Von: luk
Bozen – Beim Partito Democratico in Südtirol steht ein Erdbeben bevor. Elf Tage vor den Parlamentswahlen am 4. März hat sich Italiens regierende Demokratische Partei (PD) um Ex-Premier Matteo Renzi in Südtirol gespalten. Der Südtiroler Landtagspräsident Roberto Bizzo und weitere 13 Mitglieder des PD-Gremiums in Südtirol haben am Mittwoch den Austritt aus der Partei angekündigt, um eine eigene Bewegung zu gründen.
Bei einer Pressekonferenz in Bozen wurde die von der PD in Rom aufgezwungene Kandidatur der PD/SVP-Kandidatin Maria Elena Boschi, Staatssekretärin und Ex-Reformenministerin, sowie von Staatssekretär Gianclaudio Bressa im Wahlkreis Bozen-Unterland kritisiert, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Dabei handelt es sich um zwei Vertrauensleute Renzis, denen der PD-Chef einen sicheren Wahlkreis zugespielt hat. Der Ausschuss der Südtiroler Volkspartei hatte am 15. Jänner einem territorialen Abkommen mit dem PD zugestimmt, wonach das Vorschlagsrecht für den mehrheitlich italienischsprachigen Wahlkreis Bozen bei der PD liege.
Boschis Kandidatur für die Abgeordnetenkammer stieß in Südtirol auf Kritik. Die 37-jährige PD-Politikerin hatte 2014 behauptet, die Sonderautonomien seien in Italien abzuschaffen. Später versicherte sie, dass sie damit nicht die Südtirol-Autonomie gemeint habe.
Renzis PD dürfte laut Umfragen bei den Parlamentswahlen auf rund 22 Prozent der Stimmen kommen. Die Mitte-Links-Koalition, der die PD und die SVP angehören, dürften 27 Prozent der Stimmen erhalten. Das liegt unter den 36 Prozent, mit denen laut Umfragen die Mitte-Rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi die Wahlen gewinnen soll.
Der Zeitpunkt kurz vor den Parlamentswahlen ist für den lokalen PD denkbar schlecht. Zudem könnte der Austritt Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse in manchen Rathäusern haben – wie etwa in Bozen.
Abgesehen von der Kandidatur von Maria Elena Boschi für das Parlament rumort es in der Partei schon lange. Das zeigte sich erst vor wenigen Monaten bei der Wahl des neuen Vorsitzenden. Bizzo kritisierte nicht nur Boschis Kandidatur für die Abgeordnetenkammer, sondern auch die Kandidatur von Gianclaudio Bressa für den Senat. Diese Entscheidung habe dem lokalen PD die Möglichkeit genommen, eine territoriale Vertretung nach Rom zu schicken.
STF: „SVP setzt auf falschen Koalitionspartner“
Auch die Süd-Tiroler Freiheit nimmt zur Spaltung im Partito Democratico Stellung. „Die Spaltung hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass der PD kein verlässlicher Koalitionspartner ist und sich die bedingungslose Bündnistreue der SVP zu dieser Chaospartei als schwerwiegender Fehler erweist, zumal nach der heutigen Spaltung nicht einmal mehr klar ist, wer überhaupt noch der Koalitionspartner ist“, erklärt der Landtagsabgeordnete Sven Knoll.
Die Ankündigung des derzeitigen Landtagspräsidenten Roberto Bizzo, den PD mit seiner Gruppe zu verlassen, selbst aber vorerst noch im PD zu verbleiben, sei Ausdruck dieser chaotischen Verhältnisse. „Bizzo muss sich entscheiden und darf die institutionellen Gremien des Landtages nicht in die internen Auseinandersetzungen seiner Partei mit hineinziehen“, so der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit.
„Angesichts dieser chaotischen Entwicklungen sollte die SVP den PD endlich in die Wüste schicken und das verhängnisvolle Abhängigkeitsverhältnis umgehend beenden. Der Partito Democratico hat in den letzten Jahren auf Staats- und Landesebene mehrfach gegen die Interessen Südtirols gearbeitet und stattdessen in Südtirol eine Klientelpolitik betrieben, mit der den eigenen Mitgliedern höchste Verwaltungsposten zugeschanzt wurden“, fügt Knoll hinzu.
Dass Südtirol bei den bevorstehenden Parlamentswahlen nun auch noch „autonomiefeindliche PD-Kandidaten aus Italien“ auf die Listen vorgesetzt bekommt, sei Beweis dafür, dass die SVP auf den falschen Koalitionspartner gesetzt und dem Land damit Schaden zugefügt habe, erklärt die Bewegung abschließend.
Leiter Reber: “Blockfreiheit statt PD-Chaos!”
Zu den jüngsten Turbulenzen im lokalen Partito Democratico nimmt auch der freiheitliche Landesparteiobmann Andreas Leiter Reber wie folgt Stellung: „Wir Freiheitliche sind bekanntlich keine Freunde des nationalen PD und dessen lokalen Ablegers. Doch dass die Zwangsbeglückung mit provinzfremden und autonomiepolitisch höchst umstrittenen Kandidaten Boschi und Bressa nicht nur den deutschen Südtirolern, sondern auch den Italienern und vor allem dem lokalen PD sauer aufstößt, ist mehr als verständlich. Gerade diese zentralistische Einmischung in die Besetzung Südtiroler Wahlkreise zeugt davon, wie willkürlich der PD über unser Verständnis von Autonomie drüberfährt, wenn er nicht einmal den Südtiroler Italienern zugesteht, ihre eigene Kandidaten nach Rom zu entsenden.“
Es liege in der Natur der Dinge, dass bei den gesamtstaatlichen italienischen Parteien das „nationale Interesse” immer über den Interessen Südtirols stehe, so die Freiheitlichen. „Wer sich wie die SVP seit Jahren einseitig an den PD ausliefert und alle anderen, künftigen Regierungsparteien schlechtredet und diffamiert, entwickelt sich selbst zum Wurmfortsatz einer römischen Partei. Dass man dann mit einer zentralistisch gesinnten Kandidatin Boschi in Südtirol auf Werbetour gehen muss ist höchstens peinlich, aber man riskiert mit diesem unseligen Bündnis die Sonderrolle Südtirols und den weiteren Ausbau der Selbstverwaltung zu gefährden. Um unser Land glaubwürdig und ehrlich in Rom zu vertreten, bedarf es einer echten Blockfreiheit und Neutralität gegenüber allen staatlichen Parteien“, meint Leiter Reber abschließend.