Tätigkeitsbericht

Gleichstellungsrätin: Komplexität der Anliegen nimmt zu

Mittwoch, 07. Juni 2023 | 07:05 Uhr

Bozen – Am Dienstag hat Gleichstellungsrätin Michela Morandini im Südtiroler Landtag über ihre Tätigkeit im Jahr 2022 berichtet, aber ebenso über die Aktivitäten des Anti-Mobbing-Dienstes und des Südtiroler Monitoringausschusses. Die Abgeordneten stellten dazu Fragen.

Die Tätigkeit von Gleichstellungsrätin Michela Morandini basiert auf drei Säulen. Die erste ist jene der Gleichstellungsrätin. Sie ist Anlaufstelle für geschlechtsbasierte Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Die Tätigkeit des Anti-Mobbing-Dienstes basiert neben Informations- und Beratungsgesprächen und wenn möglich Mediationen zum Thema vor allem auf präventiven Maßnahmen wie zum Beispiel Fort- und Weiterbildungen. Der Südtiroler Monitoringausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dessen Geschäftsstelle bei der Gleichstellungsrätin angesiedelt und dessen Vorsitzende sie ist, überwacht als Primäraufgabe die Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Insgesamt betrachtet war 2022 für die Ombudsstelle Gleichstellungsrätin ein arbeitsintensives Jahr. Die Anzahl der Personen, die sich an sie wandten, ist erneut angestiegen. Ganze 4.000 Kontakte, die sich in 690 konkreten Fallbearbeitungen niederschlugen. Auffallend sei die Zunahme der Anzahl von Männern, die sich an ihr Büro wenden, so Morandini, wenn die absolute Zahl auch noch immer sehr gering sei.

Was die Themen betrifft, wandten sich 44 Prozent mit einer Beratungs- oder Interventionsanfrage in Bezug auf eine Mobbingsituation an die Gleichstellungsrätin. Dabei muss unterstrichen werden, dass es sich dabei um die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und -nehmer handelt. Eine genaue Bestandsaufnahme und mögliche Interventionen wurden in einem Erstgespräch eruiert.

Anliegen rund um das Thema der (Un)Vereinbarkeit von Beruf und Familie machten 34,5 Prozent aus. An dritter Stelle mit 6,6 Prozent lagen Beratungen und Interventionen in Bezug auf sexuelle Übergriffe und Gewalt am Arbeitsplatz. Die restlichen Beratungsanliegen betrafen Gehaltsfragen, Kündigungen u.a.

Alles in allem stellte die Gleichstellungsrätin fest, dass die Komplexität der Fälle angestiegen ist, d. h., dass sich oftmals Personen spät an die Ombudsstelle gewandt haben oder Personen in mehreren Bereichen Schwierigkeiten hatten, sodass Netzwerkarbeit notwendig wurde.

Die Mehrheit der Personen, die sich an die Gleichstellungsrätin wenden, sind Arbeitnehmerinnen, vor allem aus der öffentlichen Verwaltung (40 Prozent), dem Handel (20 Prozent), der Industrie (18 Prozent) sowie dem Gastgewerbe (15 Prozent).

Was den Anti-Mobbing-Dienst betrifft, wurde 2022 ein Schwerpunkt auf dessen Aufbau gelegt. „Neben zahlreichen Beratungen wurde ein Fokus auf Information und Weiterbildung gelegt“, unterstrich die Gleichstellungsrätin. Im September und Oktober 2022 wurde in Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsrat der Autonomen Provinz Trient, Matteo Borzaga, und den Landesbeiräten für Chancengleichheit beider Provinzen eine Tagungsreihe für Arbeitnehmerinnen und -nehmer sowie Arbeitgeberinnen und -geber angeboten. „Die hohe Anzahl der Teilnehmenden und die Rückmeldungen haben gezeigt, wie hoch der Informationsbedarf ist. Eine frühzeitige Information und Intervention ist mitunter das Wichtigste. Darüber hinaus haben Führungskräfte eine wichtige Funktion, sei es in der Prävention als auch in der frühzeitigen Intervention“, unterstrich Morandini.

Was die Tätigkeit des Monitoringausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen betrifft, wurden die zahlreichen Interventionen und Stellungnahmen hervorgehoben. Interveniert wurde beispielsweise zum Thema der Kommunikationsassistenz für Kinder und Jugendliche mit Hörbeeinträchtigung, zu den Kürzungen des Landesfamiliengeldes für Eltern von Kindern mit Behinderungen, der Unterstützung für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in den Berufsschulen nach Abschluss der Grundausbildung, zum Thema der Barrierefreiheit und zur Anpassung des Euregio-Tickets für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen.

Jahresthema des Monitoringausschusses war die Inklusion und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Südtirol. Das Jahresthema, das 2023 fortgesetzt wird, wurde in einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft, drei Studentinnen der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen und dem Kompetenzzentrum für Inklusion im Bildungsbereich an der Universität erarbeitet. Erste Ergebnisse sind im Herbst 2023 zu erwarten und werden dann in einer Tagung vorgestellt.

Die Fragen der Abgeordneten

Als Erster ergriff Riccardo Dello Sbarba (Grüne) das Wort und sprach der Gleichstellungsrätin einen Dank für ihre Arbeit aus. Er erkundigte sich, wie die Gleichstellungsrätin die Auswirkungen und Maßnahmen, die in der Pandemie getroffen wurden, bewerte. Das zweite sei das Mobbing: Gibt es bestimmte Kriterien, wie ein Mobbingfall definiert werden könne? Auch die Grünen erhielten Anrufe zum Thema, und wollten verstehen, wie man sich verhalten könne.

Alex Ploner (Team K) unterstrich, dass er den Monitorinausschuss sehr schätze. Er erkundigte sich nach der Assistenz: Er erhalte Rückmeldungen dazu, dass es Schwierigkeiten gebe, genügend Assistenten, Assistentinnen für Menschen mit Behinderung zu finden. Der zweite Punkt sei die Arbeitsintegration für Menschen mit Behinderung. Negative Rückmeldungen erhalte er auch immer wieder zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Integration in den Schulen, zum Teil auch in den Kindergärten.

Landesrätin Waltraud Deeg betonte, dass die Einbindung der Menschen in die verschiedenen Thematiken wesentlich sei. Ein Punkt, den alle immer wieder beschäftige, seien die Personalengpässe. Die LR bedankte sich für die Arbeit der Gleichstellungsrätin im Monitoringausschuss.

Auch Ulli Mair (Freiheitliche) bedankte sich bei der Gleichstellungsrätin für ihre Arbeit: Sie sei die erste Gleichstellungsrätin Südtirols und habe die Stelle ausgebaut. Die Abgeordnete bemerkte, dass sie heute etwas Neues gelernt habe: Während früher mehr Mobbingfälle in der öffentlichen Verwaltung als im Privaten gezählt wurden, habe sich das Verhältnis mittlerweile gedreht. Doch könne man den öffentlichen Sektor genauer benennen? Handle es sich um die Verwaltung, die Schule, die Sanität?

Magdalena Amhof (SVP) sprach der Gleichstellungsrätin ebenso ihren Dank aus und wies darauf hin, dass deren Aufgabenbereich sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet habe. So wie die Gleichstellungsrätin erklärt habe, gebe es ein sehr diffuses Verständnis von Mobbing. Die Abgeordnete erkundigte sich, ob die Gleichstellungsrätin auch Beratung für Führungskräfte mache. Dies, da in den Betrieben vieles von den Führungskräften abhänge. Schwierigkeiten gebe es noch in der Inklusion am Arbeitsplatz, hier könne man sich bei anderen Gebieten noch etwas abschauen, denn Inklusion könne nie genug geschehen. Doch die Gleichstellungsrätin werde diesbezüglich sicherlich immer wieder mahnen und gute Projekte vorstellen.

Bezüglich der Auswirkungen der Pandemie, so Gleichstellungsrätin Michela Morandini, hätten diese besonders vulnerable Familien bzw. Personen betroffen. Zur Beratung kämen wütende Personen, die den Eindruck haben, sie wären während der Pandemie allein gelassen worden. Es sei eine wichtige Aufgabe der Politik, nun das Vertrauen der Gesellschaft wiederzugewinnen. Zur Definition des Mobbing: Es gibt genaue Kriterien, auch wenn es in Italien kein Mobbing-Gesetz gibt – doch es gibt Gerichtsurteile. Meistens sind es psychologische Formen der Diskriminierung, diese Tätigkeiten müssen mindestens sechs Monate anhalten, mit der Absicht der Person Schaden zuzufügen und mit einer Auswirkung auf die gesundheitliche Situation der Person. Wenn ein Beratungsgespräch beginnt und eine Person spricht von Mobbing, dann schauen wir uns zunächst immer den zeitlichen Ablauf an. Das Straining hingegen ist eine Form der Gewalt, der Diskriminierung am Arbeitsplatz, der nicht zeitlich andauernd ist, zum Beispiel ein Vorfall der sexuellen Gewalt; hierzu gibt es auch ein Gesetz. Zur Assistenz von Menschen mit Behinderung stellte die Gleichstellungsrätin klar, dass damit die Person mit Behinderung zum Arbeitgeber werde und dies ein Richtungswechsel sei. Man habe erst kürzlich ein Treffen mit der neuen Direktorin des Amtes für Arbeitsmarktintegration gegeben, die Stellen im Amt seien aufgestockt werden; das Problem sei in diesem Bereich das Matching. Die Mitarbeiter für Integration in den Schulen seien häufig prekär angestellt, es habe hier wenige Fortschritte gegeben. Die Gleichstellungsrätin bedankte sich bei LR Deeg für die gute Zusammenarbeit. Die Mobbingfälle im öffentlichen Sektor seien zurückgegangen, weil es Vertrauensräte gebe, an die sich Betroffene zunächst wenden könnten. Eine Zunahme der Fälle erlebe sie aber in den Schulen. Die Gleichstellungsrätin erklärte, sie mache auch Beratungen für Führungskräfte – aber sie befasse sich nicht mit Organisationsentwicklung. Abschließend verwies Morandini noch auf ein gemeinsames Projekt mit People First, das am 5. September – dem Tag der Autonomie – vorgestellt, werden soll: eine Broschüre und ein Video in einfacher Sprache, mit dem das Wählen erklärt wird.

Präsidentin Rita Mattei bedankte sich bei der Gleichstellungsrätin für ihre Tätigkeit und wies auf die Komplexität der von dieser behandelten Themen hin. Dies gelte insbesondere für das Mobbing.

Von: mk

Bezirk: Bozen