Von: ka
Rom – Die Nutzung günstiger DNA-Tests, die es jedem ermöglichen, für wenig Geld mehr über sich selbst zu erfahren, war lange Zeit eine Modeerscheinung. Neugierige Menschen nutzten sie, um mehr über ihre Familiengeschichte zu erfahren.
In den USA haben sie jedoch bereits zu Rechtsstreitigkeiten geführt und ahnungslosen Menschen, die eigentlich nur ihre Herkunft erforschen wollten, zu einem unverhofften Erbe verholfen. In Italien gelten zwar andere Gesetze als in den Vereinigten Staaten, doch auch hier beginnen DNA-Tests, als unumstößlich geltende Testamente zu kippen. So kommt es, dass plötzlich völlig Fremde beim Notar auftauchen und Ansprüche auf das Vermögen des Verstorbenen geltend machen.

Bis gestern reichte der Nachname, um sich als Teil einer Familie zu fühlen. Heutzutage könnte jedoch bereits ein Speichelabstrich genügen. Ein solcher Abstrich zusammen mit dem Erwerb eines günstigen DNA-Testverfahrens, wie sie zahlreich im Internet beworben werden, soll unsere Herkunft enthüllen. Dabei werden jedoch immer öfter auch unbekannte Verwandte, Familiengeheimnisse, die teilweise mit ins Grab genommen wurden, und in manchen Fällen sogar Erbansprüche aufgedeckt.
Von Amerika bis Italien hat der Boom der zwischen 70 und 250 Euro teuren DNA-Testkits die Schwelle der bloßen Neugier überschritten. Der Wunsch, durch die genetische Herkunft mehr über sich selbst zu erfahren, hat die DNA-Testkits und die damit zusammenhängenden Ergebnisse mittlerweile in den Rechtsbereich vordringen lassen. Die Folgen sind angefochtene Testamente, neu zu schreibende Stammbäume, emotional tief geteilte und zerstrittene Familien sowie Vermögen, die plötzlich nicht mehr „Familienvermögen” sind, sondern zum Teil völlig Fremden gehören. Denn heute findet man nicht nur heraus, wer man ist und woher man kommt, sondern auch, was man beanspruchen könnte.

Das ist kein schlechter Scherz, denn in den Vereinigten Staaten steigt die Anzahl neu ausgefochtener Erbschafts-, Unterhalts- und Besitzanspruchsverfahren stark an, was bedeutet, dass es immer mehr Verfahren gibt, in denen es um die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen auf Erbschaften, Unterhalt oder Besitz geht. Wie das „Wall Street Journal” berichtet, sind dank DNA-Kits wie dem des kalifornischen Unternehmens 23andMe Dutzende von Geschichten über „Überraschungserben” aufgetaucht. Das Kit kostet etwa 176 Dollar und kann Millionen genetischer Profile in wenigen Sekunden abgleichen. Doch hinter einer scheinbar glücklichen Familienentdeckung verbirgt sich oft ein langer Rechtsstreit um ein Vermögen in Millionenhöhe.

Ein symbolträchtiger Fall ist der von Carmen Thomas, die ohne Vater in Boston aufwuchs. Als junge Frau beschloss sie, sich einem Gentest zu unterziehen. Das Ergebnis führte sie zu dem Nachnamen Brown und schließlich zu zwei mutmaßlichen Halbschwestern. Es folgte eine Annäherung mit Abendessen, Familienfotos und wiedergewonnenen Erinnerungen. Doch die glückliche Familienzusammenführung währte nicht lange: Ein Jahr später reichte Carmen eine Zivilklage ein, um einen Teil der medizinischen Entschädigung zu erhalten, die der Familie Brown nach dem Tod ihres leiblichen Vaters aufgrund eines Behandlungsfehlers zugesprochen worden war.

Auch sie, so argumentierte sie, sei eine Tochter. In den Vereinigten Staaten variieren die Gesetze jedoch von Bundesstaat zu Bundesstaat. In einigen Fällen reicht ein genetischer Nachweis aus, um einen Erbanspruch geltend zu machen. In anderen Fällen zählen die emotionale Bindung zum Verstorbenen oder der Zeitpunkt der Antragstellung. Das Ergebnis ist, dass die DNA nicht nur eine Identität und eine Herkunft offenbart, sondern auch einen Schlüssel zu „verwandtschaftlichem Vermögen” wie Bankkonten, Immobilien und Investmentfonds darstellt.

Und wie ist die Lage in Italien? Laut Gianluca Sposato, Rechtsanwalt und Vermögensrechtler mit Spezialisierung auf Erbrecht und Vaterschaftsfeststellung, reicht es in der italienischen Rechtsordnung nicht aus, zu erfahren, dass man ein leibliches Kind ist, um automatisch erbberechtigt zu sein. „In Italien gilt ein Kind nur dann als leibliches Kind, wenn es als solches rechtlich anerkannt ist. Es bedarf eines gerichtlichen Urteils zur Vaterschaftsfeststellung, das, sobald es rechtskräftig ist, in das Standesamtsregister eingetragen werden muss“, betont Sposato gegenüber der römischen Tageszeitung Il Messaggero.

Die DNA ist also kein Freifahrtschein für das Erbe. „Kommerzielle Tests wie der von 23andMe haben in unserem Land keine rechtliche Gültigkeit und können vor Gericht nicht verwendet werden. Eine Anerkennung ist ausschließlich durch eine Zivilklage möglich“, fügt der Rechtsanwalt und Vermögensrechtler hinzu.
„Ein seriöser DNA-Test, der rechtlich gültig ist, wird nur in einem zertifizierten forensischen Genetiklabor durchgeführt und kostet zwischen 300 und 500 Euro. Die Zuverlässigkeit liegt bei über 99,99 Prozent. Aber wie gesagt: Die wissenschaftlichen Daten allein reichen nicht aus, denn auch sie müssen in eine Entscheidung des Richters umgesetzt werden“, erklärt Sposato.

Fällt das Gericht nach Vorlage des rechtlich gültigen DNA-Tests das entsprechende Urteil, „erlangt das Kind nicht nur Erbrechte, sondern kann auch Unterhaltszahlungen für die Jahre zurückfordern, in denen es nicht anerkannt war“. Im Todesfall kann der Test auch an Blutsverwandten durchgeführt werden. In einigen Fällen ist sogar eine Exhumierung möglich. „Wenn es jedoch keine direkten biologischen Verwandten gibt, ist es extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Abstammung nachzuweisen“, sagt Sposato.

Unterdessen nehmen in italienischen Anwaltskanzleien die Anfragen nach Beratung im Zusammenhang mit durch DNA-Tests online entdeckten Verwandtschaftsverhältnissen zu. „Ich treffe immer häufiger Menschen, die davon überzeugt sind, dass ein Ergebnis aus dem Internet automatisch ausreicht, um Rechte geltend zu machen. Aber ohne die Unterstützung eines forensischen Genetikers kann kein rechtlich wasserdichtes Verfahren eingeleitet werden“, bemerkt der Anwalt. Oft kommt es erst nach der Anerkennung zu familiären Dramen. Währenddessen werden Gentests zu Weihnachten weiterhin als harmlose Gadgets zur Identitätsbestimmung verschenkt. Doch nicht immer verbirgt sich unter dem Geschenkpapier eine glückliche Familiengeschichte, die es zu entdecken gilt. Auch Südtirol, wo jedes Jahr ungeheure Vermögenswerte ver- und geerbt werden, dürfte bald Schauplatz von Familiendramen oder unverhofftem Geldsegen werden.







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