EU-Gipfel mit vielen Themen

EU-Gipfel nimmt Ukraine-Kapitel mit 26 Stimmen an

Donnerstag, 26. Juni 2025 | 19:56 Uhr

Von: apa

Keine Einigkeit haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Donnerstag in Brüssel zum Ukraine-Thema herstellen können. Das entsprechende Kapitel der Schlussfolgerungen wurde von 26 der 27 Mitgliedsländer angenommen. Die Blockadehaltung Ungarns war nicht zu überwinden. Ministerpräsident Viktor Orbán hatte vor Beginn gesagt: “Wenn wir die Ukraine in die EU integrieren, integrieren wir den Krieg.” Dies würde eine unmittelbare Gefahr für die EU darstellen.

Einige Mitgliedstaaten drängen darauf, die Unterstützung für die Ukraine zu verstärken und ihren Weg in die EU voranzutreiben. “Die Europäische Union ist nach wie vor entschlossen, auch im Rahmen des EU-Beitritts der Ukraine deren Instandsetzung, Erholung und Wiederaufbau in Abstimmung mit den internationalen Partnern zu unterstützen, auch in den Bereichen psychologische und psychosoziale Rehabilitation und verstärkte Minenräumung”, heißt es nun in dem Dokument. “Erwartungsvoll” entgegengesehen wird dort aber nicht dem EU-Beitritt, sondern der Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine am 10. und 11. Juli in Rom.

Selenskyj war per Video zugeschaltet

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war nicht persönlich in Brüssel, sondern am Abend per Video zugeschaltet. Auch das von Österreich unterstützte umstrittene 18. Sanktionspaket, dessen endgültige Schnürung inklusive des ins Auge gefassten Ölpreis-Deckels von Ungarn und der Slowakei bisher blockiert wird, hat es nicht in die Schlussfolgerungen geschafft. Schon im Vorfeld war betont worden, dass man sich auf die Bekräftigung der vorangegangenen Pakete konzentrieren wolle. “Der Europäische Rat begrüßt die Verabschiedung des 17. Sanktionspakets, das sich insbesondere gegen den russischen Energie- und Finanzsektor richtet, einschließlich der ‘Schattenflotte’ von Öltankern und ihrer Betreiber”, heißt es in dem von 26 Staaten angenommenen Text.

Allerdings weist man – ohne Ungarn – doch in die Zukunft, ohne das 18. Sanktionspaket beim Namen zu nennen: “Die Europäische Union ist bereit, den Druck zu erhöhen, wenn dies erforderlich ist, auch mit einem neuen robusten Paket von Sanktionen, das auch Möglichkeiten vorsieht, Russlands Energieeinnahmen weiter zu schmälern.”

Verhärtete Fronten in Israel-Frage

Zuvor hatte der Gipfel wie erwartet keine Aussetzung des EU-Israel-Abkommens beschlossen oder klar Position dazu bezogen. Der EU-Prüfbericht zur Einhaltung des Artikels 2 des Abkommens sieht Israels Vorgehen in Gaza sehr kritisch. Die Gipfelerklärung nimmt den Bericht zur Kenntnis. Einige EU-Länder fordern schon länger eine Aussetzung des Abkommens, Österreich und Deutschland sind dagegen.

Der Gipfel fordert im entsprechenden Teil der Schlussfolgerungen den Rat auf, die Beratungen über den Bericht gegebenenfalls im Juli 2025 fortzusetzen und dabei die Entwicklung der Lage vor Ort zu berücksichtigen. Mitte Juli dürfte der Bericht erneut auf der Agenda des Treffens der EU-Außenministerinnen und -minister stehen. EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas hatte nach dem Treffen am Montag erklärt, man habe sich für eine genaue Beobachtung der Entwicklung und einen “strukturierten Dialog” entschieden: “Wenn sich die Situation nicht verbessern sollte, können wir das im Juli wieder aufgreifen.”

Auch für Gaza gilt: “Der Krieg muss enden”

Zum Start des Europäischen Rates am Donnerstag zeigten sich erneut die verhärteten Fronten in der Israel-Frage: “Wichtiger als Verträge auf Eis zu legen, ist der Dialog”, sagte der luxemburgische Premierminister Luc Frieden. Israel müsse verstehen, was zurzeit in Gaza passiere, sei “menschlich nicht vertretbar”. Der irische Premier Micheál Martin sagte, Europa müsse klar artikulieren, dass Israels Vorgehen in Gaza aus humanitärer Sicht unverständlich sei. “Der Krieg muss enden.”

Der slowenische Premier Robert Golob betonte, es gebe einen “klaren Bruch” des Artikels 2 des EU-Israel-Assoziationsabkommens. Leider würden einige wichtige EU-Mitgliedstaaten stärker ihre eigenen Interessen verfolgen als die Menschenrechte der Palästinenser. “Die EU als Ganzes kann nicht mehr Rechtsstaatlichkeit predigen aufgrund ihrer unzureichenden Reaktion auf die Gräueltaten in Gaza”, so Golob. Sollte es nicht beim Gipfel oder innerhalb der nächsten zwei Wochen eine greifbare Antwort geben, werden Slowenien und andere EU-Staaten selbst handeln, “und wir sind dazu bereit”. Es gehe um “richtigen Druck” auf die israelische Regierung.

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte vor Beginn des Gipfeltreffens: “Ich habe gestern mit Premierminister Benjamin Netanyahu dazu telefoniert. Es ist so, dass wir durch eine Sistierung des Abkommens keine Verbesserung der Situation in Gaza erwarten. Ich glaube, dass die Gesprächskanäle offen gehalten werden müssen”, sagte Stocker dazu. “Natürlich geht es darum, dass die Zivilbevölkerung nicht den Preis für den Terror der Hamas bezahlen darf. Netanyahu hat mir auch zugesichert, alle Bemühungen in diese Richtung zu verstärken und zu intensivieren, damit diese humanitäre Hilfe auch geleistet werden kann.”

Klare Position zur Lage in Gaza

In der Erklärung heißt es, der Rat “bedauert die katastrophale humanitäre Lage in Gaza, die inakzeptable Zahl ziviler Opfer und das Ausmaß des Hungers”. An Israel wird appelliert, seine Blockade des Gazastreifens vollständig aufzuheben und sofortigen, ungehinderten Zugang und eine nachhaltige Verteilung humanitärer Hilfe im gesamten Gazastreifen zu ermöglichen. Weiters werden ein “sofortiger Waffenstillstand in Gaza und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln” verlangt.

Zum Iran heißt es, die EU begrüßte die Einstellung aller Kampfhandlungen und werde “weiterhin alle diplomatischen Bemühungen unterstützen, die zum Abbau der Spannungen und zur Herbeiführung einer dauerhaften Lösung der iranischen Atomfrage beitragen, die nur durch Verhandlungen erreicht werden kann”. – Bundeskanzler Stocker schlägt Wien als Verhandlungsort im Iran-Israel-Konflikt vor: “Wir haben eine große Tradition für solche Verhandlungen und Treffen. Es wäre für Wien schön, wenn wir als Gastgeber fungieren könnten”, sagte er am Donnerstag.

Auch über die aktuelle Lage in Syrien wurde am Gipfel diskutiert. Der jüngste Terroranschlag auf eine orthodoxe Kirche in Damaskus wurde verurteilt, die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien als Teil einer schrittweisen Annäherung begrüßt. Auch der Libanon hat es in die Schlussfolgerungen geschafft: “Der Europäische Rat bekräftigt die Unterstützung der Europäischen Union für das libanesische Volk und begrüßt die Bemühungen der neuen Behörden um eine Stabilisierung der Wirtschafts- und Sicherheitslage”, heißt es, gefolgt von einem Appell an alle Parteien, den Waffenstillstand einzuhalten.

EU-Gipfel fordert erheblich mehr Gelder für Aufrüstung

In dem am Nachmittag verabschiedeten Teil der Gipfelerklärung wird erneut gefordert, dass die EU-Länder ihre Ausgaben für Aufrüstung “erheblich” erhöhen. Dabei wird auch die beim NATO-Gipfel vom Mittwoch eingegangene Verpflichtung für die NATO-Mitglieder betont, der eine Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung beschlossen hatte.

Der Rat ersucht die Mitgliedstaaten, die Umsetzung der einschlägigen Verpflichtungen selbst zu koordinieren. Generell müsse für die Verteidigung und Sicherheit Europas “gemeinsam besser investiert” werden. Es wird betont, dass “eine stärkere und fähigere Europäische Union im Bereich der Sicherheit und Verteidigung einen positiven Beitrag zur globalen und transatlantischen Sicherheit leisten wird und die NATO ergänzt”. Gefordert wird auch eine rasche Einigung auf die vorgeschlagene Förderung von Investitionen für Verteidigung im EU-Haushalt.

Der EU-Gipfel begrüßt auch die Annahme der SAFE-Verordnung (“Sicherheitsmaßnahmen für Europa”) und die bevorstehende Aktivierung der nationalen Ausweichklauseln im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Ausweichklausel erlaubt die Herausrechnung der für Aufrüstung gemachten Schulden aus den Maastricht-Kriterien. Österreich hat bisher nicht um eine Nutzung der Klausel angesucht, könnte dies aber jederzeit nachholen. Das angekündigte Defizitverfahren könnte damit aber nicht vermieden werden. Die EU-Kommission hatte Österreich Anfang Juni empfohlen, die Ausgaben für Verteidigung zu erhöhen. Die Kommission sieht in ihren im Frühling präsentierten Plänen zur Aufrüstung bis zu 800 Milliarden Euro an Investitionen vor.

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