Heftige Debatte um Gefährlichkeit von Covid-19 entbrannt – VIDEO

Umstrittene These: „Die neuen Positiven sind nicht ansteckend“

Montag, 22. Juni 2020 | 08:41 Uhr

Von: ka

Mailand/Padua – Nach verschiedenen Wortmeldungen von namhaften Virologen und Epidemiologen – Südtirol News berichtete – ist in Italien eine heftige Debatte um die derzeitige Gefährlichkeit von Covid-19 entbrannt. Im Mittelpunkt stehen dabei besonders die asymptomatischen Virusträger. Eine der letzten Meinungsäußerungen ist jene des Direktors des renommierten Mailänder Instituts für pharmakologische Forschungen Mario Negri, Giuseppe Remuzzi. Giuseppe Remuzzi glaubt, dass „die neuen Positiven nicht ansteckend“ seien. Mehrere Kollegen teilen diese Ansicht nicht.

„Das Oberste Gesundheitsinstitut ISS (Istituto Superiore di Sanità) und die Regierung müssen sich bewusst werden, um wie viel und auf welche Weise sich die Lage seit dem nunmehr weit zurückliegenden 20. Februar verändert hat. Diese neue Sachlage muss auch mitgeteilt werden. Ansonsten trägt man dazu bei – und das möglicherweise auch auf unfreiwillige Weise – unnötige Angst zu verbreiten. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass die neu entdeckten positiven Fälle eine sehr niedrige, nicht zu einer Ansteckung führende Viruslast aufweisen. Man nennt sie Ansteckungen, aber in Wirklichkeit handelt es sich nur um positive Abstriche“, so Giuseppe Remuzzi.

Il Professor Giuseppe Remuzzi, Direttore dell'Istituto Mario Negri, risponde alla domanda del giornalista del Corriere…

Pubblicato da Istituto Mario Negri su Venerdì 19 giugno 2020

Im Interview, das der namhafte Wissenschaftler dem „Corriere della Sera“ gab, berichtete Giuseppe Remuzzi von der von ihm und seinem Team durchgeführten Studie, an der 133 Forscher seines Instituts und 298 Angestellte der Firma Brembo teilgenommen hatten. Insgesamt waren 40 positive Fälle entdeckt worden, die aber alle eine sehr niedrige Viruslast aufgewiesen hatten. In der Tat, so Giuseppe Remuzzi, waren bei allen Fällen eine sehr hohe Anzahl von Zyklen – also eine sehr große Amplifikation der viralen RNA – der Polymerase-Kettenreaktion, auf deren Prinzip das SARS-CoV-2-Testverfahren basiert, notwendig gewesen, um eine Positivität zu erreichen.

„Die täglichen Zahlen zu kommentieren, ist sinnlos, weil es sich um positive Fälle handelt, die keine Auswirkungen auf die Realwelt haben“, so das Fazit von Giuseppe Remuzzi.

Zur Stützung seiner Ansicht zitierte Remuzzi auch eine Studie des Center for Disease Prevention von Südkorea. Im ostasiatischen Land waren von 285 asymptomatischen, positiv Getesteten insgesamt 790 Personen ermittelt worden, mit denen sie in Kontakt gekommen waren. Von den 790 Personen war keine angesteckt worden, was die These einer geringeren Viruslast und einer damit einhergehenden geringeren Infektiosität stützt. Giuseppe Remuzzi zufolge sind in dieser Hinsicht auch die noch relativ hohe Anzahl von Neuansteckungen in der Lombardei als nicht besonders problematisch anzusehen.

ANSA/MATTEO CORNER

Das Thema der Infektiosität der asymptomatischen positiv Getesteten wird die Virologen und Epidemiologen noch lange beschäftigen. Der Epidemiologe Pier Luigi Lopalco kommt aufgrund der Auswertung der Daten des Corona-Krankheitsherdes des Kreuzfahrtschiffes Diamond Princess zum Schluss, dass die asymptomatischen Virusträger eine große Rolle dabei spielen, die Anwesenheit von SARS-CoV-2 in einer Population aufrechtzuerhalten, wobei Personen, die von asymptomatischen positiv Getesteten angesteckt wurden, ihrerseits meist keine Corona-Symptome zeigen.

Pubblicato da Prof. Matteo Bassetti- Infettivologo su Venerdì 19 giugno 2020

Wie viele Epidemiologen anmerkten, hatte es zwar auch in der Vergangenheit zwei oder mehrere Wellen gegeben, aber noch nie war die Verbreitung des Virus zwischen den Wellen und vor allem waren noch nie die asymptomatischen Personen überwacht worden. Daher fehlt es heute an gesicherten Erfahrungswerten. Das dichte Netz von Laboren und die flächendeckende, medizinische Überwachung erlaubt es uns heute – so Pierluigi Lopalco – herauszufinden, „wo das Virus sich versteckt hält“.

PAURA DEI FANTASMITecnicamente si definiscono "portatori" del virus, ma nel gergo ormai consolidato della pandemia di…

Pubblicato da Pier Luigi Lopalco, epidemiologo su Giovedì 18 giugno 2020

Der Direktor der Abteilung für Molekularmedizin und Virologie der Universität von Padua, Andrea Crisanti, ist hingegen von der Gefährlichkeit der asymptomatischen Virusträger überzeugt. „Die Asymptomatischen sind gefährlich. In allen Infektionskrankheiten erfüllen sie in der Biologie der Übertragung der Krankheitserreger eine wichtige Aufgabe. Eine Person, der es schlecht geht, bleibt im Bett. Die Krankheitserreger nutzen zur Ausbreitung unser Verhalten. Jene Personen, die sich in einer asymptomatischen Phase befinden, sind Teil eines positiven Ausleseprozesses. Das ist eine Frage der Genetik und der natürlichen Auslese“, so Andrea Crisanti.

Bergen die asymptomatischen Virusträger die Gefahr, auf natürliche Art und Weise als „Labor“ für neue Varianten des Virus zu dienen? Das ist nur eine von vielen Fragen, die die Virologen und Epidemiologen beschäftigt.

Der Präsident der angesehenen medizinischen Forschungsstiftung Gimbe, Nino Cartabellotta, ruft die Experten dazu auf, die angestoßene Debatte um die asymptomatischen Virusträger und die derzeitige Gefährlichkeit des Coronavirus zu beenden. Die Meinungsverschiedenheiten riskieren, so Cartabellotta, die Bevölkerung zu verwirren und zur Entstehung von Fake News beizutragen.