Von: mk
Bozen – Der Europatag wird alljährlich am 9. Mai für Frieden und Einheit in Europa begangen. Er markiert den Jahrestag der sogenannten Schuman-Erklärung, in der Robert Schuman seine Idee für eine neue Form der politischen Zusammenarbeit in Europa vorstellte, die einen Krieg zwischen den Nationen Europas undenkbar machen sollte. Robert Schumans Vorschlag gilt als Geburtsstunde dessen, was heute als Europäische Union bekannt ist.
Der Südtiroler Landtag beteiligt sich alljährlich an den Feierlichkeiten mit einer Veranstaltung, um das Bewusstsein für den Wert einer europäischen Zugehörigkeit zu schärfen – dies in Verbindung mit der Prämierung eines Wettbewerbs, der sich an der demokratischen Beteiligung orientiert, in diesem Jahr der Kurzfilmwettbewerb „Politik: Wir sind dabei!“. für Ober-, Fachober- und Berufsschülerinnen und -schüler.
Zu Beginn des Festakts begrüßte Präsidentin Rita Mattei die Anwesenden, darunter die Mitglieder des “Showchoir Vocalists Le Pleiadi” mit seiner Präsidentin Tamara Paternoster, der die Veranstaltung musikalisch umrahmten.
Mattei wies darauf hin, dass der Sinn der heutigen Veranstaltung derselbe sei, wie jener beim Zusammentreffen österreichischer und italienischer Regierungsvertreter vor einigen Tagen in Rom: die Einigkeit und das Gespräch. „Dies zwischen zwei Völkern, die im Ersten und im Zweite Weltkrieg Grabenkämpfe gegeneinander geführt haben. Während es Politiker gab, die spalteten und hassten und ihre Länder in den Krieg führten, schlugen andere, nachdem sie an die Macht gekommen waren, einen anderen Weg ein: den der gemeinschaftlichen Union, die auf dem Dialog und der gegenseitigen Achtung der Interessen aufbaut. Letzteren ist es zu verdanken, dass wir heute in einem mehrsprachigen Europa leben”, sagte Mattei. Wenn auch Entscheidungen auf EU-Ebene nicht immer von allen Mitgliedstaaten geteilt würden, so blieben die Debatten doch stets politisch und niemals aggressiv gegenüber den anderen. „Wir erinnern uns heute auch an unsere Autonomie, denn die Autonomie und Europa sind eng miteinander verbunden”, so Mattei weiter. „Ohne die Autonomie wäre die ganz besondere Entwicklung unseres mehrsprachigen Landes nicht möglich gewesen.” Das Miteinander der drei Sprachgruppen werde immer dann als Beispiel herangezogen, wenn es irgendwo einen ethnisch-territorialen Konflikt mit Minderheiten gebe. „Wir sind ein gutes Beispiel in Europa. Ein Europa, das heute in jedoch einen Konflikt verwickelt ist, der sich nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Länder an den Grenzen Europas auswirkt, sondern auf jeden einzelnen von uns. Wir alle leiden unter dem, was geschieht.“ Sie wünsche sich, dass der einzig mögliche Weg, der von Gesprächen, eingeschlagen werde, damit Krieg beendet werde.
Mattei verwies dann auf den Kurzfilmwettbewerb „Politik: Wir sind dabei!“. „Nachdem wir wissen, was die Gründerväter Europas und unserer Autonomie getan haben, ist es nun an uns allen, unsere Kräfte dafür einzusetzen, dass sich diese Autonomie und damit das Prinzip des Dialogs im Interesse und zum Wohle aller auch in Zukunft durchsetzt.“ Sie hoffe, dass dies gelingen werden – auch dank der jungen Generationen.
Auch er begrüße im Besonderen die Schülerinnen und Schüler, sagte LH Arno Kompatscher. Es solle keine Pflichtübung sein, fuhr der LH fort, den Europatag feierlich zu begehen. Es sollte viel mehr Anlass sein, sich darüber zu freuen, dass die schrecklichen Ereignisse, die unzähligen Kriege überwunden werden konnten. Schuman habe in seiner Erklärung betont, dass man klein anfangen wolle. Doch dieser Idee verdanke man so Vieles, dass sei allzu oft nicht bewusst. Heute sei Europa eine wirkliche Union der Bürgerinnen und Bürger. Viele Errungenschaften Europas seien gerade auch für Südtirol von großer Bedeutung. Europa bedeute insbesondere Frieden, und dass dies keine Selbstverständlichkeit sei, zeige die aktuelle Situation. Friede sei mehr als die Abwesenheit von Waffengewalt. Es sei die Voraussetzung, Glück und Zufriedenheit für alle zu schaffen.
Europaparlamentarier Herbert Dorfmann, der per Videokonferenz aus dem Europäischen Parlament in Straßburg zugeschaltet war, unterstrich, dass er die Schuman-Erklärung von 1950 nach wie vor für ein geniales Dokument halte. Dies weil darin festgehalten war, dass für einen neuen Weg nicht nur Frieden, sondern genauso die wirtschaftliche Zusammenarbeit notwendig sei. Dazu sei die Schuman-Erklärung offen: Es wurden Regeln geschaffen, jeder in Europa, der wollte, konnte mitmachen. Daraus habe sich die EU mit heute 27 Mitgliedstaaten entwickelt. Die EU sei auch ein Friedensprojekt, diese Friedensaufgabe sei noch immer wesentlich – gerade, wenn man bedenke, dass in der Ukraine derzeit junge Menschen im Alter der heute im Landtag anwesenden Schüler in Schützengräben stünden. Dennoch: Wenn Robert Schuman und die Gründerväter die heutige EU sehen würden, hätten sie wohl ihre helle Freude daran.
Der Europaabgeordnete Matteo Gazzini konnte nicht wie vorgesehen am Festakt im Landtag teilnehmen, übermittelte jedoch seine Grußworte. In diesen hob er das Thema des Kurzfilmwettbewerbs hervor, das er als weitsichtig bezeichnete. Es sei wichtig und notwendig, dass die Institutionen junge Menschen für die Politik, insbesondere die europäische Politik, begeisterten, „die sich als zunehmend strategisch und einflussreich für das Leben eines jeden von uns erweisen wird”, so Gazzini.
Vor der Prämierung der Siegerklasse des Kurzfilmwettbewerbs zum Thema „Politik: Wir sind dabei!“ unterstrich Präsidentin Mattei, dass junge Menschen der Gesellschaft die Zukunft aufzeigten: „Ihre Visionen überraschen uns oft mit ihrer praktischen und realistischen Ausrichtung.” 2023 sei das Jahr der Landtagswahlen und mit der Wahl des Themas des Wettbewerbs habe man die Aufmerksamkeit der Jugendlichen für die Politik fördern, das Interesse an Entscheidungsprozessen und das Nachdenken über das Thema sowie – für die Älteren – die Teilnahme an der Wahl anregen wollen. „13 Videos von ebenso vielen Klassen aus elf Schulen wurden eingereicht“, sagte Mattei. „Darunter eine italienische und eine ladinische, der Rest deutschsprachige Schulen. Insgesamt 205 Schüler begleitet von 16 Lehrkräften haben teilgenommen.“ Die Jury bestehend aus Daniel Karl Mascher (Deutsche Bildungsdirektion), Magdalena Lerchegger (Ladinische Bildungs- und Kulturdirektion), Stefano Kerschbamer (Italienische Bildungsdirektion), Matteo Pra Mio (Bildungswissenschaftliche Fakultät Freie Universität Bozen) und Christoph von Ach (EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino) habe einstimmig das Video der Technologischen Fachoberschule „Max Valier“dritte Klasse Maschinenbau zum Sieger gekürt.
Stefano Kerschbamer hob im Namen der Jury hervor, dass durchwegs hochwertige und spannende Produktionen eingereicht wurden, die sich auf unterschiedlichste Art mit den Möglichkeiten politischer Partizipation aus Sicht der Jugend befassten. Man habe die eingesandten Kurzfilme ausführlich besprochen und anhand der festgelegten Kriterien – Kohärenz mit dem Thema Politik und politischen Partizipation; die Fähigkeit, die Botschaft auf wirksame und innovative Weise zu vermitteln und Kreativität in Bezug auf Form und Inhalt – bewertet.
Christoph von Ach ergänzte, dass der Jury die Bewertung nicht leichtgefallen sei, „da alle eingereichten Videoproduktionen einen eigenständigen und individuellen Zugang zum Thema gewählt haben, der Kreativität und Spontaneität verband, wobei es evident war, dass sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit dem vorgegebenen Thema auseinandergesetzt hatten”.
Das unter dem Titel „Politik: Wir sind dabei?“ gestellte Siegervideo habe schließlich aufgrund des innovativen Charakters, der die Partizipationsmöglichkeiten in „umgekehrter“ Reihenfolge erläutert, überzeugt. „Die jugendlichen Darsteller zeigen Möglichkeiten auf, wie sie sich in die Politik einbringen können, wobei das notwendige Engagement mit der Einhaltung von Regeln in Einklang gebracht wird”, so von Ach. Als Einstieg werde das weitverbreitete Vorurteil des jugendlichen Desinteresses persifliert und im Laufe des Films in sein Gegenteil verkehrt. Die Glaubwürdigkeit in der Darstellung, die durch die gute technische Umsetzung noch unterstrichen werde, die Kohärenz mit dem Thema des Wettbewerbs und die auch dramaturgische Kreativität des Kurzvideos hätten die Jury überzeugt.
Leo, ein Schüler der Siegerklasse, berichtete im Anschluss kurz über den Entstehungsprozess des Videos seiner Klasse, schickte aber auch voraus, dass die Arbeiten daran nicht einfach gewesen seien. Am Anfang des Projekts sei die Klasse zu oberflächlich gewesen, dann habe man immer wieder darüber diskutiert und das Drehbuch mehrmals neu geschrieben. Wesentlich für die Klasse sei gewesen, dass man authentisch sein und eine klare Botschaft vermitteln wollte. „Diese war: hinterfragen, mitreden, dabei sein”, so Leo.
Abschließend wurde das Video in der Aula gezeigt und mit dem Applaus der Anwesenden, u.a. der Landtagsabgeordneten und der Mitglieder der Landesregierung, bedacht. Als Preis erhielt die Siegerklasse einen Gutschein für eine zweitägige Klassenfahrt nach Brüssel. Der Kurzfilm kann auf dem YouTube-Kanal des Landtags abgerufen werden.