90.000 „Schwarzkittel“ bevölkern Venetien – VIDEO

Wildschweinplage: „Zerstörte Ernten, Gesundheitsgefährdung und Verkehrsunfälle“

Montag, 17. April 2023 | 08:07 Uhr

Venedig/Padua – Bären und Wölfe sind nicht die einzigen Wildtiere, die Probleme bereiten. Venetien leidet immer stärker unter einer Wildschweinplage. Die geschätzten 90.000 „Schwarzkittel“, die unsere Nachbarregion bevölkern, sorgen nicht nur für massive Schäden in der Landwirtschaft, sondern sind auch für Dutzende von Verkehrsunfällen verantwortlich. Venetien versucht mit einer Erhöhung der Abschussquoten der Wildschweinplage beizukommen, aber die hohe Vermehrungsrate der osteuropäischen Spezies riskiert, auch diese Bemühungen ins Leere laufen zu lassen.

LPA/Landesamt für Jagd und Fischerei

Nach der erschütternden Tragödie, die sich auf dem Monte Peller abspielte und bei der der 26-jährige Bergläufer Andrea Papi sein Leben verlor, beherrscht die Frage, wie dem Bärenproblem Abhilfe geschafft werden kann und ob eine Koexistenz zwischen Bären und dem Menschen überhaupt möglich ist, weit über das Trentino hinaus die Gedanken der Bürger.

Die Bären – und natürlich auch die Wölfe – sind aber nicht die einzigen Wildtierarten, die Sorgen bereiten. In unserer Nachbarregion Venetien ist es das Wildschwein, das das schwierige Gleichgewicht zwischen den Menschen, der Umwelt und den Wildtieren aus dem Gleichgewicht bringt. Besonders auf den Euganeischen Hügeln südwestlich von Padua stellen die „Schwarzkittel“ ein großes Problem dar. Woher die Tiere ursprünglich kamen, ist unklar. Während die einen meinen, dass die Wildschweine von einheimischen Wilderern ausgesetzt worden seien, glauben andere, dass die Tiere nach einer ebenfalls illegalen Wiederansiedlung im Apennin selbstständig von dort nach Venetien eingewandert seien.

APA/APA (dpa)/Lino Mirgeler – Symbolbild

In der Tat handelt es sich bei diesen Wildscheinen eigentlich um eine in Venetien nie heimisch gewesene Art. Die ersten Individuen wurden von den Parkwächtern des Naturparks Euganeische Hügel im Jahr 2007 gesichtet. 16 Jahre später gelten die „Schwarzkittel“, die die Zeit nutzten, um sich stark zu vermehren, in Venetien als Plage. Schätzungen zufolge belaufen sich die Schäden, die die Wildschweine auf den Feldern und in den landwirtschaftlichen Gartenkulturen sowie in den Obstwiesen verursachen, jedes Jahr auf mehr als 400.000 Euro. Zudem sind die Tiere jährlich für Dutzende von Verkehrsunfällen verantwortlich. Allein letztes Jahr sollten mindestens 20 Unfälle auf das Konto der „Schwarzkittel“ gegangen sein. Nach dem Auftreten einiger Fälle von Schweinepest vertreten Experten die Ansicht, dass die hohe Dichte der Population dieser Tiere auch gesundheitliche Risiken birgt.

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„Das Problem rührt daher, dass nicht die autochthone Art – das italienische Wildschwein, das in der frühen Neuzeit in unseren Wäldern lebte – eingeführt wurde, sondern das osteuropäische Wildschwein. Das osteuropäische Wildschwein, das mit dem Hausschwein näher verwandt ist als das mittelitalienische Wildschwein, ist nicht nur fast doppelt so groß, sondern auch viel vermehrungsfreudiger als die ehemalige einheimische Art“, erklärt der Präsident des regionalen Naturparks Parco Colli Euganei, Riccardo Masin.

APA/APA/dpa/Felix Kästle

Während ein erwachsenes Weibchen des italienischen Wildschweins durchschnittlich „nur“ zwei bis drei Junge zur Welt bringt, schafft es eine Bache der osteuropäischen Spezies jedes Jahr acht bis neun Frischlinge zu werfen, wobei die auf den Euganeischen Hügeln herrschenden guten Futterbedingungen dazu führen, die Reproduktionsrate auch bei jungen Bachen zu erhöhen.

„Da die Jagd bis zum Jahr 2017 eingestellt war, lebten die Wildscheine praktisch in einem irdischen Paradies. Mittlerweile ist die Population so groß geworden, dass sie jetzt ein Gesundheitsrisiko darstellt“, fügt Riccardo Masin hinzu. Im vergangenen Jahr traten in Piemont, Latium und Ligurien mehrere Fälle von Schweinepest auf.

APA/APA (Archiv/dpa)/Fredrik von Erichsen

Es waren insbesondere die Gesundheitsrisiken, die das italienische Parlament dazu veranlassten, einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Wildschweinplage zu verabschieden. Die neuen Bestimmungen erlauben es, die Tier auch in geschützten und in städtischen Gebieten zu erlegen. „Es geht nicht darum, wahllos zu jagen, sondern darum, eine wirksame Antwort auf die Plage zu finden“, erklärt der Regionalassessor für Jagd und Raumordnung, Cristiano Corazzari. „Für den Menschen stellt die Schweinepest kein Problem dar, aber sie ist leicht übertragbar. Hier in Venetien würde sie enorme Schäden in der Viehhaltung verursachen und unsere Spitzenprodukte, wie etwa den Rohschinken von Montagnana, gefährden. In diesem Fall wären die wirtschaftlichen Schäden enorm“, so Riccardo Masin.

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Der Regionalverband des italienischen Bauernverbandes Coldiretti beziffert in einem aus dem Jahr 2021 stammenden Dossier die entstandenen Schäden mit einer Million Euro. „Die Wildschweine machen vor nichts mehr Halt. Sie reißen Zäune nieder, durchschwimmen Flüsse und überqueren Straßen und Autobahnen“, so die Bauernvertreter von Coldiretti Veneto, die die Anzahl der „Schwarzkittel“ in der Region auf rund 90.000 Tiere schätzt. Neben den Schäden, die die Tiere in der Landwirtschaft verursachen, sorgt auch die Tatsache, dass die Wildschweine durch ihre Grabtätigkeit die Erde aufreißen und dadurch zur Abtragung der Böden beitragen, für Besorgnis.

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Die Region Venetien versucht der Plage mit einer verstärkten Jagd Herr zu werden. Während allein im Gebiet des Parks im Jahr 2021 2.300 Schweine erlegt wurden, waren es das Jahr darauf bereits 2.800. In Zusammenhang mit der verstärkten Bejagung riefen die Verantwortlichen eine ganze „Verwertungskette“ ins Leben. In Zusammenarbeit mit einem Schlachthof wurde eine zertifizierte kurze Lieferkette mit einer eigenen Qualitätsmarke geschaffen, die für die Güte des Fleisches garantieren soll. Die erlegten Wildschweine werden in der Praxis hauptsächlich zu Wurstwaren verarbeitet. „Wir besitzen seit dem Jahr 2022 ein geprüftes Gütesiegel. Auf diese Weise bringen wir Fleisch auf den Markt, das mit Sicherheit biologisch, zu 100 Prozent gesund und von hoher Qualität ist“, freut sich Riccardo Masin.

Von: ka