Von: APA/Reuters/AFP
An der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha ist es am Freitag den zweiten Tag hintereinander zu schweren Gefechten gekommen. Das kambodschanische Militär habe dabei schwere Waffen wie Artillerie und Raketenwerfer eingesetzt, teilte die thailändische Armee mit. “Die kambodschanischen Streitkräfte haben einen anhaltenden Beschuss unter Einsatz schwerer Waffen, Feldartillerie und Raketensystemen vom Typ BM-21 ausgeführt”, hieß es in einer Erklärung.
Die eigenen Truppen hätten “entsprechend der taktischen Lage mit angemessenem Gegenfeuer” reagiert. Das Innenministerium in Bangkok erklärte unterdessen, es seien mehr als mehr 100.000 Menschen aus vier Grenzprovinzen in fast 300 Notunterkünfte gebracht worden. Das thailändische Gesundheitsministerium gab bekannt, dass die Zahl der Todesopfer auf 15 gestiegen sei – 14 Zivilisten und ein Soldat.
Der UNO-Sicherheitsrat kündigte für Freitag eine Dringlichkeitssitzung wegen der Kämpfe an, wie AFP aus diplomatischen Kreisen erfuhr. Die von Kambodschas Regierungschef Hun Manet beantragte Sitzung sollte demnach um 15.00 Uhr (Ortszeit, 21.00 Uhr MESZ) stattfinden.
Mögliche Vermittlung durch Malaysia
Thailand zeigte sich indes offen für eine Vermittlung durch Malaysia. “Wir sind bereit, wenn Kambodscha diese Angelegenheit auf diplomatischem Wege, bilateral oder sogar über Malaysia regeln möchte. Bisher haben wir jedoch noch keine Antwort erhalten”, sagte ein thailändischer Außenamtssprecher der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor hatte Thailand Vermittlung durch Drittstaaten abgelehnt. Kambodscha müsse zuerst die Angriffe einstellen, hieß es. Neben Malaysia hatten auch die USA und China angeboten, einen Dialog zu ermöglichen.
Malaysia hat derzeit den Vorsitz der Staatengemeinschaft ASEAN inne, der sowohl Thailand als auch Kambodscha angehören. Malaysias Ministerpräsident Anwar Ibrahim hatte am Donnerstag erklärt, er habe mit seinen Kollegen aus Thailand und Kambodscha gesprochen. Er forderte beide Seiten auf, die Kämpfe einzustellen und eine diplomatische Lösung zu suchen.
China äußerte sich zutiefst beunruhigt über die Opfer. Außenminister Wang Yi führte die “Wurzel des Problems” auf die Nachwirkungen “des westlichen Kolonialismus” zurück.
Grenzstreit seit mehr als einem Jahrhundert
Beide Länder trennt eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze, deren Verlauf noch in der Kolonialzeit festgelegt wurde. Die Regierungen in Bangkok und Phnom Penh interpretieren die Grenzziehung aber unterschiedlich. Vor allem geht es bei dem Streit um den Tempel Prasat Preah Vihear (vermutlich aus dem 10. bis 12. Jahrhundert), der seit 2008 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört und von beiden Ländern beansprucht wird. Dies führte immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen, unter anderem im Jahr 2011.
Die Spannungen hatten sich im Mai nach dem Tod eines kambodschanischen Soldaten bei einem Feuergefecht wieder verschärft. Thailand wirft Kambodscha vor, kürzlich neue Landminen in dem umstrittenen Gebiet verlegt zu haben. Die Regierung in Phnom Penh bestreitet dies und erklärt, die Minen stammten aus dem jahrzehntealten Bürgerkrieg.
Kambodscha warf Thailand vor, den umstrittenen Tempel im Rahmen der Angriffe beschädigt zu haben. “Die Attacken, die sowohl Artilleriebeschuss als auch Luftangriffe umfassten, haben die heilige Stätte, die für das kambodschanische Volk von immenser kultureller, historischer und spiritueller Bedeutung ist, schwer beschädigt”, teilte das Kulturministerium mit. Der thailändische Militärsprecher Winthai Suvari wies die Beschuldigungen vehement zurück. Es handle sich um eine “klare Verdrehung der Tatsachen”, hieß es in einer Mitteilung. Die thailändische Armee habe keine zivilen Gebiete angegriffen, sondern nur Militärstellungen.
Thailändische Regierungschefin suspendiert
Anfang Juli wurde Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra vom Amt suspendiert, nachdem ihr im Umgang mit dem Grenzstreit mögliche Verstöße gegen ethische Grundsätze vorgeworfen wurden. Dabei ging es um ein geleaktes Telefonat mit Hun Sen, dem früheren Langzeitministerpräsidenten und starken Mann in Kambodscha. Kritiker warfen ihr vor, in dem Telefonat vor Kambodscha zu kuschen und ihr Land zu verraten. Sie selbst erklärte, sie habe versucht, die Spannungen zu beruhigen.
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