Ein Kommentar

Für ein Europa der Menschen

Donnerstag, 04. Oktober 2018 | 03:38 Uhr

Bozen – Zwischen Rom und Brüssel gehen die Wogen hoch. Seitdem die gelbgrüne römische Regierung beschlossen hat, ihr teures Wahlprogramm, das vom „Bürgereinkommen“ bis zur Flat Tax reicht, umzusetzen, ist Feuer am Dach. Trotz der Warnungen aus Brüssel, Defizitziele und Abkommen einzuhalten, wollen sich in Rom das Duo Salvini und Di Maio nicht darum scheren. Die Milliardengeschenke werden das Haushaltsdefizit auf 2,4 Prozent hochschnellen lassen, was weit über der vereinbarten Höhe liegt.

Nach harten Worten in den letzten Tagen, wo EU-Kommissare als „Terroristen“ beschimpft wurden und in einem Interview selbst ein Ausstieg aus dem Euro erwogen wurde, sind nun alle Seiten wieder um Deeskalation bemüht. Rom verspricht, ab dem übernächsten Jahr das Defizit schnell wieder zu senken. Regierungschef Conte, Salvini und Di Maio hoffen, dass die Ausgaben zu mehr Wachstum führen und Italien sich am Schopf selbst aus dem Schlamassel zieht. Ob das gelingen wird?

APA/APA (AFP)/ANDREAS SOLARO

Kann sein. Fakt ist aber, dass die geltenden Regeln wieder einmal mehr als nur „gedehnt“ wurden. Aber Regeln zählen schon lange nicht mehr. Weder als die Griechenlandkrise begann, noch als die Kanzlerin das „Wir schaffen das“ ausrief und sich ebenfalls nicht um den Rest der EU scherte. Aber egal. Schon seit Beginn der Haushaltskrise schneidet der Hausverstand meist besser ab, als die Regeln.

Es geht um weit mehr, als um die 2,4 Prozent. In der Vergangenheit führten strikte Anwendung von Regeln und Alleingänge wie jener der Kanzlerin zu Desastern wie der Verlängerung der Staatsschulden- und Eurokrise, zur Verschärfung des Migrationsproblems und – so die Meinung vieler Experten – letztendlich zum Brexit. Will die Staatengemeinschaft zusammenbleiben und in Zukunft wieder gedeihen, braucht es mehr Flexibilität und weniger Knute.

APA/APA (dpa/Archiv)/Jens Wolf

Es stehen noch alle Türen offen. Griechenland ist fast durch, Italien bleibt trotz Naserümpfen dabei und die Briten, so man will, kann man auch wieder ins Boot holen. Wir brauchen ein Europa der Menschen und nicht des erhobenen Zeigefingers. Dann sind wir Europäer auch wieder erfolgreich.

Von: ka

Bezirk: Bozen