Von: apa
Mit parteiübergreifenden Bekenntnissen zur Neutralität ist am Donnerstag die Unterzeichnung des Staatsvertrags vor 70 Jahren gefeiert worden. Nicht nur Kanzler Christian Stocker (ÖVP) bezeichnete die Neutralität bei einem Festakt vor dem Belvedere als unverzichtbaren Teil des österreichischen Selbstverständnisses. Bereits zuvor hatten im Parlament alle drei Vertreter des Nationalratpräsidiums im Staatsvertrag darin einen Auftrag gesehen, der mit Leben erfüllt werden müsse.
Der vor 70 Jahren vom damaligen Außenminister Leopold Figl im Schloss Belvedere in Wien gesprochene Satz “Österreich ist frei” sei “mehr als ein historischer Satz”, betonte Stocker beim Festakt der Bundesregierung am historischen Ort der Unterzeichnung des Staatsvertrags. “Sie sind ein Vermächtnis.” An diesem Tag – dem 15. Mai 1955 – habe Österreich seine lang ersehnte Freiheit, Unabhängigkeit und staatliche Souveränität wiedererlangt. “An diesem Tag wurde Österreich wieder eine souveräne Republik”, so der Kanzler.
Das aufeinander Zugehen und das Überwinden von Gräben habe Österreich zu dem gemacht, was es heute ist, so Stocker weiter: “Eine lebendige, stabile und widerstandsfähige Republik. Und eines der schönsten, wohlhabendsten und sichersten Länder dieser Erde.” Ein “unverzichtbarer Teil unseres Selbstverständnisses” sei dabei die Neutralität, die nie eine “Gesinnungsneutralität” gewesen sei. Freiheit müsse immer wieder neu errungen werden, erinnerte der Kanzler. Gerade in Zeiten, wo autoritäre Systeme und Diktaturen erstarkten.
Regierungsmitglieder betonen “Auftrag”
Vor Stocker hatten auch weitere Mitglieder der Regierung das historische Jubiläum gewürdigt. So sah auch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) im Staatsvertrag nicht nur ein historisches Dokument, sondern einen Auftrag, die Demokratie zu schützen und auszubauen. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) betonte ebenso den Auftrag, weiterhin “wachsam” zu sein. Die Verteidigung der Werte sei nicht nur die Angelegenheit des Bundesheers, betonte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) – “das ist unser aller Auftrag”.
Als Redner zurück hielt sich an diesem Tag Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der allerdings bei der Feier im Parlament zugegen war. “Nur gemeinsames Handeln und gegenseitiger Respekt halten Demokratie und Freiheit am Leben”, schrieb er allerdings in den Sozialen Netzwerken. Auch der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, meldete sich via “Kathpress” zu Wort. Er rief dazu auf, auch heute zu beten “für ein friedliches und freies Österreich in einer Welt, die die Sinnlosigkeit des Krieges und der Unterdrückung erkennen möge”.
Bekenntnisse im Parlament
Bekenntnisse waren auch am Vormittag im Parlament zu hören. Nationalratspräsident Rosenkranz bezeichnete den Staatsvertrag als “weltliche Reliquie der jüngeren österreichischen Geschichte”. Schon vor dessen Unterzeichnung hatten alle Parteien die Neutralität angestrebt. “Ich verneige mich heute mit großem Respekt vor der Leistung und dem diplomatischen Geschick der großen Staatsmänner dieser Jahre”, so Rosenkranz. Deren Vermächtnis sei eine Aufforderung, den Staatsvertrag auch heute noch mit Leben zu erfüllen – etwa durch die Umsetzung des Artikels 7, der auch zweisprachige Ortstafeln für die Volksgruppen vorsieht.
Auch der Zweite Nationalratspräsident, Peter Haubner (ÖVP), verneigte “das Haupt in respektvollem Gedenken” an die handelnden Personen vor 70 Jahren. “Zugleich heben wir es mit Stolz als freie Bürger eines souveränen, demokratischen Österreichs”, betonte er in seiner Rede. Die Geschichte des Staatsvertrages verdeutliche, “wie wichtig der parlamentarische Weg für unsere Freiheit war”, resümierte der Zweite Nationalratspräsident und auch er betonte: “Dieser Staatsvertrag ist nicht nur ein juristisches Dokument, er ist ein lebendiger Auftrag.” Die Neutralität müsse sich “Tag für Tag neu bewähren”, Freiheit, Demokratie und Neutralität seien nicht selbstverständlich.
“Zeitweise gering geschätzt”
Der Staatsvertrag “sollte auch in Zukunft Auftrag und Verpflichtung sein”, meinte auch die Dritte Nationalratspräsidentin, Doris Bures (SPÖ). Österreich sei dadurch zur Drehscheibe für sichtbare Friedenspolitik geworden. “Es wäre an der Zeit, genau diese Tradition wieder aufleben zu lassen”, schloss sich Bures den Worten ihrer Vorredner an. Die Neutralität habe dem Land seit 70 Jahren Frieden und Sicherheit beschert, auch wenn diese “zeitweise gering geschätzt” werde. “Die österreichische Neutralität stand niemals im Widerspruch zur internationalen Solidarität”, betonte Bures.
Ihre Erfahrungen aus der Nachkriegszeit teilten beim Festakt im Parlament auch der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) sowie der einstige Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP). Danach diskutierten die Klubchefs der Parteien über die Bedeutung des Staatsvertrags. Die Absenz von FPÖ-Obmann Herbert Kickl verteidigte Norbert Nemeth damit, dass man ein “arbeitsteiliger Klub” sei. Dass dies bei einem Festakt überhaupt Thema sei, kritisierte danach der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung.
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