Von: mk
Seceda – Warteschlangen bis ins Tal, Selfie-Spots mit Massengedränge und ein geplanter Ausbau, der trotz kritischer Stimmen weiterverfolgt wird: Aufgrund der Entwicklungen rund um die Seceda in Gröden schlägt auch der Heimatpflegeverband Südtirol Alarm. Das Beispiel zeige, wohin ungezügelte touristische Strukturpolitik führen könne. „Was als Erfolgsmodell galt, ist längst zum Problem geworden – nicht nur in Gröden, sondern in ganz Südtirol“, warnen die Heimatpfleger.
„Wir haben in Südtirol kein Strukturproblem, sondern ein Überstrukturproblem“, so Obfrau Claudia Plaikner. Die Seceda sei zum touristischen Hotspot geworden, weil die bestehende Umlaufbahn sie mühelos erreichbar macht. „Wäre sie nur zu Fuß oder mit Anstrengung erreichbar, würde sie niemals diese Besuchermassen anziehen“, so Plaikner. In den letzten Tagen kursierten in sozialen Netzwerken und Medien Bilder, die Menschenmassen an der Talstation und überfüllte Wege zum beliebten Fotospot zeigen. Der jüngste Vorschlag, die Aufstiegsanlage zur Seceda zu potenzieren, hat die Debatte zusätzlich befeuert – ebenso wie das privat installierte Drehkreuz auf einem Wanderweg, das symbolisch für den Frust der Grundeigentümer und der lokalen Bevölkerung steht.
Der Preis der Erreichbarkeit
„Alpine Schätze, die schwer erreichbar sind, werden nie zum Massenphänomen“, erklärt Plaikner. Das zeige nicht nur das Beispiel Seceda, sondern auch das des Pragser Wildsees: „Erst als ein Parkplatzsystem errichtet wurde, kam es zur Überflutung.“ Ähnlich sei es beim E-Bike-Tourismus: „Wenn ich bis weit ins Hochgebirge Forstwege anlege, brauche ich mich nicht wundern, wenn diese überlaufen sind.“ Für Plaikner ist klar: „Der Eintrittspreis für die Berge sollte immer noch die Anstrengung sein.“
Symptombehandlung reicht nicht
Zwar begrüßt der Heimatpflegeverband kurzfristige Maßnahmen wie die diskutierte Kontingentierung – sie seien jedoch nur Symptombehandlung. „Wenn wir nicht endlich aufhören, neue Strukturen zu schaffen oder bestehende zu potenzieren, werden wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr los“, warnt Plaikner mit Blick auf die geplanten Ausbauten.
Auch Landesrat Luis Walcher hat zuletzt die Situation auf der Seceda als „nicht länger tragbar“ bezeichnet und ein effektives Hotspot-Management mit Vormerkungspflicht nach dem Vorbild von Prags gefordert. Laut Heimatpfleger ein wichtiger Schritt, aber für den Verband reicht das nicht aus. „Wir müssen die Probleme an der Wurzel anpacken. Wer das Verkehrsaufkommen, die Lärm- und Landschaftsbelastung in den Griff bekommen will, darf keine weiteren Beschleuniger einbauen“, so Plaikner.
Tourismus braucht Grenzen
Der Heimatpflegeverband appelliert daher an die Landesregierung, die geplante Potenzierung der Aufstiegsanlage zur Seceda entschieden abzulehnen und stattdessen eine strukturelle Kehrtwende einzuleiten: weg von mehr, hin zu weniger, aber besser. „Südtirol war einst ein strukturschwaches Land. Heute zerbrechen wir an unserem Zuviel“, sagt Plaikner. „Es ist an der Zeit, die touristische Entwicklung wieder in den Dienst von Natur, Gesellschaft und Kultur zu stellen – und nicht umgekehrt.“
Strukturpolitik mit Augenmaß – auch bei Fördergeldern
Besonders kritisch sieht der Heimatpflegeverband, dass viele dieser Erschließungsstrukturen – von Forstwegen über Seilbahnen bis hin zu Marketingkampagnen – mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden. „Die Förderpolitik ist neben der Genehmigungspolitik ein zentraler Hebel“, betont Plaikner. „Wer den Tourismus neu ausrichten will, muss hier ansetzen – und aufhören, neue und potenzierte Infrastruktur mit Steuergeldern zu belohnen, die genau jene Probleme schafft, die wir dann wiederum teuer regulieren müssen.“
Aktuell sind 55 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen