Unterstützung hoher Produktionsstandards – grüne Kritik

325 Millionen Euro in fünf Jahren für ländliche Entwicklung

Montag, 13. Februar 2023 | 12:33 Uhr
Update

Bozen – Ein Drittel des EU-Haushalts, nämlich etwa 60 Milliarden Euro, fließen in den kommenden fünf Jahren pro Jahr in die Förderung der Landwirtschaft über die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP). Landesrat Arnold Schuler spricht von “zähen” Verhandlungen in Rom, nach denen am 1. Jänner nun die neue Förderperiode der GAP gestartet ist. Dabei rücken die Leistungen der Landwirte für Umwelt- und Klimaschutz stärker in den Mittelpunkt. Die Kriterien für die neue Periode von 2023 bis 2027 wurden nunmehr festgeschrieben, Landesrat Arnold Schuler und Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer erläuterten die Förderungen für den Agrarbereich und und die Zahlen für Südtirol heute, 13. Februar, bei einer Pressekonferenz. Insgesamt gehen in den nächsten fünf Jahren 325 Millionen Euro für die ländliche Entwicklung nach Südtirol.

Die zwei Säulen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik

Die GAP sieht zwei Fördersäulen vor: Einerseits Direktzahlungen mit einheitlichen Förderkriterien für das gesamte Staatsgebiet. Die zweite Fördersäule betrifft die Förderung der ländlichen Entwicklung (ELR). 64,9 Millionen Euro pro Jahr stehen dafür zur Verfügung – hier legt die EU den Rahmen fest und Südtirol kann innerhalb des staatlichen Strategieplans die eigenen Kriterien für den Einsatz der Fördergelder festlegen (Zahlen im Detail siehe Präsentation im Anhang an diese Pressemitteilung).

“Den größten Anteil der Fördermittel der Ländlichen Entwicklung macht die Ausgleichszulage aus. Die Ausgleichszulage innerhalb der Zweiten Achse der ländlichen Entwicklung gewährt eine Unterstützung aufgrund der Bearbeitungserschwernis landwirtschaftlicher Betriebe in Berggebieten. Die Ausgleichszulage dient somit der Erhaltung der bestehenden Bewirtschaftungssituation und trägt zur Wahrung charakteristischer wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und ethischer Werte bei”, sagt Landesrat Schuler. Langfristig soll dadurch die Erhaltung einer extensiven, naturnahen landwirtschaftlichen Tätigkeit im Berggebiet sichergestellt werden. Schuler liegt vor allem die Förderung und damit der Erhalt der Berglandwirtschaft am Herzen. In den kommenden fünf Jahren werden 97,5 Millionen Euro über die Ausgleichszulage ausbezahlt.

Die zweitgrößte Schnitte des Kuchens geht in Grünland-Förderungen. “Damit ist gemeint, dass Bauern für die umweltfreundliche Bewirtschaftung des Grünlands Geld bekommen. Hier geht es um die Unterstützung der Anwendung von extensiven, umweltverträglichen landwirtschaftlichen Praktiken auf Mähwiesen”, sagt Schuler. Förderfähig sind des Weiteren die Verbesserung des Tierwohls, Haltung von bedrohten Rassen, Vertrieb und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten, Leader-Projekte, Junglandwirte bei der Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebs und der biologische Anbau. Um die Anzahl der biologisch bewirtschafteten Flächen und damit zur Erreichung des Farm-to-Fork-Strategieziels (bis 2030 sind 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in der EU biologisch bewirtschaftet) beizutragen, wurden die Flächenprämien hierfür neu aufgelegt.

Die erste Säule bilden die Direktzahlungen an Landwirtinnen und Landwirte, die – bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen – je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden. Dafür steht noch keine Summe fest, die Landwirte können einzeln darum ansuchen. Die bisherige Greeningprämie entfällt. Neu ist die Umverteilungsprämie, die vor allem den kleinen Betrieben in Südtirol zugutekommen wird. Weiters neu sind Zahlungen für die freiwilligen “Öko-Regelungen”, die sogenannten Eco-Schemes. “Hier gibt es fünf Kategorien, von welchen zwei für Südtirol interessant sind: Einerseits für die Tierhaltung – wer seine Tiere auch auf die Weide bringt, bekommt einen spürbar erhöhten Fördersatz ausbezahlt. Andererseits gibt es Geld für die Dauerbegrünung auf Kulturflächen, also der Bewuchs einer Grasnarbe zwischen den Apfelreihen und im Weingut”, erklärt Schuler.

Landwirtschaftsförderung aus drei Töpfen: EU, Staat, Land

Neben Europäischer Union und Staat unterstützt auch das Land die Landwirtschaft. Seit November hat die Landesregierung in Anlehnung an die EU-Richtlinien Förderkriterien in sechs Bereichen beschlossen.

“Südtirol ist ein Land, das auf EU-Ebene von vielen Regionen beneidet wird. Wir haben eine geringe Abwanderung von den Bergbauernhöfen, unsere Alm- und Weidewirtschaft funktioniert, damit erfüllen die Bergwiesen und -gebiete auch ihre natürliche Schutzfunktion und sind landschaftlich attraktiv für einheimische und ausländische Wanderer”, sagt Landesrat Arnold Schuler. Das alles gelte es zu erhalten. Die Arbeit der Bauern sei mehr als alle anderen Sektoren von vielen äußeren Einflüssen abhängig, so dass die Freude an ihrer Arbeit, der Verbleib auf ihren Höfen und letztlich die Sicherung ihrer Existenz auch durch öffentliche Unterstützung gewährleistet werden müsse.

Für den Erhalt von Natura-2000-Lebensräumen und -Arten sind im neuem GAP- Strategieplan 2023-2027 zwei Maßnahmen vorgesehen, die einen wesentlichen Schritt in der Umsetzung von Natura 2000 darstellen. Landschaftspflegeprämien fördern die extensive Bewirtschaftung von Natura-2000-Lebensräumen und von Lebensräumen der Natura-2000-Arten; Investitionsmaßnahmen unterstützen die Aufwertung und die Erhaltung von Natura-2000-Lebensräumen und -Arten. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Umsetzung von Natura 2000, sondern kommen auch vielen anderen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten zugute. Gleichzeitig wird auch die traditionelle Kulturlandschaft erhalten und aufgewertet. “Wir sind stolz darauf, dass auch außerhalb der Natura-2000-Gebiete künftig erhöhte Prämien für diese Eingriffe und Maßnahmen ausbezahlt werden können”, sagt Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer.

“Insgesamt stehen für den Erhalt von Natura-2000-Lebensräumen und -Arten 18 Millionen Euro zur Verfügung”, erklärte Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer. “Die biologische Vielfalt zu fördern und die Kulturlandschaft zu erhalten und aufzuwerten sind Kernaufgaben der Gesellschaft. Es handelt sich daher um wichtige Investitionen für die Gegenwart und die Zukunft.”

Grüne: 300 Millionen Euro gehen an Klimazielen 2040 vorbei

„Die Erwartungen unsererseits waren groß, das Ergebnis des Landwirtschaftsfonds für den ländlichen Raum (GAP) ist aber eine Bruchlandung“, erklärt der Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler von den Grünen. Das von der Landesregierung soeben beschlossene 300 Millionen schwere landwirtschaftliche Förderprogramm berücksichtige weder die Ziele des Klimaplans Südtirol 2040, noch seien die geplanten Maßnahmen einem Klimacheck unterworfen.

Angesichts der gewaltigen Herausforderungen sei das vorliegende Programm eine herbe Enttäuschung, so die Grünen. „Eine erste Analyse zeigt auf, dass 260 Millionen Euro oder 80 Prozent der Gelder einen negativen oder bestenfalls neutralen Effekt auf Klima- und Biodiversitätsschutz haben. Lediglich 60 Millionen Euro oder 20 Prozent der Geldmittel haben klimapositive Effekte. Genau umgekehrt hätte aber die Aufteilung der 300 Millionen Euro erfolgen müssen“, betonen die Grünen.

Laut Klimaplan 2040 müssten bis zum Jahr 2030 der landwirtschaftliche Ausstoß an Methan um 30 Prozent und der Ausstoß an Lachgas um 50 Prozent reduziert werden. Beide Ziele seien mit dem vorliegenden Plan unerreichbar, denn der Schwerpunkt der finanzierten Maßnahmen liege wie bisher auf Wettbewerbsfähigkeit und Intensivierung sowie Wachstum und Mechanisierung. „Eine Reduzierung des Rinderbestandes um 30 Prozent, wie es im Klimaplan vorgesehen ist, sucht man im Landwirtschaftsfonds vergeblich“, so die Grünen.

Einziger Lichtblick im Landwirtschaftsfonds scheine das Ziel, den Biolandbau bis 2030 auf 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zu erhöhen. Dies entspräche einer Verdoppelung der heutigen Obstbaufläche oder einer Vervierfachung der Wiesenflächen. „Dieses Ziel unterstützen wir voll und ganz, mit den vorgesehenen 60 Millionen Euro ist es aber unerreichbar. Landesrat Schuler hat mit diesem Programm die Chance für einen wirksamen Klima- und Biodiversitätsschutz leichtfertig vertan“, sagen die Landtagsabgeordneten Hanspeter Staffler, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba.

Von: mk

Bezirk: Bozen