“, die selbst noch viele Monate nach der Erkrankung über Schmerzen und körperliche Einschränkungen verschiedenster Art klagen. Im eigens eingerichteten Post-Covid-Ambulatorium des Krankenhauses von Padua wurden bisher mehr als 500 Patienten behandelt.

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„Einige unserer Patienten leiden an Herzproblemen, die möglicherweise nicht vollständig ausheilen werden. Andere müssen mit Gesichtslähmungen leben, und wieder andere – glücklicherweise nur in sehr seltenen Fällen – scheinen ihren Geschmacks- oder Geruchssinn nicht wiederzuerlangen. Es gibt aber auch psychische Störungen wie Depressionen, Schlafstörungen und Angstzustände, deren Überwindung Jahre dauern kann“, erzählt der Pneumologe.

Die Organschäden, die das Virus anrichten kann, lassen selbst angesehene Experten wie den Professor an der Abteilung für Thorax-, Herz- und Gefäßwissenschaften an der Universität von Padua ratlos zurück. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Kein anderes Atemwegsvirus hat jemals so verheerende Folgen hinterlassen“, meint der Professor.

 

Von: ka