„Demokratie und Frieden sind leider nicht selbstverständlich“

Florian Gasser beim „Weltforum für Demokratie“ im Europarat

Samstag, 11. November 2023 | 17:53 Uhr

Straßburg – Das Weltforum für Demokratie 2023 fand diese Woche vom 6. bis 8. November im Europarat und dem EU-Parlament in Straßburg statt. Dabei kamen Politiker, Aktivisten, Experten und junge engagierte Menschen aus der ganzen Welt zusammen, um darüber zu diskutieren, wie die Demokratie den Frieden besser gewährleisten kann. Das diesjährige Thema lautete „Demokratie = Frieden?“ – eine hochaktuelle Frage in einer Zeit, in der der Krieg auf den europäischen Kontinent und in den Nahen Osten zurückgekehrt ist, die Demokratie vielerorts bedroht ist, die Ungleichheiten zunehmen, die Politik sich zunehmend polarisiert und die Regierungen mit neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel, Pandemien und der Verbreitung von Fake News und schnell entwickelnden neuer Technologien wie KI konfrontiert sind.

Bei der Begrüßungszeremonie sagte die Generalsekretärin des Europarates, Marija Pejčinović Burić: „Ich glaube an die Demokratie. An die Demokratie zu glauben, bedeutet, an Offenheit, Transparenz und Diskussion zu glauben. Wir müssen uns also nicht nur fragen, ob Demokratie gleichbedeutend mit Frieden ist, sondern auch, ob sie immer noch so effektiv ist, um Frieden zu schaffen, wie sie es früher war. Und wenn nicht, warum nicht, und was können wir dagegen tun?“

Mit dabei war auch der Feldthurner Verhaltensforscher und YEPP-Vizepräsident Florian Gasser, der als Teil der im Warschauer Sicherheitsforum 2023 ausgezeichneten Delegation der „Academy of Young Diplomats“ eingeladen wurde (wir berichteten).

„Es geht oft vergessen, dass demokratische Mitbestimmung und Frieden auf der Welt nicht einfach so gegeben sind. Wir müssen uns kontinuierlich um den Erhalt und die Verbesserung einsetzen, um län-gerfristig in Frieden leben und die Freiheiten die mit der Demokratie einhergehen, ausüben zu können. Engere Kooperationen, wie es die Europäische Union ermöglicht hat, hat innerhalb der Mitgliedsländer seit über 70 Jahren für Frieden gesorgt. Die offenen Fragen sind, wie schaffen wir es auch über diese Grenzen hinweg Frieden zu fördern und auch den Frieden, den wir innerhalb der EU bisher geniessen durften, auch längerfristig zu festigen?“, so Gasser.

Dieses Jahr standen neben den Plenarveranstaltungen zehn Laborsitzungen und zwölf Forumsgesprä-che im Fokus. Dabei waren Themen wie beispielsweise „Die Wahrheit über Kriegsverbrechen – Nutzung elektronischer Beweise und offener Quellen“; „Frauen, Demokratie und Frieden“; „Der demokratische Übergang im Sudan ist gescheitert“; „Pressekarikaturisten: ein Beruf in Gefahr“; „Kabul von innen“ und die Diskussion über den Film „Sieben Winter in Teheran“ mit der Mutter der zum Tode verurteilten Reyhaneh Jabbari, über deren tragischen Schicksal der Film handelt.

„Ich selbst habe mich vor allem bei den vier Themenbereichen ‚Die vierte Gewalt‘, ‚Ökonomie des Friedens‘, ‚Transparenz und Verantwortung‘ und ‚Soziale Gerechtigkeit und Gleichheit‘ eingebracht. Bei der Debatte, um die vierte Gewalt ging es um Projekte, die z.B. Bürgerkomitees einsetzen, die nicht nur beratend zum Einsatz kommen sollten, sondern auch in gewissen Kompetenzen Mitsprache- und Kontrollrecht hätten. In dieser Debatte konnte ich noch die Problematik, der bisweilen häufig sehr kurzfristig orientierten Politik einbringen, da häufig nur von Mandat zu Mandat geplant wird und so dringend notwendige Entscheide ständig verschoben werden. Dies führte zu einem sehr spannenden Austausch mit dem ehemaligen Premierminister von Griechenland George Papandreou und dem süd-koreanischen Prof. Byong-Jin Ahn, die auch hier Hilfsmittel der deliberative Demokratie als potenziellen Lösungsansatz sehen, um längerfristige Ziele stärker in die Gesetzgebungen miteinzubringen. Beim Thema der Transparenz und Verantwortung ging es um konkrete Vorschläge, wie wir FakeNews und Missinformationen verhindern können, denn diese werden oft gestreut, um Gesellschaften zu Spalten und einseitige Machtinteressen durchzusetzen. In der Ukraine gibt es hier beispielsweise die ukrainische Initiative Politscanner, die dabei hilft schnell Informationen über Politiker, deren Programme und deren Beziehungen zu Unternehmen zu erhalten. Solche Initiativen ermöglichen es, Korruption zu reduzieren – eine der grössten Gefahren für eine Demokratie“, so Gasser.

Wie nah die Bedrohung des Krieges ist, wurde den Teilnehmenden auch dadurch klar vor Augen ge-führt, weil der Journalist Mohammad Al-Jaja, der als Redner eingeplant war nicht im Europarat er-schienen ist. Der Grund wurde erst während der Konferenz klar. Er und seine Familie sind am Tag vor dem Vortrag in Gaza ums Leben gekommen. Im Plenarsaal des EU-Parlamentes wurde eine Schwei-geminute für die Verstorbenen abgehalten.

Der Demokratie-Innovationspreis des Europarates, der populäre Initiativen unterstützen soll, ging an die Mexikanische Initiative Defensores de la Democracia Living Archive, welches sich dafür einsetzt die Arbeit von getöteten Journalisten in Mexiko zu erhalten, katalogisieren und zusammenfasst. Das Forum wurde vom Europarat in Zusammenarbeit mit der Stadt Straßburg, der Europäischen Gemeinschaft des Elsass, der Region Grand Est und der französischen Regierung organisiert.

Von: mk

Bezirk: Eisacktal