Sitzungswoche

Agri-PV: Thema erneut im Südtiroler Landtag

Donnerstag, 08. Juni 2023 | 14:24 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag ist Sitzungswoche. Heute wurde unter anderem ein Beschlussantrag zur Agri-Photovoltaik von Abgeordneten Petr Faistnauer von der Fraktion “Perspektiven für Südtirol” eingebracht.

Darin heißt es:

Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. in Austausch mit der Steiermark und anderen Regionen im Alpenraum zu treten, um mögliche Synergien zu prüfen; 2. einen abteilungsübergreifenden Arbeitstisch unter dem Vorsitz der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz einzurichten, um mit sämtlichen Stakeholdern aus Verwaltung, Forschung und Wissenschaft einen partizipativen Prozess in Bezug auf Windkraft und Agri-PV in Südtirol in Gang zu setzen; 3. bei der Errichtung von Windkrafträdern und Agri-PV-Anlagen die Bürgerbeteiligung vorzusehen, wodurch interessierte Bürger im zu definierenden Einzugsgebiet die Möglichkeit bekommen, sich u.a. im Rahmen von Energiegemeinschaften zu beteiligen.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) bemerkte, es sei dringend notwendig, erneuerbare Energien auszubauen – darin bestehe Konsens. Die EU verfolge ehrgeizige Ziele zur Energiewende. Aktuell sei nicht genügend Energie aus erneuerbaren Quellen vorhanden. Dies zu beheben, gebe es unterschiedliche Lösungsansätze. Österreich etwa erzeuge mit über 1.371 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 3.573 Megawatt, bereits sauberen und umweltfreundlichen Strom für ca. 2,3 Mio. Haushalte, das seien mehr als 50 Prozent aller österreichischen Haushalte. In der Steiermark werde auf Beamtenebene geschaut, wo Potenzialzonen für erneuerbare Energiegewinnung vorhanden seien. Hierfür liefere u.a. der Windatlas, der Teil des Klimaatlas der Steiermark sei, genaue Kenntnisse der Windverhältnisse als wichtige Grundlage für die Auswahl möglicher Eignungsräume zur Windenergienutzung.

Ein neuer Europäischer Windatlas sei bereits 2019 von Wissenschaftlern aus ganz Europa im Forschungsprojekt NEWA fertiggestellt worden. Zudem sei mit dem steirischen Entwicklungsprogramm für den Sachbereich Windenergie ein Instrument zur Abstimmung von Nutzungsansprüchen in den Bereichen Energieversorgung und Wirtschaft einerseits sowie Ökologie, Natur und Landschaftsschutz andererseits gegeben. Für die Standortplanung und -prüfung von PV-Freiflächenanlagen, welche ebenso einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien in der Steiermark darstellten, sei ein Leitfaden mit Prüflisten erarbeitet worden. Während Windräder im Osten Österreichs normal seien, seien diese in Tirol bislang als nicht wirtschaftlich und vor allem nicht ästhetisch abgelehnt worden.

Doch die Rahmenbedingungen hätten sich in den vergangenen zehn Jahren geändert, nun habe der Tiroler Landtag in der Mai-Sitzung 2023 einstimmig die Weiterentwicklung der Tiroler Windkraftpotenzialstudie beschlossen. Dabei sollen u.a. auch Naturverträglichkeit, Nachhaltigkeit oder ob ein Windrad ins Landschaftsbild passt erhoben werden, um festzustellen, in welchen Regionen Tirols Windkraft überhaupt effizient nutzbar sei und einen relevanten Beitrag zur Energiegewinnung leisten könne. Auch die Gemeinde Brenner strebe die Energiewende an; es solle dort die Sinnhaftigkeit verschiedener Energieträger geprüft werden und dann 300.000 Euro in Planung und Umsetzung neuer Energieträger fließen. Denn die Gemeinde habe beste Voraussetzungen: konstante Wasserkraft, konstante Sonneneinstrahlung, aber auch konstanten Wind und somit Windkraft. Dabei werde die Realisierung von Windkrafträdern am Brenner immer wahrscheinlicher. Es brauche alternative Energieformen – vorhandenes Potenzial wolle ausgeschöpft und erschlossen werden. Die Politik sei es der Bevölkerung auch schuldig, den Haushalt zu entlasten.

Könne es sich Südtirol mit den sich verändernden Rahmenbedingungen noch immer leisten, Windenergie gänzlich auszuschließen? Vielmehr wäre es wohl sinnvoll, nach dem Vorbild der Steiermark Fachleute einzusetzen, welche für ganz Südtirol prüfen, ob und wo im Land die Voraussetzungen für erneuerbare Energiegewinnung gegeben seien, dazu einen PV- und Windatlas erarbeiteten, um nach umfassender Evaluierung aller Grundlagen geeignete Standorte zur erneuerbaren Energiegewinnung fachlich beurteilen und definieren zu können. Ein solches Vorgehen würde zu einer positiven Entwicklung und zur nachhaltigen Lösung eventueller Konfliktbereiche beitragen. Zum Erreichen der Klimaziele brauche es mit Sicherheit eine Vielzahl an Lösungen.

Hanspeter Staffler (Grüne) erklärte, dass der vorliegende Beschlussantrag in großen Teilen zu unterstützen sei – auch weil er mit gesamtheitlichem Blick geschrieben sei. Es sei klar, dass die Zukunft in einem intelligenten Energiemix liegen werde, in dem Wind-, Sonnen- und Wasserkraft eine Rolle spielen werden – keine Energieform dürfe tabuisiert werden. Südtirol wäre auch mit dem vorliegenden Energiepotenzial nicht in der Lage, die wegfallenden fossilen Brennstoffe auszugleichen, deshalb gelte es aktiv zu werden. Eine Sache aber gefalle ihm im Beschlussantrag nicht: Im ersten Teil würden bereits Standorte eingebaut, wo es laut dem Einbringer funktionieren solle, dies sei gefährlich und methodisch falsch. Man sollte eher dem Beispiel der Steiermark folgen und einen Windatlas erstellen. Den Rest des Antrages werde man unterstützen.

Er wolle vorausschicken, dass Südtirol sehr gut dastehe, was die Erzeugung erneuerbarer Energie und der damit zusammenhängenden CO2-Einsparungen anbelange, so Paul Köllensperger (Team K). Stromerzeugung biete eine gute Möglichkeit von Zusatzeinnahmen für landwirtschaftliche Betriebe – er würde aber unterscheiden zwischen den beiden angegebenen Energiearten: Die Windräder könnten mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit am Boden einhergehen; doch die Nachteile der Windräder seien das Landschaftliche und die soziale Akzeptanz. Agri-PV sei etwas anderes, doch Solarpanels zwischen den Baumreihen am Boden aufzustellen, halte er für problematisch, die Panels müssten sehr sauber sein, um gut zu produzieren. Etwas anderes wäre es, wenn man diese auf Stelzen als Dach aufstelle – doch es müsse bewusst sein, dass dies teuer und darunter Schatten sei, das gehe mit gewissen Kulturen, möglicherweise mit Erdbeeren, aber mit Obstbäumen eher nicht. Machbar sei vielleicht, dass ermöglicht werde, dass auf fünf oder zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche kompakt PV am Boden errichtet werden könne. Der Ansatz des Antrags sei gut und sinnvoll, doch es gebe gewisse Problematiken, die es zu klären gebe. Deshalb werde er sich bei der Abstimmung enthalten.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte an die gestrige Diskussion zu den schwimmenden PV-Anlagen und erklärte, dass sein Standpunkt zum vorliegenden Antrag ein ähnlicher sei, wie jener zum gestrigen: Man müsse sich Alternativen anschauen, bevor man Photovoltaikanlagen im Land installiere. Er erkundigte sich beim LR, ob beim Wasserkraftwerk in Kardaun eines der Rohre weggenommen worden sei – von ursprünglich sechs, gebe es nur noch fünf – damit würde eine Turbine weniger angetrieben. Gebe es hier beispielsweise auch Möglichkeiten der Potenzierung?

Es habe ihm gut gefallen, so Josef Unterholzner (Enzian), wie der Kollege Staffler gesagt habe, die Zukunft liege in einem vernünftigen Energiemix – das sehe er auch so. Es stellten sich aber auch Fragen wie, was mit dem Elektrosmog sei, was dieser für Auswirkungen auf die Menschen habe. Wenn man die Natur und die Gegend in Südtirol schützen wolle, dann solle man nicht alles mit Agri-PV zupflastern. Es gebe Alternativen, etwa im Bereich Wasserkraft die sogenannten Flachstomanlagen. Man habe das Glück, viel Wasser im Land zu haben.

Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) sagte, man habe bereits öfter über Photovoltaik und Agri-PV gesprochen – es gebe diesbezüglich auch Beispiele, die bereits in Betrieb seien, auch im normalen Obstbau. Die Technik nehme gerade erst Fahrt auf, es gebe auch Südtiroler im Vinschgau, die beim Ausbau der Technik sehr aktiv seien. Ziel müsse sein, landwirtschaftliche Betriebe energieautark zu machen und zudem Strom für andere zu erzeugen und damit einen kleinen Nebenerwerb zu haben. Es solle aber keine Stromproduktion im großen Stil sein. Es dürfe aber keinen Missbrauch geben, dass etwa landwirtschaftlicher Grund zur Energieerzeugung gekauft werde, wie es in Italien bereits vorgekommen sei. Man könne es sich nicht mehr leisten, aus landschaftlichen Gründen auf bestimmte Energiearten zu verzichten.
LR Giuliano Vettorato erklärte, man habe sich in der Landesregierung mit der Argi-PV beschäftigt – dabei habe der Landschaftsschutz im Vordergrund gestanden. Warum habe man verboten, PV auch am Boden anzubringen? Die Lebensmittelsicherheit habe geschützt und gewahrt werden sollen. Es habe aber Veränderungen gegeben, man wolle den Betrieben helfen, ihre Energiekosten zu reduzieren. Die Windkraft sei in Südtirol indes nicht verboten, man dürfe kleine Windräder aufstellen. Man müsse weiter darüber nachdenken, ob es besser sei, nur kleine Anlagen zuzulassen oder auch größere, die mehr Energie erzeugen könnten. Es sei wichtig, auch Kontakt mit Nachbarländern zu halten und sich auszutauschen. Mit den ersten beiden Punkten des Antrags sei er einverstanden und das darin Geforderte werde auch bereits getan, beim dritten Punkt habe er Schwierigkeiten: Es sei verboten PV-Anlagen am Boden zu errichten, man prüfe aber, ob man es in bestimmten Gebieten ermöglichen solle. Zur Frage des Abg. Knoll müsse er erst Erkundigungen einholen.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) erklärte, er wolle beantragen, dass die Abstimmung getrennt nach Punkten und namentlich durchgeführt werde und bei Punkt 3 nach PV-Anlagen “u.a.” einfügen. An den Abg. Staffler gerichtet erklärte Faistnauer, dass die im Antrag erwähnten Standorte als Beispiele dienen sollten und nicht als verpflichtende Standorte gelten. Was die Anbringung der Paneele über landwirtschaftlichen Flächen anbelange, habe er möglichst offen formuliert. Der LR habe gesagt, dass das in den Punkten 1 und 2 geforderte bereits gemacht werde; der Abgeordnete bat um Präzisierungen.

Hanspeter Staffler (Grüne) fragte, ob der Einbringer den Absatz zum Sattelberg in den Prämissen des Antrags streichen könne, dann könnten die Grünen auch den Prämissen zustimmen.

Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) war damit einverstanden.

Die Prämissen sowie die Punkte 1, 2 und 3 des Beschlussantrags Nr. 713/23 wurden jeweils mehrheitlich abgelehnt.

 

Von: luk

Bezirk: Bozen