Anträge von Süd-Tiroler Freiheit und Team Autonomie

Beipackzettel, Erdbebenhilfe und Zweisprachigkeit

Mittwoch, 08. Februar 2017 | 16:41 Uhr

Bozen – Im Landtag wurden heute Anträge von Süd-Tiroler Freiheit und Team Autonomie behandelt.

Beschlussantrag Nr. 724/16: Medikamenten-Beipackzettel online und als APP (eingebracht von den Abg. Knoll, Atz Tammerle und Zimmerhofer am 28.12.2016). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. sich dafür einzusetzen, dass, in Zusammenarbeit mit der Südtiroler Apothekenkammer und, falls notwendig, ebenso mit den Medikamentenherstellern, innerhalb von sechs Monaten eine Internetseite eingerichtet wird, auf der alle Medikamenten-Beipackzettel abgerufen und ausgedruckt werden können; 2. sich zusätzlich dafür einzusetzen, dass innerhalb von sechs Monaten für Smartphones eine App eingerichtet wird, mit der die Medikamenten Beipackzettel abgerufen werden können.

“Gemäß Artikel 36 des D.P.R. vom 15. Juli 1988, Nr. 574 müssen die Etiketten und die Beipackzettel von Medikamenten, die in Süd-Tirol verkauft werden, in beiden Landessprachen verfasst sein”, bemerkte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). “Doch mit der Umsetzung dieser gesetzlichen Bestimmung hapert es. De facto sind nämlich erstens die Zettel nicht beigepackt, sondern sie werden erst auf Verlangen des Kunden in der Apotheke eigens ausgedruckt. Zweitens gibt es für manche Medikamente dennoch keine Ausdrucke in deutscher Sprache. Eine Verbesserung der Situation könnte jedoch dahingehend erzielt werden, dass alle Medikamenten-Beipackzettel auch online über eine eigene Internetseite bereitgestellt werden sowie zusätzlich über eine App für Smartphones abrufbar sind. Als Grundlage für beide Optionen sollte die bereits bestehende Datenbank für Medikamentenbeipackzettel dienen, so wie sie jetzt schon den Apothekern zur Verfügung steht.” Knoll wies auch darauf hin, dass noch vor einigen Jahren die deutschen Beipackzettel im Internet abrufbar waren. Auf den Färöer-Inseln, in Quebec oder in Belgien seien zweisprachige Beipackzettel möglich, anscheinend aber nicht in Südtirol. Zweisprachige Beipackzettel, die online abrufbar wären, wären auch für deutsche Touristen in Italien nützlich.

Die Pharmakonzerne würden dies wahrscheinlich unterlassen, weil sie es ohne Konsequenzen könnten, mutmaßte Andreas Pöder (BürgerUnion). Die Online-Zettel würden aber nicht alles lösen, vor allem nicht bei Senioren ohne Interneterfahrung. Man müsste auch sichergehen können, dass man genau den richtigen Beipackzettel findet, daher sollte die App auch Strichcode lesen können.

Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore) unterstützte den Antrag vorbehaltlos. Der Zugang zu wichtigen Informationen über Medikamente sei ein Recht aller. Die Kosten sollten aber den Konzernen angelastet werden, nicht den Bürgern oder dem Sanitätsbetrieb.

Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete den derzeitigen Zustand als unhaltbar und kündigte volle Unterstützung an. Für viele Senioren bleibe das Problem aber trotz App bestehen.

Diese Bedenken teilte auch Pius Leitner (Freiheitliche). Die Schweiz habe viersprachige Beipackzettel, man könnte diese verwenden.

LR Martha Stocker erinnerte an Silvius Magnago, der die Wichtigkeit der zweisprachigen Beipackzettel immer betont habe. Die Lösung, die der Antrag vorschlage, klinge einfach, aber die Situation sei komplex. Die Landesregierung sei schon lange um eine Lösung bemüht, seit 2014 auch um die Online-Verfügbarkeit. Es fehlten aber noch einige Schritte zum Erfolg. Stocker bat, den Antrag entsprechend umzuformulieren.

Sven Knoll sprach sich gegen diesen Änderungsvorschlag aus, man prüfe schon seit 30 Jahren eine Lösung. Er lasse sich mit “prüfen” nicht mehr vertrösten. Die Apps gebe es bereits, es fehle nur der deutsche Text. Dass sich die Landesregierung “weiterhin” dafür einsetzen solle, könne er akzeptieren.

Anschließend einigten sich Stocker und Knoll auf eine neue Formulierung: Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. sich dafür einzusetzen, dass, in Zusammenarbeit mit der Südtiroler Apothekenkammer bzw. der Arzneimittelagentur und mit den Medikamentenherstellern eine Internetseite eingerichtet wird, auf der alle Medikamenten-Beipackzettel in deutscher Sprache ausgedruckt werden können; 2. sich dafür einzusetzen, dass für Smartphones eine App eingerichtet wird, mit der die Medikamenten-Beipackzettel – durch Einscannen des Barcodes – in deutscher Sprache abgerufen werden können.

Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

 

Beschlussantrag Nr. 729/17: Erdbeben: Südtirol sollte sich von seiner besten Seite zeigen (eingebracht vom Abg. Artioli am 20.1.2017). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, als Solidaritätsakt und als Zeichen der Zugehörigkeit zum italienischen Staat eine symbolische Summe von 10.000.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld sollte entweder direkt für Wiederaufbauprojekte bereitgestellt oder zur Errichtung von Tragstrukturen und Schalungen aus heimischem Holz für den Wiederaufbau von beschädigten Denkmälern bzw. für den Bau erdbebensicherer Gebäude verwendet werden. Und dies “angesichts der jüngsten Naturkatastrophen und der damit verbundenen dramatischen Ereignisse, insbesondere der Erdbeben, die verschiedene Regionen in Mittelitalien erschüttert und für die Bevölkerung verheerende Folgen nach sich gezogen haben, und angesichts der vergangenen Polemiken rund um unser Land, das als privilegierte und als gegen- über dem restlichen Italien feindselige Provinz dargestellt wurde”, wie Elena Artioli (Team Autonomie) ausführte.

Pius Leitner (F) kritisierte den Bezug auf die Staatszugehörigkeit zu Italien. Die Solidarität mit den Betroffenen stehe dennoch außer Zweifel.
Bernhard Zimmerhofer (STF) betonte, dass Südtirol dem Staat gegenüber bereits seinen Beitrag geleistet habe, und kritisierte daher ebenfalls die Bezugnahme auf die Staatszugehörigkeit. Er kritisierte auch, dass das Militär nach Südtirol zum Urlaub komme, während Südtirols Freiwillige unten ausgeholfen hätten.

LH Arno Kompatscher stellte eine Einhelligkeit darüber fest, dass man in dieser Situation helfen müsse. Er erinnerte an den Südtiroler Beitrag zur Hilfe im Erdbebengebiet. Das Land sei bereit für weitere konkrete Hilfe. Region, Europaregion und die beiden Provinzen würden Mittel zur Verfügung stellen, um ein gemeinsames konkretes Projekt umzusetzen, in diesen Fall ein Studentenheim in Camerino. Diese Stadt, die fast vollständig zerstört sei, lebe auch von den Studenten an ihrer Universität. Die Gesamtkosten würden 7 Mio. Euro betragen, das Studentenheim würde in erdbebensicherer Holzbauweise errichtet. Es solle im Herbst bezugsfertig sein.
Elena Artioli zog ihren Antrag zurück, das geschilderte Projekt entspreche dem, was sie im Auge hatte.

 

Beschlussantrag Nr. 725/16: Einsetzung eines Beauftragten für die Zweisprachigkeit bei öffentlichen Körperschaften und Konzessionsunternehmen (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle, Knoll und Zimmerhofer am 28.12.2016): Die Südtiroler Landesregierung wird beauftragt, sich dafür einzusetzen, dass jede öffentliche Körperschaft in Südtirol sowie jedes Konzessionsunternehmen, das zur Zweisprachigkeit verpflichtet ist, einen Beauftragten für die Zweisprachigkeit einsetzt, der, erstens, im Bedarfsfall den Bürgern bzw. Kunden, aber auch dem Regierungskommissariat sowie dem Land Südtirol, als zuständiger Ansprechpartner zur Verfügung steht und, zweitens, dafür zuständig ist, dass die Zweisprachigkeitspflicht seines Betriebes in der Kommunikation nach außen eingehalten wird (Zweisprachigkeit aller Formulare, der Internetseite, des Telefondienstes, der Korrespondenz mit Bürgern bzw. Kunden, der Aufträge an Subunternehmen) und etwaige diesbezügliche Mängel umgehend zu beheben.
“In der Realität kommt es immer wieder vor, dass staatliche bzw. staatsnahe öffentliche Körperschaften sowie Konzessionsunternehmen sowohl in der schriftlichen als auch mündlichen Kommunikation mit den Bürgern bzw. Kunden sich ausschließlich der italienischen Sprache bedienen und somit die gesetzliche Verpflichtung zur Zweisprachigkeit missachten”, beanstandete Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit). “Dabei ist das Recht der Süd-Tiroler auf Gebrauch der Muttersprache einer der Grundpfeiler der Autonomie. Selbst nachdrückliche Forderungen der Bürger bzw. Kunden, in ihrer deutschen Muttersprache (von der ladinischen ganz zu schweigen) bedient zu werden, bleiben meist erfolglos. Der Grund dafür ist, dass die Betriebe über keine Mitarbeiter verfügen, die der deutschen Sprache mächtig sind oder bei Bedarf speziell für die deutschsprachigen Bürger bzw. Kunden zuständig sind.” Der Zweisprachigkeitsbeauftragte solle im jeweiligen Betrieb dafür sorgen, dass die Sprachbestimmungen eingehalten würden, z.B. bei Formularen und Auskünften. Es gebe bereits Beauftragte für Sicherheit, Datenschutz usw., aber nicht für Zweisprachigkeit. Man müsste dafür niemanden zusätzlich einstellen, sondern einen Mitarbeiter beauftragen.

Andreas Pöder (BU) fragte, wie der Arbeitsablauf eines solchen Beauftragten bestehe, welche Befugnisse er habe, wem er berichte. Wenn das geklärt sei, könne er dem Vorschlag durchaus zustimmen.

Bernhard Zimmerhofer (STF) erinnerte an die Vielzahl an Anträgen seiner Fraktion zu diesem Thema. Die vielen Beanstandungen seien aber nur die Spitze des Eisbergs.
Walter Blaas (F) bezeichnete den Antrag als gut gemeint. In der Praxis würden die Dinge aber anders ablaufen. Ein Sicherheitsbeauftragter habe z.B. wenige Kompetenzen. Daher frage er sich auch, was ein Zweisprachigkeitsbeauftragter erreichen könne. Auch bei Landesbetrieben wie Alperia seien Personen beschäftigt, die nicht zweisprachig seien. Das Problem liege tiefer.

Das Problem seien nicht böse Beamte, sondern dass sich im Betrieb niemand zuständig für die Einhaltung der Sprachbestimmungen fühle, meinte Sven Knoll (STF). Auch für Beschwerden finde man keinen Zuständigen.

Alessandro Urzì (AAnc) meinte, der Verantwortliche eines jeden Betriebes sei leicht auszumachen. Wenn er beim Inps etwas zu beanstanden habe, wende er sich an den Inps-Direktor, der dafür verantwortlich sei, dass in seinem Betrieb alles nach Vorschrift ablaufe.

Pius Leitner (F) wies darauf hin, dass man beim Enel keinen deutschen Vertrag bekomme, und auch darauf, dass es beim Land eine Beschwerdestelle für Missachtung der Zweisprachigkeitspflicht gebe.

Auf den ersten Blick sei der Vorschlag ein guter Ansatz, meinte LH Arno Kompatscher. Er warnte aber davor, für Südtirol den Zweisprachigkeitsnotstand auszurufen, im Großen und Ganzen würden die Dinge funktionieren. Mit dem Internet sei allerdings ein neues Problem dazu gekommen, nämlich die mangelnden deutschen Formulare. Meist werde der Internetauftritt der Staatsdienste von Rom aus verwaltet. Die Landesregierung wolle nun allen in Südtirol tätigen staatlichen Dienststellen anbieten, die zweisprachigen Formulare zu gewährleisten, natürlich gegen Bezahlung, denn die Pflicht liege ja beim Staat. Der Antrag sei genau besehen kontraproduktiv, denn jeder Betrieb habe in seinem gesetzlichen Vertreter bereits einen Verantwortlichen, und diese Verantwortung sollte nicht auf eine untere Ebene abgewälzt werden. Das Land gehe jeder Missachtung der Bestimmungen, die über die Beschwerdestelle gemeldet werde, nach, einige Fortschritte konnten in letzter Zeit auch erzielt werden. Die Landesregierung strebe auch die die Übertragung der diesbezüglichen Zuständigkeit vom Regierungskommissariat an das Land an, dies würde am meisten bringen.
Ihr Vorschlag sehe die Beauftragung eines Betriebsmitarbeiters vor, der sich mit diesem Thema auskenne, erklärte Myriam Atz Tammerle. Es sei ein Beitrag zur Lösung, denn schlimmer könne es nicht mehr werden. Die Vorschläge des Landeshauptmanns seien gut, würden aber nicht das Problem des Bürgers am Schalter lösen. Das Regierungskommissariat leugne auf Anfrage, dass es Beanstandungen gebe, auch nachdem STF-Mitglieder selber Beanstandungen vorgebracht hätten.

Der Antrag wurde mit elf Ja, 15 Nein bei vier Enthaltungen abgelehnt.

Von: luk

Bezirk: Bozen