„Kämpferische Gemeinschaft der zwölf Strahlen“ übernimmt Kosten von 20 Gräbern

Unglaublich: Neonazis bezahlen Friedhofsgebühren für tote Faschisten

Sonntag, 28. April 2019 | 08:12 Uhr

Von: ka

Varese – Die Ankündigung einer Gruppe von Neonazis, für rund zwei Dutzend Gräber gestorbener Faschisten die anfallenden Steuern und Kosten zu übernehmen, ließ weit über die norditalienische Stadt Varese hinaus halb Italien aufhorchen. Bei den Toten handelt es sich meist um hochrangige Kommandanten faschistischer Militärverbände, die zwischen 1943 und 1945 an der Seite der SS und Wehrmacht gegen die Partisanen gekämpft haben. Um eine Auflassung der letzten Ruhestätte ihrer „Märtyrer“ zu verhindern, wollen die Neonazis in die eigene Tasche greifen.

Während die Niederlegung von Blumen am Grab des NS-Verbrechers Michael „Mischa“ Seifert in Südtirol heftige Polemiken auslöste und in der Forderung des Bozner Bürgermeisters Caramaschi, das Grab des NS-Verbrechers unkenntlich zu machen, gipfelte – Südtirol News berichtete – sorgte die Entscheidung einer rechtsextremen Gemeinschaft von Varese italienweit für Entsetzen.

Wie die Onlineausgabe der italienischen Tageszeitung La Repubblica berichtet, will die Do.Ra.(Comunità militante dei dodici raggi, kämpferische Gemeinschaft der zwölf Strahlen, Anmerkung der Redaktion) für rund zwei Dutzend Gräber gestorbener Faschisten die anfallenden Steuern und Friedhofsgebühren übernehmen. Do.Ra., bei der es sich um eine Organisation handelt, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennt, ist für die italienische Justiz keine Unbekannte. Vonseiten der Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio wurde gegen Do.Ra. ein Verfahren wegen versuchter Neugründung der faschistischen Partei eröffnet. Während einer im Dezember des Jahres 2017 stattgefundenen Durchsuchung des mittlerweile beschlagnahmten Hauptsitzes der Organisationen stellten die Beamten der Digos und der Antiterrorismusbehörde Beile, Messer und Hakenkreuzfahnen sicher.

Während ganz Italien am 25. April den Tag der Befreiung vom Faschismus und Nationalsozialismus feierte, begaben sich die Neonazis von Varese zu drei Friedhöfen der Umgebung, wo sie den rund 240 dort begrabenen Faschisten gedachten, bei denen es sich laut deren Sicht der Geschichte des 19. Jahrhunderts um „Märtyrer ihrer Sache“ handelt. Bei jenen „Ehrerbietungen“, bei denen auch der römische Gruß gezeigt wurde, wurde den hochrangigen Toten wie Granden der Partei Mussolinis sowie Kommandanten faschistischer Militärverbände besonders feierlich gedacht. Zudem wurde an diesem Tag auch Grabpflege, wie die Reparatur beschädigter Steine und die Reinigung von Inschriften, betrieben.

Comunità militante dei dodici raggi

Das andere wichtige Datum der Do.Ra. ist der 20. April, der Geburtstag Adolf Hitlers, an dem regelmäßig ein Konzert mit in der Szene einschlägig bekannten Rockgruppen stattfindet. Es war aber der symbolträchtige 25. April an dem Do.Ra. provokativ ankündigte, für rund 20 Gräber „faschistischer Märtyrer“ alle Kosten zu übernehmen. Grund für die „Großzügigkeit“ ist die Tatsache, dass diese Toten, die in rund zwei Dutzend Gräbern liegen, keine Erben und Nachkommen mehr besitzen, die die anfallenden Kosten übernehmen könnten. Um eine Auflassung der letzten Ruhestätten ihrer „Märtyrer“ zu verhindern, wollen die Neonazis nun selbst in die Tasche greifen. Die rechtliche Lage ist nicht eindeutig, aber die Nazis von Varese sind bereit, sich um alle bürokratischen Erfordernisse zu kümmern und die Friedhofsgebühren zu begleichen.

In der Zwischenzeit wurde vonseiten der Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio für 52 Mitglieder von Do.Ra. die Eröffnung des Hauptverfahrens beantragt. Zu der Anschuldigung, eine Neugründung der faschistischen Partei versucht zu haben, kamen noch weitere Vorwürfe wie Bedrohung und Einschüchterung – deren Opfer auch der Autor des La Repubblica-Artikels, Paolo Berizzi, wurde – hinzu. Paolo Berizzi, der zum Thema viele Artikel und mehrere Bücher, wie das Buch NazItalia, veröffentlicht hat, gilt als ausgewiesener Kenner der italienischen rechtsextremen Szene.

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