Engpässe in mehreren Bereichen

Experte: Russland wird unter Putin noch totalitärer – aus Wirtschaftsgründen

Dienstag, 21. Oktober 2025 | 09:00 Uhr

Von: mk

Moskau – Kreml-Despot Wladimir Putin zeigt sich siegessicher und von seiner Linie überzeugt. Doch der Optimismus scheint mehr Programm als Realität zu sein, zumal Russlands Wirtschaft zunehmend unter Druck gerät. Gleich mehrere wichtige Branchen sollen Berichten zufolge ums Überleben kämpfen.

„Der russische Ölsektor arbeitet stabil und plant für die Zukunft. Unsere Unternehmen versorgen nicht nur zuverlässig den heimischen Markt und entwickeln die Ölraffinerie weiter, sondern sie zeigen sich angesichts des schwierigen externen Umfelds flexibel und konnten neue Liefer- und Zahlungskanäle aufbauen“, erklärte Putin beim russischen Energieforum erst kürzlich. Doch die Realität scheint eine andere zu sein.

Schon vor Monaten hat Russland ein Exportverbot für Benzin erlassen. Autoschlangen, die sich vor Tankstellen bilden, kursieren ebenfalls bereits monatelang in den sozialen Medien.

Auch der Export von Rohöl könnte durch den Wegfall wichtiger Handelspartner ins Wanken geraten. Grund dafür sind einerseits westliche Sanktionen. Andererseits hat zuletzt US-Präsident Donald Trump Ländern offen gedroht, die russische Energie beziehen. Indien soll sich dem Druck schon gebeugt haben, andere Öl-Käufer könnten folgen.

„Die Lasten des Krieges werden jetzt strukturell immer weiter in die Wirtschaft und in die Bevölkerung hineinsickern, und es wird für Putin schwer sein, eine Medizin dagegen zu entwickeln. Er wird dadurch wirtschaftlich und politisch an Substanz verlieren“, betont Gunther Schnabl, Direktor des Flossbach von Storch Research Institute, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine werden in verschiedenen Industriezweigen zunehmend sichtbar. In der Kohleindustrie, die 2025 in den ersten sieben Monaten 225 Milliarden Rubel Verluste gemacht hat, häufen sich Insolvenzen. Stellen werden massiv abgebaut und die Nachfrage sinkt.

Auch Bausektor leidet unter fehlenden Aufträgen, wobei die Zahl neuer Wohnbauprojekte stark zurückgeht. Bauentwickler haben ihre Projekte aufgrund zu hoher Kosten verringert oder eingestellt, berichtet die Frankfurter Rundschau.

Die Stahlbranche, die mit rund 600.000 Mitarbeitern ein bedeutsamer Arbeitgeber ist, steht vor dem Kollaps und hat vor Werksschließungen gewarnt.

Staatsfinanzen unter Druck

Um zu überleben, benötigen russischen Firmen verstärkt staatliche Unterstützung – vor allem wegen der hohen Inflation und des hohen Leitzinses. Obwohl die russische Zentralbank den Leitzins zuletzt auf unter 20 Prozent gesenkt hat, sind die damit verbundenen Kreditkosten für die meisten Unternehmen nicht mehr bezahlbar.

Ob der Russlands Haushalt Subventionen hergibt, ist zweifelhaft. Immerhin klaffte 2025 ein Defizit von 5,7 Billionen Rubel auf, das sich in den kommenden Jahren vergrößern könnte.

Auswirkungen auf den Wohlstand

Die wirtschaftlichen Entwicklungen – allen voran die Inflation – wirken sich auch auf den Wohlstand in der Bevölkerung aus. „Das Staatsdefizit, das im Moment 1,87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt, wird steigen, um zwar umso mehr, je stärker der nationale Wohlfahrtsfonds abschmilzt und dessen liquide Komponente ist mittlerweile fast leer“, erklärt Militärökonom Marcus Keupp von der ETH Zürich im ZDF. Er rechnet damit, dass Russland zu einem Staats-Subventionsmodell ähnlich wie zu Sowjet-Zeiten zurückkehrt, wenn Grundnahrungsmittel zu teuer werden. Die Bevölkerung wird damit aber nicht nur ärmer. „Dadurch wird sich auf der totalitäre Durchgriff der Elite um Putin auf den Staat intensivieren“, warnt Keupp.

Gleichzeitig habe Putin die Kriegswirtschaft mittlerweile zum russischen Geschäftsmodell erhoben, die sich nicht von heute auf morgen einfach so wieder abstellen lasse. Deshalb sei es nicht nur für die Ukraine, sondern auch für den gesamten Westen wichtig, Russland die Stirn zu bieten.

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