Von: mk
Bozen – Es wird wieder von Transporten von Kälbern und anderen Nutztieren gesprochen, die in Länder führen, in denen die Tiere auf gröbste und unmenschliche Weise behandelt und schließlich geschlachtet werden. „Das Thema hat internationale Dimension und Südtirol ist, wissend oder nicht, Teil davon“, erklären die Grünen im Südtiroler Landtag.
Bereits 2018 und 2019 waren die Grünen in mehreren Landtagsanfragen den Transporten von Nutztieren, insbesondere Kälbern durch Südtirol bzw. von Südtirol in andere Länder nachgegangen. „Wir haben dadurch erfahren, dass im Jahr 2018 insgesamt 170.432 Rinderbewegungen aus Südtirol stattgefunden haben und dass im selben Jahr insgesamt 15.206 Kälber in der Sammelstelle am Ritten gezählt wurden, die von Österreich, Bayern und auch Südtirol in oberitalienische Betriebe oder Länder wie Spanien oder Polen transportiert wurden“, so die Grünen.
Da laut Auskunft der Landesregierung nicht vorgesehen sei, dass Tiere, die Südtirol ohne Zwischenstopp durchqueren, gemeldet werden, wisse man offenbar nichts über die Anzahl von Nutztieren, die unser Land durchqueren.
„Dieses Unwissen ist immer problematischer, zumal die Enddestination immer öfter Länder sind, in denen Tiere absolut nicht artgerecht behandelt und geschlachtet werden. Das Thema hat internationale Dimension und Südtirol ist, wissend oder nicht, Teil davon“, betonen die Grünen.
Am 18. Februar 2020 berichtete ORF Vorarlberg von internationalen Tierschutzorganisationen, denen es gelungen ist, den Weg von Kälbern aus der EU – auch aus Vorarlberg – anhand von Ohrmarken und Transportpapieren genau zu rekonstruieren und die Schlachtung im Libanon zu dokumentieren.
In den Videoaufnahmen der Tierschützer ist ein Rind aus Lustenau zu sehen, das auf grausame Art und Weise im Libanon geschlachtet wird. Ähnliche Videos oder Fotos zeigen Rinder aus Tirol, Oberösterreich und Deutschland, die dasselbe Schicksal erleiden – wie Zehntausende andere Rinder, die zur Schlachtung aus der EU nach Nordafrika, in die Türkei oder in den Nahen Osten verfrachtet werden.
In den Transportpapieren von Österreich nach Spanien werden genau 18,9 Stunden Fahrtdauer angegeben. Das hängt damit zusammen, dass Transporte dieser Art laut Gesetz maximal 19 Stunden dauern dürfen.
Ein von der Rinderzucht Austria zu Werbezwecken organisierter Transport habe deutlich über 20 Stunden bis zum Zielort gebraucht. Ob derartige Transporte legal sind, prüfen derzeit die Gerichte. Illegal sind die Ferntransporte von Spanien in den Nahen Osten oder in die Türkei oder nach Nordafrika. Da werden seit Jahren Höchstgerichtsurteile ignoriert.
Die männlichen Kälber sind in Österreich wirtschaftlich gesehen praktisch wertlos. In einem weiteren dokumentierten Fall wird ein Tier, das in Oberösterreich geboren wurde, nach etwa drei Wochen zu einer Sammelstelle nach Salzburg gebracht und von dort nach Spanien, wo es sechs bis acht Monate lang gemästet wurde, um dann gewinnbringend in den Libanon verkauft zu werden.
Der Umgang mit Rindern im Nahen Osten ist hinlänglich bekannt und dokumentiert. Damit die Tiere vor der Schlachtung nicht davonlaufen, werden ihnen mitunter die Sehnen durchtrennt oder sogar die Augen ausgestochen. Die Aufnahmen von der Behandlung der Tiere sind mitunter schwer zu ertragen.
Tierschützerinnen und -schützer machen schon seit Jahren auf die Tiertransporte in Drittländern aufmerksam und beklagen das Wegschauen von Behörden und Politik. Dass es überhaupt zu den Kälbertransporten in alle Himmelsrichtungen kommt, liegt nach Ansicht der Tierschützer in der überbordenden Milchwirtschaft mit hochgezüchteten Milchkuhrassen, deren männliche Kälber de facto ein Abfallprodukt sind.
In der Antwort auf die Anfrage Nr. 354/19 der Grünen schreibt Landesrat Arnold Schuler: „Heute werden keine Nutztiere aus Südtirol zu Schlachthöfen in anderen EU-Ländern oder zu Schlachthöfen oder Mastbetrieben in Drittländern verbracht. Zu Mastbetrieben in der EU wurden 2018 insgesamt 2.528 Kälber verbracht.“
Diese Aussage hat der Landesrat in der aktuellen Fragestunde im Landtag am 10.09.2019 bestätigt, allerdings ohne auf die Frage zu antworten, worauf sich diese Behauptung stütze.
Daher stellen die Grünen in einer neuen Anfrage folgende Fragen an die Landesregierung:
Kann (weiterhin?) mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Nutztiere aus Südtirol in Drittländer transportiert werden, die nicht artgerechte Haltung und Schlachtung praktizieren?
Wir fragen ein weiteres Mal, worauf sich diese Annahme gründet.
Von einer Tierschutzorganisation, die Recherchen über Transporte etwa in den Libanon und nach Gaza anstellt, wurde uns gesagt, dass es auch zwei Betriebe aus Südtirol gebe, die sich auf Transporte in den Nahen Osten spezialisiert haben sollen. Hat die Landesregierung bzw. der landestierärztliche Dienst Kunde von dieser Entwicklung?
In der Liste des Gesundheitsministeriums scheinen 14 Südtiroler Betriebe auf, die für die langen Transorte autorisiert sind:
· Rassler Manfred & Co Seestrasse – Renon (BZ)· Vieider & Co KG Bahnhofstrasse – Caldaro (BZ)
· Viehtransporte Neulichedl Schlernstrasse, 28 – Fiè allo Sciliar (BZ)
· Italmex s.r.l. Schwarz.Bach – Nova Ponente (BZ)
· Steiner Gen. B.H. Rungg, 8 – Sarentino (BZ)
· Tammerle Sabine Geyrerweg, 26 – Renon (BZ)
· Gasser Julius Sauders, 44 – Villandro (BZ)
· Agreiter Karl Gschliererweg, 4 – Luson (BZ)
· Ennemoser Michael Rabenstein, 31 – Moso I.P. (BZ)
· Unterholzner Ignaz KG G. Marconistr. 4 – Lana (BZ)
· Riedl Oswald Mittelgasse, 1, Prato allo Stelvio (BZ)
· Waldner Norbert St. Nikolausweg, 12 – Cermes (BZ)
· Hörmann Andreas Laatsch, 26 – Malles (BZ)
· Weger OHG St. Johann, 8 – Val Aurina (BZ)
Die Liste ist auf den 18. Mai 2012 aktualisiert. Inzwischen sind beinahe acht Jahre vergangen. Wurde die Liste der Südtiroler Transportunternehmen mit Autorisierung inzwischen überarbeitet?
Welche Verantwortung hat Südtirol als Durchgangsland für Tiertransporte? Juridische, politische, ethische Verantwortung? Wir bitten um eine eindeutige Stellungnahme der Landesregierung zu diesen drei Aspekten.
„Wir haben sehr wohl Verantwortung dafür, wie Tiere behandelt werden, die unser Land verlassen oder auch ‚nur‘ durchqueren“, so die Einbringerin der Anfrage Brigitte Foppa, „und wir müssen entscheiden, ob wir Teil dieser Praxis sind oder nicht.“