Von: mk
Bozen – Heute ist im Südtiroler Landtag die Behandlung des Beschlussantrags Nr. 135/19: Schließung Dolomitenpässe und viel befahrener Bergstraßen in der Hochsaison (eingebracht von den Abg. Foppa, Staffler und Dello Sbarba am 17.07.2019) fortgesetzt worden. Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, 1. die Zielsetzung des Projektes #Dolomitesvives konsequent weiterzuverfolgen und 2020 erste Maßnahmen zur Aufwertung des ÖPNV auf den Pässen zu setzen; 2. gemeinsam mit der Provinz Trient und der Region Veneto bei den Ministerien in Rom zu intervenieren, um Maßnahmen zur Reglementierung des Verkehrs auf den Pässen rund um den Sellastock rechtlich möglich zu machen und parallel dazu einen Maßnahmenkatalog zur Verkehrs- und Lärmberuhigung innerhalb 2020 vorzulegen. Dazu gehören zeitweise Sperren genauso wie die Prüfung zur Einführung einer Maut, die Verstärkung des ÖPNV und der Liftverbindungen sowie bessere Infrastrukturen für Fahrradmobilität. (Neue Fassung aufgrund eines Änderungsantrags von Brigitte Foppa und Gert Lanz).
Der Antrag weise auf ein echtes Problem hin, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Aber man müsse zwischen den Bedürfnissen der Ansässigen und jenen der Touristen unterscheiden. Die Brennerachse sei sicher belasteter als die Passstraßen, aber niemand würde deswegen eine Schließung vorschlagen. Das Problem auf den Passstraßen seien Busse, die Staus verursachten, und Motorräder. Daher sollte man prüfen, ob man diesen Fahrzeugen die Durchfahrt sperren könne, eventuell auch nur zeitweise.
Das Weltnaturerbe stelle er sich eigentlich als beruhigende Gegend vor, erklärte Josef Unterholzner (Team K). Studien zum Thema gebe es genug, man sollte endlich die Prioritäten festlegen, etwa Ruhe vor Tourismus. Eine Maßnahme könnte die bessere Vernetzung der Seilbahnen sein, damit könne man die Dolomiten sehr gut erleben. Der Antrag sei anfangs zu scharf gewesen, jetzt sei er aber so aufgeweicht worden, dass er seinen Wert verloren habe.
Hanspeter Staffler (Grüne) sah die Pässe ursprünglich als verbindende Elemente, über die Pässe seien wirtschaftliche Kontakte geknüpft und über die Pässe sei auch oft geheiratet worden. Nun gehe es darum, den “Just for fun”-Verkehr zu verhindern, der so zugenommen habe, dass sich die Anrainer nicht mehr wohlfühlten. Man habe beim Antrag einen Schritt zurück gemacht, weil man heute das richtige Signal setzen wolle: Man wolle ein intelligentes Verkehrsmanagement, ohne die Menschen auszuschließen. Der Individualverkehr sei nicht mehr zeitgemäß und führe in diesem Ausmaß zu Konflikten.
Die Menschen würden wegen bestimmter Attraktionen zu uns kommen, meinte Helmut Tauber (SVP), daher seien auch die Pässe so stark befahren. Einzelmaßnahmen seien nicht sinnvoll, denn sonst würde das Problem ein paar Pässe weiterverschoben. Zu einem sinnvollen Verkehrsmanagement brauche es eine Allianz über Südtirol hinaus. Die verschiedenen Verkehrsmittel seien nicht leicht miteinander in Einklang zu bringen. Gewisse regulatorische Maßnahmen werde es brauchen.
Paul Köllensperger (Team K) kündigte Zustimmung an, es sei ein kleiner Schritt, aber in die richtige Richtung. Die Schließungen würden den Verkehr zeitlich verlagern. Sinnvoll wäre eine Passmaut, eventuell über eine Vignette mit abgestimmten Preisen nach Herkunft und Verkehrsmittel. Die Mauteinkünfte sollten in die Verbesserung der sanften Mobilität investiert werden.
Gerhard Lanz (SVP) bezeichnete den ursprünglichen Antrag mit der Schließung als nicht umsetzbar. Daher habe man nachgebessert und auch die Prüfung einer Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen: Maut, ÖPNV, Lift, Fahrrad. Der Verkehr habe Auswirkungen auf viele Bereiche, daher müssten alle Lösungen vorher genau geprüft werden.
LH Arno Kompatscher sah einen Konsens zum Handlungsbedarf. Die Landesregierung sei hier schon seit einigen Jahren aktiv. Man habe es nun geschafft, dass auch die Nachbarregionen mit im Boot sitzen. Es fehlten noch präzise Daten zu den einzelnen Fahrzeugtypen, daher seien jetzt 24 Kameras installiert worden. Er sei der Hauptverantwortliche für die Schließung der Straße auf die Seiser Alm und könne aus Erfahrung sagen, dass es viele Maßnahmen brauche, um ein Gebiet zu schützen, Maßnahmen, die ineinandergreifen müssten und auch mit den Interessenträgern abzusprechen seien. Ohne massiven Ausbau eines öffentlichen Angebots werde es nicht gehen, und das könne durch eine Maut finanziert werden. Man brauche auch eine Lobbyarbeit, um die Straßenverkehrsordnung abzuändern, und darin habe man jetzt Verbündete in anderen Regionen gefunden.
Brigitte Foppa stellte eine Entwicklung der Diskussion in den letzten Jahren fest, vom Reizthema zum Problem, das von allen gesehen werde. Der Widerspruch zwischen Ruhezonen und Motorenlärm werde heute stärker empfunden. Viele Betriebe würden nicht mehr an Motorradfahrer vermieten. Eine Maut sei nicht die Ideallösung zur Verkehrsverringerung, aber sie passe in ein Gesamtkonzept und diene der Finanzierung der Alternativen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Beschlussantrag Nr. 206/19: Anerkannte Europäische Schule Südtirol (eingebracht von den Abg. Ploner A., Faistnauer, Köllensperger, Ploner F., Rieder und Unterholzner am 12.11.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. Den Bedarf nach einer internationalen öffentlichen Schule für Südtirol anzuerkennen. 2. Den Vorschlag zu Errichtung einer anerkannten Europäischen Schule in dieser Hinsicht zu unterstützen und entsprechende Maßnahmen zur Umsetzung in die Wege zu leiten. 3. Eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aller drei Südtiroler Schulämter zur Vorbereitung und Durchführung des Projektes einzurichten. 4. Im Bozner Bahnhofsareal nach Möglichkeit bereits jetzt ein Areal für den Bau eines Europäischen Campus vorzusehen.
“Für das Team K ist die Einführung eines mehrsprachigen Schulsystems eine Priorität”, erklärte Alex Ploner (Team K). “Ein interessantes und zukunftsweisendes Modell ist die Europäische Schule. Zurzeit gibt es in der EU dreizehn Europäische Schulen, die von fast 28.000 Schüler und Schülerinnen besucht werden. Eine anerkannte Europäische Schule genießt die Rechte und Pflichten der öffentlich-rechtlichen Bildungseinrichtungen des jeweiligen Mitgliedslandes der EU.” Das Sprachniveau sei laut Kolipsi-Studien in Südtirol gesunken, es bestehe Handlungsbedarf. Schüler, Eltern und auch Unternehmen würden mehr Mehrsprachigkeit verlangen. Eine Europäische Schule setze auf Mehrsprachigkeit, wobei aber die Beherrschung der Muttersprache Priorität habe und Englisch Standard sei. Es müsse Eltern freistehen, für welches Bildungssystem sie sich entscheiden.
Brigitte Foppa (Grüne) wies auf ähnliche Vorstöße ihrer Fraktion hin. Auch vorliegender Antrag gehe in diese Richtung, daher werde man ihn unterstützen. Die Gesellschaft sei bei diesem Thema weiter als die Politik. Das schrecklichste Ergebnis in der Kolipsi-Studie sei, dass die Jugendlichen Angst hätten, die andere Sprache zu sprechen. Daher brauche es Gelegenheiten zur Begegnung.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sah den Antrag als Mindestforderung. Eltern wie Unternehmen würden Mehrsprachigkeit fordern. In Luxemburg werde im ersten Jahr auf Deutsch unterrichtet, im zweiten Jahr auf Französisch, im Dritten auf Englisch, und innerhalb der ersten sechs Schuljahre würden alle diese drei Sprachen neben dem Luxemburgischen beherrschen, ohne dabei ihre Wurzeln zu verlieren.
Magdalena Amhof (SVP) sprach sich gegen einen Perfektionismus bei der Beherrschung der Zweitsprache aus. Wichtig sei die Begegnung, und durch diese verbessere sich dann auch die Sprachbeherrschung. Das Südtiroler Bildungssystem, das im internationalen Vergleich sehr gut dastehe, lege großen Wert auf Mehrsprachigkeit, dafür seien viele Maßnahmen ausgearbeitet worden. Was müsse Schule denn noch alles leisten? fragte Amhof. Der Unternehmerverband werde in wenigen Tagen ein mehrsprachiges Schulmodell vorstellen, darüber werde man noch reden. Auch Wirtschaft sollte in Bildung investieren.
Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) sprach sich ebenfalls für eine unternehmerische Initiative aus. Das öffentliche Angebot sei sehr gut, und die Jugendlichen hätten bei der Mehrsprachigkeit große Schritte nach vorn gemacht. Das Problem sei, dass die Zweitsprache nicht wie eine Fremdsprache unterrichtet werde. Eine private mehrsprachige Schule wäre eine gute Ergänzung, eine öffentliche mehrsprachige Schule sei etwas viel verlangt. Immerhin gebe es bereits die mehrsprachige Universität.
Vor allem die Jungen seien sich des Werts der Mehrsprachigkeit bewusst, meinte Jasmin Ladurner (SVP). Und dazu gebe es bereits viele Angebote. Wenn man eine mehrsprachige Schule im Auge habe, könne die Privatinitiative schneller sei. Die öffentliche Schule biete eine sehr gute Grundversorgung, und es sei nicht Aufgabe der Politik, auf jedes individuelle Bedürfnis einzugehen. Daher werde man gegen den Antrag stimmen.
Sven Knoll (STF), der seine Rede in vier Sprachen begann, betonte, dass die Sprachbeherrschung vor allem von der persönlichen Sensibilität abhänge. Er selbst sei ein mehrsprachiger Bürger dieses Landes, und das ohne CLIL. Alle Schulstufen in Südtirol seien bereits mehrsprachig. Was man nicht brauche, seien gemischtsprachige Schulen. Das Trentino wolle den CLIL-Unterricht einschränken, weil er nicht zum Erfolg führe und ein Drittel des Inhalts hinten bleibe. Spracherwerb könne nicht allein in den Schulen stattfinden. Die vom Team K vorgeschlagene Schule sei vielleicht für manche im Raum Bozen interessant, aber nicht für die Täler.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) erkannte an, dass der Antrag die Bedeutung der Mehrsprachigkeit betone. Er vermisse aber die politische Verantwortung. Südtirol sei nicht NRW oder die Toskana, auch nicht Luxemburg, das als Staat seine Schule selbst regeln könne. Die Südtiroler seien eine Minderheit im Staat. Der Antrag sei eine politische Nebelkerze, man habe den Konsens mit anderen Fraktionen gar nicht gesucht.
Helmut Tauber (SVP), der auch drei Sprachen vorhalten konnte, meinte es brauche die richtige Motivation zum Sprachenlernen. Außerdem sei es gut, wenn man in die Welt hinausgehe, um eine Sprache zu erlernen. In Südtirol gebe es keine internationalen Institutionen, die auf eine europäische Schule angewiesen seien. Man sollte das, was man in Südtirol habe, noch stärker unterstützen, und vielleicht auch die einzelnen Methoden des Sprachunterrichts genauer anschauen.
Die Ansicht, eine mehrsprachige Schule löse alle unsere Probleme, sei völlig falsch, erklärte LR Philipp Achammer. Man habe die Stunde in der Zweitsprache ständig erhöht, aber das habe laut Kolipsi nichts gebracht. Es brauche einen neuen Zugang. Man müsse auch über die Qualität des Zweitsprachenunterrichts nachdenken sowie über die unterschiedlichen Bedürfnisse in den verschiedenen Gebieten. In den Tälern sei Italienisch meist eine Fremdsprache und müsste auch dementsprechend unterrichtet werden. Die Sprachbeherrschung hänge auch nicht nur von der Schule ab. Auch müsse man sich vom Perfektionismus lösen, sonst habe die Angst Überhand. Die europäische Schule sei für die Kinder der EU-Funktionäre gedacht und würde nicht das spezifische Südtiroler Problem lösen.
Die Südtiroler Schule sei bereits im Spitzenfeld, meinte LR Giuliano Vettorato. Er wies darauf hin, dass die Europäische Schule nicht vom Unterrichts-, sondern vom Außenministerium abhänge. Das Land könne sich also nicht ans Außenministerium wenden, um im Inland eine Europäische Schule aufzubauen. Sprache müsse Spaß machen, pflichtete Alex Ploner Brigitte Foppa bei. Das Scheitern hänge von mangelnder Motivation ab, von der Angst und vom Zwang. Südtirol habe keine Bodenschätze, es sei die Mehrsprachigkeit, mit der man außerhalb punkten könne. Man sollte keine Privatinitiative abwarten, bei 1. Mrd. Bildungsbudget müsste eine öffentliche mehrsprachige Schule drin sein. Die Idee einer europäischen Schule hätten bereits Durnwalder und LR Repetto 2009 bei einem Besuch in Brüssel aufgegriffen. Der Antrag wurde in mehreren Abstimmungen über die einzelnen Punkte mehrheitlich (meist elf Ja, 19 Nein) abgelehnt.