Von: mk
Bozen – Allgemein wird Biodiversität und deren Schutz als erstrebenswertes politisches und gesellschaftliches Ziel anerkannt. Allerdings birgt das Ziel des Arten- und Naturschutzes durchaus auch harte Konflikte. Dies erklären Peter Gasser sowie die Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler von den Südtiroler Grünen.
„Wir sehen dies gerade in den letzten Jahren immer wieder bestätigt, wenn es etwa um Großraubtiere und den Schutz von Mensch und Existenz geht. Südtirol bleibt weder von den international laufenden Debatten noch von der Präsenz der Großraubtiere wie Bär oder Wolf verschont. Ehemals waren sie in unseren Breiten ausgerottet, durch verschiedene Ansiedlungsprogramme kehren sie vermehrt auch bei uns zurück“, betonen die Grünen.
Andere gefährliche Tiere sind aufgrund konsequenten Naturschutzes und breit angelegten Sensibilisierungsprogrammen vor dem Aussterben gerettet worden (man denke nur an Giftschlangen). Neben der positiven Bedeutung für den Artenschutz gebe es aber auch Ablehnung, ja oft sogar Auflehnung gegen die Präsenz von Großraubtieren. „Wir wissen, dass die positive Annahme von diesen Tieren immer dann schwierig ist, wenn die Existenz etwa von Bergbäuerinnen und Bergbauern und deren Nutztieren bedroht ist. Immer wieder wird gefordert, man solle zur Ausrottung zurückkehren (Stichworte: Wolfsfreies Südtirol, Bärenfreies Südtirol). Wir sind überzeugt, dass man diese Konflikte nicht totalitär, sondern – wenn schon – immer gesamtgesellschaftlich lösen muss. Wir fordern daher eine Versachlichung des Diskurses, indem der Umgang mit Großraubtieren einem Managementplan unterworfen wird. Zu diesem Thema haben wir einen Beschlussantrag vorgelegt, der in der laufenden Landtagswoche behandelt wird. Außerdem braucht es Unterstützung des Herdenschutzes, Ausgleichzahlungen für geschädigte Bauern, spezifische Aus- und Fortbildung der Landwirtinnen und Landwirte. Für besonders problematische Fälle ist die Entnahme, wie gesetzlich vorgesehen, kein Tabu“, erklären die Grünen.
Eine ausgewogene Information und Sensibilisierung bette das oft so polarisierend diskutierte Thema von Wolf und Bär in jenes der geschützten und bedrohten Tier- und Pflanzenarten ein. Auch hier bestehe Handlungsbedarf. Damit befasst sich der zweite Beschlussantrag der Grünen Fraktion in dieser Woche.
„Im Landtag nichts Neues“
Die Rückkehr der Großraubtiere in die Alpen sei von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen schon seit geraumer Zeit angekündigt worden. „Das Land Südtirol hätte demnach genug Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten“, kritisieren die Grünen.
Die Grüne Fraktion im Südtiroler Landtag hat seit 2012 immer wieder Beschlussanträge vorgelegt, die den Einsatz einer „Arbeitsgruppe Großraubwild“ forderten (in den Jahren 2012 und 2014). Darin wurde die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Bäuerinnen und Bauern, Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen propagiert. Zudem wurde vonseiten der Grünen Fraktion ein „Managementplan für Großraubtiere“ gefordert (im Jahr 2014). Diese Vorschläge seien von der Mehrheit ein ums andere Mal zurückgewiesen worden.
„Somit traf das Land dieses Ereignis völlig unvorbereitet: Man wartete solange, bis das erste Schaf gerissen wurde und machte sich erst in der Folge Gedanken über Maßnahmen. Angst und Wut hatten zu diesem Zeitpunkt eine sachliche und lösungsorientierte Argumentation bereits sehr schwierig werden lassen. Aber es ist nie zu spät, um die Sache wieder in die Hand zu nehmen und pragmatische, sichere und realistische Lösungen vorzuschlagen. Deshalb wagen wir noch einen Vorstoß mit einem Beschlussantrag, der – nicht zufällig – den Titel ‚Großraubwild: ein Managementplan zum Schutz der Tätigkeiten der Menschen und anderer Tierarten‘ trägt. Neben dem Erhalt der Biodiversität scheint es uns nämlich ein dringendes und wichtiges Ziel, Herdentiere, Landwirte und Landwirtinnen sowie Almwirtschaft zu schützen. Deshalb wollen wir einen Weg aufzeigen, der es ermöglicht, diejenigen, die auf den Almen und Bergbauernhöfen arbeiten, zu unterstützen und der zeigt, dass eine Lösung dieses Problems im Interesse aller Beteiligten möglich ist!“, erklären die Grünen
„Herden schützen, Bergbauern und -bäuerinnen unterstützen“
Die Grünen wollen Bergbäuerinnen und -bauern sowie Herden schützen, „ohne den Wolf ein zweites Mal ausrotten zu müssen“. Auf den Schweizer Almen werde seit über zehn Jahren aktiver Herdenschutz betrieben. „Hirten, Hirtinnen Hunde und Zäune schützen Schafe vor dem Zugriff durch Wölfe. Diese überaus positive Praxiserfahrung ist auf Südtirol zu übertragen, die Kosten muss die öffentliche Hand übernehmen“, fordern die Grünen.
Eine weitere Forderung: „Wolfsrisse, wie wir sie in den vergangenen Wochen erlebten, müssen so bald wie möglich der Vergangenheit angehören.“ Die Schaf- bzw. Almbauern und -bäuerinnen bräuchten jegliche Unterstützung der öffentlichen Hand, um die Herden sorglos auf die Weiden und Almen bringen zu können. „Europaweit wird seit zwei Jahrzehnten intensiv geforscht, wie Weidewirtschaft und Großraubtiere nebeneinander bestehen können. Die Forschenden haben eine Reihe von Punkten definiert, die mittlerweile in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgreich angewendet werden“, betonen die Grünen.
Die Herden müssten geschützt werden. „Dazu ist die Gesellschaft gefordert, gemeinsam mit den Bergbauern und -bäuerinnen Lösungen umzusetzen. Hirtinnen und Hirten, Herdenschutzhunde sowie Zäune verursachen Kosten, die durch die öffentliche Hand zu tragen sind. Die Erfahrungen auf den Schweizer Almen haben gezeigt, dass der Herdenschutz zur Zufriedenheit aller Beteiligten gut funktioniert“, fahren die Grünen fort.
Verluste seien außerdem sofort und unkompliziert zu entschädigen. Sollte es dennoch zu Rissen kommen, dann müssten behördliche Experten und Expertinnen sofort zur Stelle sein und den Schaden erheben. Die Entschädigung müsse von der Behörde in kürzester Zeit an die Bergbäuerinnen und -bauern ausbezahlt werden.
„Ausbildung ist notwendig. Alle Betroffenen wie Försterinnen und Förster, Bergbauern und -bäuerinnen sowie Jägerinnen und Jäger sollen eine gründliche Ausbildung bekommen. Nur durch ein umfangreiches Wissen können gemeinsam erarbeitete Lösungsansätze angegangen und umgesetzt werden“, fügen die Grünen hinzu.
Überwachung der Wolfspopulation
Wölfe und Bären sollten laut den Grünen durch geeignetes Personal des Forstdienstes mit modernsten Methoden ständig überwacht werden. Der Südtiroler Forstdienst sei kapillar organisiert und habe schon heute erfahrene Fachleute in seinen Reihen, die ein Wolfsmonitoring betreiben könnten. „Sollten trotz aller Vorkehrungen auffällige oder problematische Großraubtiere Schäden anrichten, dann braucht es die Möglichkeit, wirksame Maßnahmen wie Vergrämung oder als allerletzte Lösung auch den Abschuss von Tieren schnell und professionell durchzuziehen“, betonen die Grünen.
Der Unmut der Bergbäuerinnen und -bauern sei sehr verständlich, denn es sei bisher anscheinend nicht gelungen, ein Managementkonzept auf die Beine zu stellen. „Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, aber man erwehrt sich nicht des Eindrucks, dass die Bemühungen der zuständigen Landesbehörde von verschiedenen Seiten torpediert werden. Südtirol hat bisher schon viel größere Probleme erfolgreich gelöst. Gesellschaft, Landwirte und Landwirtinnen, Behörde und Politik sollten die wissenschaftlichen Ratschläge aufnehmen, das nötige Geld zur Verfügung stellen, in Ausbildung investieren, die Bergbauern und -bäuerinnen nicht allein lassen und wenn nötig, auch drastische Maßnahmen regelkonform umsetzen“, so die Grünen.
Wissen, was gefährdet ist
Schließlich verweisen die Grünen auch an die Poster, an sich heute die mittleren und älteren Generationen vermutlich erinnern, auf denen eine Auswahl der geschützten und bedrohten Zier- und Pflanzenarten zu sehen waren. „Diese Poster prägten erstens die Bilder und Namen dieser Tiere und Pflanzen ein, waren zweitens auch eine deutliche Aufforderung an alle, hierfür Verantwortung zu übernehmen“, so die Grünen. Heute gebe es neben Postern noch sehr viel bessere Kommunikationsmedien, um dieses Wissen und dieses Bewusstsein für die Natur, die schützenswerte Flora und Fauna zu festigen. In einem Beschlussantrag schlagen die Grünen vor, in diese Stoßrichtung aktiv zu werden: „Unser reicher Landeshaushalt muss auch für jene Lebewesen bereit stehen, die auch in Zukunft Teil des Südtiroler Lebensraum sein sollen.“