Von: luk
Bozen – Der Tod des kurdischen Flüchtlingsjungen Adan am 8. Oktober in Bozen hat in Südtirol große Betroffenheit ausgelöst.” Dies sollte die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dazu anhalten, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Die zuständige Landesrätin Martha Stocker aber, weist mit Argumenten, die den Tatsachen widersprechen, alle Verantwortung von sich”, so die Grünen in einer Aussendung.
1. Im Interview mit der Tageszeitung ist nachzulesen, dass LR.in Stocker erst am 6. Oktober von dem Fall erfahren habe, und dass „von keiner Seite ein Antrag kam, die Familie in einer offiziellen Struktur unterzubringen“. Fakt ist jedoch, dass es praktisch jeden Tag Anfragen gab, die Familie unterzubringen. Neben Freiwilligen und Vereinen hat selbst der Sanitätsbetrieb bereits am 4. Oktober, als der Bub aus dem Krankenhaus entlassen wurde, an öffentlicher Stelle eine Unterkunft für ihn und seine Familie gefordert.
Hier nochmals die Faktenlage: Am 4. Oktober um 10:09 morgens hat die Koordinatorin des STP- Ambulatoriums und Beauftragte des Sanitätsbetriebs für Flüchtlinge per E-Mail den Betrieb für Sozialdienste Bozen und das Landesamt für Sozialsprengel darüber informiert, dass Adan entlassen werde und er mit seiner Familie noch keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hätten. Die Koordinatorin bat Land und Sozialdienste schriftlich, eine Unterkunft für die Familie bereitzustellen. Der E-mail-Anhang enthielt die Entlassungsbescheinigung aus dem Krankenhaus, in der Dr. Federico Mercolini feststellt: “è affetto da distrofia muscolare di Duchenne, complicata da candiopatia dilatativa. Soffre inoltre di difetto di glucosio-6-fosfato- deidrogenasi. La patologia di Abdullah è molto complessa, invalidante e necessita di stretto monitoraggio e cure continue”. Seit dem 4. Oktober also waren die zuständigen Landesämter über Gesundheitszustand des Jugendlichen informiert und die Sozialdienste der Landesabteilung wurden um eine Unterkunft gebeten.
2. In der Pressekonferenz am 10. Oktober bzgl. der Entlassung aus dem Krankenhaus betonte LR.in Stocker mehrmals, es habe sich um eine „geschützte Entlassung“ gehandelt. Wenn sich Landesrätin Stocker hierbei auf das offizielle Vorgehen der „geschützten Entlassung“ bezieht, scheint dies jedoch nicht auf. Eine geschützte Entlassung sieht besondere Umstände für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus vor. Darunter eine enge Betreuung durch Hausarzt und Krankenpflegedienste. Vor allem wird davon ausgegangen, dass der Patient ein Zuhause habe wo er ordentlich versorgt wird. Genau weil es an all dem fehlte, hat die Koordinatorin die Landesämter kontaktiert, mit der dringenden Bitte, eine Unterkunft bereitzustellen. Adans Familie hatte keinen angemeldeten Wohnsitz, keinen Hausarzt und auch keine geeignete Unterkunft, wo der Bub ordentlich versorgt hätte werden können, so wie es eine geschützte Entlassung eigentlich vorsieht.
3. Die Landesrätin behauptet, dass die Familie stets eine Unterkunft gehabt hätte. Dabei unterschlägt sie jedoch, dass die verschiedenen Unterbringungen nicht die zuständigen Institutionen bereitstellten, sondern von Freiwilligen durch eine Spendensammlung organisiert wurden. Südtirols FlüchtlingshelferInnen müssen deshalb aktiv werden, weil viele Institutionen entweder ihrem Auftrag nicht nachkommen oder zu langsam und bürokratisch arbeiten. Darüber hinaus erwähnt die Landesrätin nicht, dass diese Unterkünfte nur provisorisch waren: eine Nacht hat die Familie auf dem Boden eines Jugendzentrums verbracht. Eine angemessene Unterbringung für ein schwer krankes Kind hätten nur die öffentlichen Institutionen gewährleisten können – und müssen. Deshalb ist es inakzeptabel, dass LR.in Stocker kontinuierlich wiederholt, dass die öffentliche Hand aus dem Grund untätig geblieben sei, weil sich Privatpersonen auf freiwilliger Basis um die Familie gekümmert haben. Freiwillige haben gehandelt, weil und nachdem die öffentliche Hand eben nicht reagiert hat. Wer behauptet, sei es JournalistInnen, oder PolitikerInnen wie Ulli Mair, dass die Freiwilligen „die Öffentlichkeit früher benachrichtigen“ mussten, äußert sich, ohne die Fakten zu kennen.
4. „Ich habe immer mein Gesicht hingehalten“, sagt Stocker im Interview vom 12.10. Selbst das stimmt nicht. Die Landesrätin hat in dieser Woche nicht ein einziges Mal die direkte Auseinandersetzung mit einem kritischen Gegenüber akzeptiert, u. a. hat sie das Pro & Contra auf RAI –Südtirol abgelehnt, um dann allein im Mittagsmagazin aufzutreten. Sie reagiert auf Kritik mit Gegenvorwürfen und Defensivhaltung. Gerade in der gegenwärtigen Situation kann dies nicht akzeptiert werden.
5. Abschließend sei noch angemerkt: Die Landesrätin wiederholt in diesen Tagen immer wieder, dass das Landesrundschreiben von 2016, welches die Aufnahme von geflüchteten Menschen stark einschränkt (und dessen Rücknahme selbst vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gefordert wurde), der Aufnahme dieser Familie nicht im Wege gestanden hätte. Wenn nun das restriktive Rundschreiben tatsächliche die Aufnahme dieser Familie erlaubt hat, ist dies umso schwerwiegender, da die Familie eben gerade nicht aufgenommen worden ist.
“Wie das Schicksal des kleinen Adams ausgegangen wäre, hätte er rechtzeitig eine angemessene Unterbringung bekommen, kann niemand wissen. Eines ist aber sicher, mit dem problematischen Rundschreiben wird eine Haltung vorgegeben, die die gesamte Aufnahmepolitik des Landes kennzeichnet, nämlich die heimliche Parole „So wenig wie möglich“. Ganz so, als ob die knappe Bettenanzahl in einer Bozner Flüchtlingsunterkunft jene Menschen, die wegen Armut, Krieg und Hunger in Afrika oder Asien aufbrechen, davon abhalten könnte, in unser Land zu kommen. Nicht nur Landesrätin Stocker ist für diese fehlgeleitete und unbedachte Flüchtlingspolitik verantwortlich, sondern die gesamte Landesregierung”, so die Grünen