Von: ka
Tortolì – Paola Piras, die vor 40 Tagen von ihrem ehemaligen Lebensgefährten, dem 29-jährigen Shaid Masih, mit einer Vielzahl von Messerstichen schwer verletzt worden war, erwachte aus dem Koma. Seitdem sie wieder bei Bewusstsein ist, fragt sie andauernd nach ihrem Sohn Mirko. Aber noch niemand wagt es ihr zu sagen, dass ihr Sohn beim Versuch, sich schützend vor seine Mutter zu stellen, von Shaid Masih erstochen worden war.
Obwohl Shaid Masih bereits in der Vergangenheit wegen häuslicher Gewalt festgenommen worden war und obwohl es ihm der Richter verboten hatte, sich seinem Opfer zu nähern, drang der 29-jährige, ursprünglich aus Pakistan stammende Mann in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai in die Wohnung der 51-jährigen Paola Piras ein. Einer Rekonstruktion der Ermittler zufolge zog Shaid Masih nach einem kurzen Wortwechsel ein Messer und stach damit auf die 51-Jährige ein. Ihr 19-jähriger Sohn Mirko, der sich zum Zeitpunkt der Tat ebenfalls in der Wohnung befand, ging dazwischen und versuchte sich schützend vor seine Mutter zu stellen. Dabei trafen ihn aber mehrere tödliche Messerstiche.
Für Mirko Farci kam jede Hilfe zu spät. Dem alarmierten Notarztteam blieb nur mehr die traurige Aufgabe, den Tod des 19-Jährigen festzustellen. Seine Mutter hingegen, auf die 18 Mal eingestochen worden war, wurde nach der Erstversorgung mit schwersten Verletzungen in das Krankenhaus von Lanusei gebracht, wo sie nach einer Notoperation in den pharmakologischen Tiefschlaf versetzt wurde. Der flüchtige Shaid Masih hingegen konnte wenige Stunden nach der Tat festgenommen werden. Der 29-Jährige, dem Mord und versuchter Mord zur Last gelegt werden, sitzt derzeit im Gefängnis von Lanusei in Untersuchungshaft.
Nachdem sie 40 Tage lang im Koma gelegen war, erlangte Paola Piras am Wochenende wieder das Bewusstsein. Ihr Weg bis zur Genesung wird noch lang sein, aber sie kann bereits wieder selbstständig atmen. Paola Piras’ einzige Sorge gilt jedoch dem Schicksal ihres Sohnes Mirko. Die 51-Jährige fragt andauernd nach ihrem Sohn. „Wo ist Mirko?”, so Paola Piras immer wieder. Aber niemand wagt ihr es noch zu sagen, dass ihr Sohn beim Versuch, sich zwischen sie und dem Mörder zu stellen, von Shaid Masih erstochen worden war. Ein Team von Psychologen des Krankenhauses Santa Maria della Mercede wird in den nächsten Tagen einen Weg finden müssen, ihr zu sagen, dass Mirko nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Wochen nach der Bluttat steht die beschauliche sardische Kleinstadt Tortolì noch immer unter Schock. Besonders unter den Mitschülern und Lehrern der Hotelfachschule, die Mirko Farci besuchte, ist die Betroffenheit groß. „Du warst ein wunderbarer Schüler. Dies sind keine üblichen Worte, denn sie sind alle wahr. Du hattest ein gutes Herz, warst freundlich und stets hattest du ein Lächeln auf deinem Gesicht“, so seine Lehrerin Luisa Usala, über Mirko Farci. Der Traum des fleißigen jungen Mannes, der heuer zur Maturaprüfung angetreten wäre, war es, Koch zu werden.
„Die Prüfungen in der fünften Klasse A „Gastronomie“ von Mirko Farci, sind abgeschlossen. Er hing sehr an der Schule, an seinen Klassenkameraden und daran, dieses Ziel zu erreichen. Aus diesem Grund beschlossen der Schulleiter und die Kommission unter dem Vorsitz der Professorin Francesca Cellamare, ihm das Diplom zu verleihen und eine Ehrentafel nach ihm zu benennen. Dies soll ein Zeichen der Zuneigung der gesamten Schulgemeinschaft sein, die damit für immer an seinen Opfertod erinnern will. Es soll ein Zeichen der Dankbarkeit und eine symbolische Umarmung der ganzen Gemeinschaft für einen ihrer besten Söhne sein“, so der Direktor der Schule, Nanni Usai.
Die Mutter, die ihren Sohn verloren hat, werden diese Worte und das posthum verliehene Diplom aber kaum trösten können. Es bleibt auch der bittere Beigeschmack, dass es wieder nicht gelungen ist, einen bereits einschlägig bekannten Gewalttäter aufzuhalten. Welche Maßnahmen können helfen, in Zukunft solche schrecklichen Bluttaten zu verhindern, fragen sich immer mehr Italiener.