Umweltschützer kritisieren Bau der Bobbahn in Cortina

„Eine verpasste Chance“

Freitag, 03. März 2023 | 16:59 Uhr

Bozen/Cortina – „Die Bobbahn soll um jeden Preis in Cortina gebaut werden!“ Mit dieser Ankündigung vonseiten der Minister Matteo Salvini und Andrea Abodi, der Präsidenten der Regionen Lombardei und Venetien, Attilio Fontana und Luca Zaia, sowie von CONI-Präsident Giovanni Malagò und des Geschäftsführers der Gesellschaft „Milano Cortina 2020-2026“, Luigi Valerio Sant’Andrea, am Ende der Sitzung des Lenkungsausschusses für die Olympischen Spiele 2026 am 27. Februar hadern Südtirols Umweltschützer. Damit sei die letzte Chance vertan worden, den Olympischen Winterspielen einen Hauch von Nachhaltigkeit zu verleihen, heißt es in einer Aussendung.

„Zum heutigen Zeitpunkt ist von Kosten um 85 Millionen Euro die Rede, die vom Staat und damit von den Steuerzahlern bezahlt werden sollen, aber es ist vorhersehbar, dass es nicht bei diesen Kosten bleiben wird. Die letzte Gelegenheit, den Olympischen Winterspielen einen Hauch von Nachhaltigkeit zu verleihen, wurde vertan – ebenso die Chance, den Empfehlungen der Agenda 2020+ 5 des IOC und den Erklärungen im Kandidatur-Dossier gerecht zu werden“, erklären die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA und der Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz.

Das Versäumnis der Organisatoren – sowie der Politikerinnen und Politiker -, die wesentlich kostengünstigere Alternative der Bobbahn Innsbruck ernsthaft in Betracht zu ziehen, sei nach Ansicht der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA und des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz/CIPRA Südtirol ein schwerer Fehler. Mit den eingesparten Millionen für den Bau der Bobbahn hätten den Berggemeinden des Belluneser Gebietes viele nachhaltige Leistungen angeboten werden können. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit würden lehren – allen voran jene von Turin 2006 mit der nach wenigen Jahren aufgegebenen Cesana-Strecke -, dass Bauten, die ausschließlich für einzelne Sportereignisse errichtet werden, effektiv nur für die kurze Dauer dieser Veranstaltungen genutzt werden.

„Auch wenn wir die Entscheidung der Organisatoren zu schätzen wissen, wonach vor einigen Wochen das Projekt der Eishalle in Baselga di Pinè fallen gelassen wurde, das für diesen kleinen Bergort zu eindeutig groß und zu kostspielig war, können wir über die Entscheidung der Politiker und Organisatoren bezüglich Bobbahn nur unsere Enttäuschung kundtun. Diese Entscheidung ist gefallen, obwohl die Organisatoren im Dossier der Kandidatur erklärt hatten, dass Cortina bereits über eine Bobbahn verfüge. Nun wird die 1956 errichtete Bahn abgerissen und vollkommen neu aufgebaut“, erklären die Verbände in einer gemeinsamen Aussendung.

Ein weiteres Projekt, das vom Präsidium angekündigt wurde, betrifft das olympische Dorf von Cortina. Nach Angaben der Organisatoren soll dieses zwar in Containern errichtet werden, die nach Ende der Veranstaltung wieder entfernt werden sollen, aber es soll nicht mehr in Fiames entstehen, sondern in Campo, ebenfalls in Cortina. Der Gedanke an eine vorübergehende, wieder abbaubare Infrastruktur sei zwar zu begrüßen, jedoch wird der Standort Campo als ungeeignet angesehen, da trotz des zeitweiligen Charakters des Olympischen Dorfs entsprechende Infrastrukturen errichtet werden müssen, was mit der landschaftlichen und ökologischen Besonderheit des Gebiets unvereinbar sei.

Die Piana di Campo sei ein ökologisch und naturalistisch wertvolles Gebiet, in dem mehrere vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere vorkommen. Aufgrund seiner hydrogeologischen Beschaffenheit würde jeder Infrastruktureingriff das empfindliche Gleichgewicht unwiderruflich zerstören. „Die Beherbergung der Athletinnen und Athleten für die wenigen Wochen des olympischen Ereignisses erfordern notwendige Strukturen, die nicht mehr entfernt werden können (Fundamente, Kanalisationsstrukturen, Strom- und Gassysteme), und die dadurch diese Ebene von großem ökologischen, historischen und landschaftlichen Wert, die keine andere Bestimmung als die landwirtschaftliche Nutzung haben kann, irreversiblen Schaden zufügen“, so die Verbände.

Neben den oben genannten seien weitere Anlagen und Straßeninfrastrukturen in Planung. „Das Vorgehen der Organisatoren macht stutzig: das Fehlen einer Strategie und eines Zeitplans kann zwar zu Verzögerungen und Ressourcenverschwendung führen, jedoch birgt das Fehlen einer umfassenden strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplanten Projekte und die damit zusammenhängenden Arbeiten – ein Verfahren, das derzeit noch nicht einmal eingeleitet ist – die Gefahr, dass ein empfindliches Gebiet wie diese Berglandschaft irreversible Schäden erleiden wird“, so die Umweltschützer.

Von: mk

Bezirk: Bozen