Von: ka
Rom – Nachdem am vergangenen Wochenende in Italien Tausende von Impfgegnern und Kritikern des „Grünen Passes“ auf die Straße gegangen waren, haben Soziologen, Journalisten und Politikwissenschaftler begonnen, die Protestbewegung näher in Augenschein zu nehmen.
Auffallend ist, dass die Teilnehmerzahlen – beispielsweise gingen in einer Millionenstadt wie Rom lediglich zwei- bis dreitausend Menschen auf die Straße – gering blieben und dass sich unter die Demonstranten viele Rechtsextremisten wie die Neofaschisten von CasaPound und Forza Nuova, aber auch andere Trittbrettfahrer mischten.
L'OBBLIGO DEL CERTIFICATO VERDE ACCENDE LE PROTESTE DEI NO-VAX, MANIFESTAZIONI IN TUTTA ITALIA
L'OBBLIGO DEL CERTIFICATO VERDE ACCENDE LE PROTESTE DEI NO-VAX, MANIFESTAZIONI IN TUTTA ITALIA Contro le nuove regole sul Green Pass sono stati in tanti a scendere in piazza in diverse città italiane.Marco Cosenza dal Tg3 delle 19 del 24 luglio 2021
Posted by Tg3 on Saturday, July 24, 2021
Den Experten zufolge stellen diese „No Vax-Demonstranten“ aber nur die Spitze des Eisbergs dar. Vielmehr handelt es sich bei den meisten „Impfskeptikern“ um verängstigte und verwirrte Bürger. Aber zu ihnen gehören auch gleichgültige Menschen, die auf die Pandemie nur mit einem Achselzucken reagieren und so tun, als beträfe sie das ganze Leid und die verheerenden Folgen der Covid-19-Notlage nicht. Beide Gruppen werden unter dem neuen Begriff „Boh vax“ zusammengefasst.
Das italienische Wochenende der Protestkundgebungen gegen die Einführung des „Grünen Passes“ ging trotz der meist geringen Teilnehmerzahlen nicht spurlos vorüber. Aus der bunten Menge der Impfgegner und Corona-Leugner, die T-Shirts trugen, die Ministerpräsident Mario Draghi und Gesundheitsminister Roberto Speranza hinter Gittern zeigen, und die widerliche Transparente in die Höhe hielten, auf denen der Grüne Pass mit dem Ahnenpass des Dritten Reiches verglichen und Nichtgeimpfte mit damaligen Juden gleichgesetzt wurden, stachen besonders in Rom die Neofaschisten von CasaPound und Forza Nuova heraus. Auch andere Trittbrettfahrer wie etwa Anhänger der populistischen „Mistgabelbewegung“, der „Forconi“, sprangen auf die Proteste der Impfgegner, die immer wieder „Freiheit, Freiheit“ skandierten, auf.
Wie der „Corriere della Sera“ aber schreibt, ist es ein großer Fehler die Bewegung der „Impfskeptiker“ auf einige „bunte“ Demonstranten zu reduzieren. Bei den meisten Gegnern des „Grünen Passes“ und der damit verbundenen Impfung handelt es sich einerseits um verängstigte und verwirrte Bürger, die man mit Fug und Recht auch zu den Opfern einer in großen Teilen verfehlten Impfinformationspolitik zählen könnte. Andererseits gehören zu ihnen auch Menschen, die auf die Pandemie nur mit einem Achselzucken und mit Gleichgültigkeit reagieren und so tun, als beträfe sie das ganze Leid und die ganzen Folgen der Covid-19-Notlage nicht. Nach dem italienischen Ausruf „Boh“, das Unwissenheit, Unsicherheit oder Ungläubigkeit, aber auch Geringschätzung und Missbilligung ausdrücken kann, wurden diese Menschen, die einer nicht genau definierbaren „graue Masse“ angehören, im Unterschied zu den harten Impfgegnern und Corona-Leugnern, den „No vax“, „Boh vax“ getauft.,
Ein bekannter römischer Onkologe, Francesco Cognetti, wies bereits vor geraumer Zeit darauf hin, dass es auf den Plätzen neben „skrupellosen und unvernünftigen Menschen“ auch Bürger gibt, „die durch die katastrophale Kommunikation über die Impfstoffe verwirrt und verunsichert sind“. Der angesehene Virologe Fabrizio Pregliasco traf einen dieser verunsicherten Bürger in einem Impfzentrum in der Nähe von Mailand.
„Die Angst in seinen Augen war klar zu erkennen. Als er hörte, dass er den Impfstoff AstraZeneca erhalten würde, gestand er mir seine Bedenken. Und obwohl ich ihn beruhigte und mit ihm ein langes Gespräch führte, ging er schließlich weg”, so der angesehene Experte, der Mitglied des die Regierung beratenden Technisch Wissenschaftlichen Komitees (CTS) ist und an der Universität „Università Statale“ von Mailand lehrt.
Natürlich sind die Impfgegner, die in den sozialen Netzwerken untereinander die wildesten Verschwörungstheorien austauschen, recht zahlreich, aber auch ohne über genaue Daten zu verfügen, sind sich viele Experten sicher, dass es sich bei den meisten „Impfskeptikern“ um verunsicherte, aber teilweise auch um gleichgültige Mitbürger handelt. Nicht wenigen Beobachtern zufolge könnten diese Menschen mit einer geeigneten Informationskampagne, aber auch durch etwas Druck, wie er durch den „Grünen Pass“ erzeugt wird, für die Impfung gewonnen werden.
Die Alternative – eine Impfpflicht, die über das Sanitätspersonal hinausgeht – wünscht sich in Rom eigentlich niemand. Angesichts der letzten Zahlen ist in Regierungskreisen die Hoffnung groß, über den „Grünen Pass“ die Impfkampagne neu beleben zu können.