Gurgiser geht mit der Transitpolitik hart ins Gericht

Gurgiser geißelt Transit-“Gipfel”: “Schmäh-Sackhüpfen”

Montag, 15. September 2025 | 14:30 Uhr

Von: apa

Drei Tage vor dem “Tiroler Transitgipfel” mit Brennerbasistunnel (BBT)-Erkundungsstollen-Durchschlagsfeier übt Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser scharfe Kritik. “Das ist ein steuerlich hochsubventioniertes Schmäh-Sackhüpfen. Ein Treffen der Pro-Transit-Lobbyisten”, sagte Gurgiser im APA-Gespräch. Jahrzehntelang werde mit Milliarden Euro die “Verlagerung” auf die Schiene in Aussicht gestellt, in Wahrheit aber hintertrieben. Es brauche Rechnungshofprüfungen auf allen Ebenen.

Er habe “null Erwartungen” an “dieses X-te Brennerbasistunnel-Gipfelhüpfen der Anti-Verlagerungs-Bewegung. Ob im Landhaus in Innsbruck oder medial hübsch behelmt im Tunnel”, kam beim Transitforum-Austria-Tirol-Obmann alles andere als Begeisterung auf. Und zwar weder angesichts des Tunnel-Festakts auf Südtiroler Seite Donnerstagnachmittag unter anderem mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, ihrem Verkehrsminister Matteo Salvini und Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) noch der Transit-Unterredungen zuvor in Innsbruck mit etwa Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas und Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ). Die “viel zerredete Verhandlungsmasse” liege nicht in den Händen der am Donnerstag teilnehmenden Politiker, sondern “diese liegt beim Europäischen Gerichtshof”, spielte Gurgiser auf die dort eingebrachte Transit-Klage Italiens gegen Österreich wegen der Tiroler Maßnahmen und Lkw-Fahrverbote im Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr auf der Brennerstrecke an. Meloni müsste schon etwa ankündigen, die Klage zurückzuziehen, damit wirklich etwas Nennenswertes und Relevantes herauskomme – aber dies werde natürlich nicht passieren. Als verlaufe die “Schmäh-Sackhüpferei und Tunnel-Landhaus-Party” nach dem Motto: “Aktivität vortäuschen.”

“Die Marie ist weg. Verlagert ist nix.”

Seit Jahrzehnten laufe eine “polit-mediale Gehirnwäsche”, die immer nur suggeriere, dass es darum gehe, ob “ein Bau wie der Brennertunnel” rechtzeitig fertig wird und ob er mehr kostet. “Nie geht es um die tatsächliche Ursache des Transitproblems: Weshalb nur Milliarden an Steuergeldern ‘verlagert’ werden. Und dass die, die Steuergeld verlagern, dieselben sind, die die Straße für den Gütertransport im Wettbewerb mit der Schiene besser stellen”, griff Gurgiser, der dem Transitforum mehr als 30 Jahre lang vorsteht, die verantwortlichen Politiker an. “Deshalb ist der Brennerbasistunnel ein Generationenverrat. Und in Bezug auf die versprochene Verlagerung das teuerste europäische Ablenkungsprojekt”, erklärte Tirols oberster Anti-Transitkämpfer. “Die Marie ist weg. Verlagert ist nix”, zog Gurgiser ein wortgewaltiges Fazit. “Rein baulich” und von der Grundidee her sei der BBT zwar ein tolles Projekt, aber das sei zu wenig.

Auch jetzt – vor dem Transit-“Großkampftag” am Donnerstag – laufe schon wieder die “politisch-mediale Ablenkung”, kritisierte der Transitforum-Chef: “Tunnel-Durchstich, Slotterei (Lkw-Slot-System mit buchbaren Fahrten, Anm.) und so weiter. Nur nicht Rahmenbedingungen schaffen.”

Sonderprüfungen der Rechnungshöfe gefordert

Gurgiser forderte ein Einschreiten der Rechnungshöfe in Bund, Land Tirol und EU. Alle drei Kontrollbehörden müssten jeweils eine “Sonderprüfung” des Brennerbasistunnel-Projekts in die Wege leiten – und zwar hinsichtlich der “Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit” die immensen Investitionen betreffend. Denn: “Trotz Milliardeninvestitionen in die Eisenbahn wie bei der Bahnumfahrung Innsbruck, der Neuen Unterinntalbahn und der BBT-Baustelle erfolgt keine Verlagerung von der Straße auf die Eisenbahn. Und das seit bereits 35 Jahren. Keine einzige Lkw-Ladung.” Der Beweis der Nicht-Verlagerung laute: “Der Lkw-Transit über den Brenner hat vom hohen Niveau 1990 bis heute um 196 Prozent zugelegt. Der Eisenbahngütertransport von niedrigem Niveau nur um 100 Prozent.” Leider hätten auch die Rechnungshöfe in den vergangenen 35 Jahren “weggeschaut”.

Österreich müsse, um in Sachen Transit voranzukommen, auf EU-Ebene wiederum endlich einmal ein Veto bei anderen Fragen einlegen bzw. “mit der Verkehrsfrage junktimieren.” “Das Wort ‘Veto’ ist hierzulande offenbar ein Fremdwort”, sah Gurgiser auch hier ein grobes Versäumnis. Andere Länder hätten damit zur Wahrung ihrer Interessen kein Problem – das zeige ein Blick in die Geschichte.

Verlagerung, fairer Wettbewerb, Verursacherprinzip, Kostenwahrheit

Am enormen Transitaufkommen auf der Brennerstrecke werde sich auch in 20 Jahren noch nichts verändert haben, wenn man nicht endlich die Ursachen ins Visier nehme – und nicht entweder weiter vortäusche oder nur Symptome bekämpfe. Und dem “Höllendruck von Industrie und Frächtern” nachgebe. Alle rechtlichen Möglichkeiten wären dafür gegeben – auf allen Ebenen. Was es brauche, sei eine echte Verlagerung, fairen Wettbewerb, das Verursacherprinzip und Kostenwahrheit. Dazu brauch es unter anderem einen europäischer Mindestkollektivlohn für Transitfahrer, das Ende der “steuerschonenden Auslagerung von Lkw”, die Belastung des Lkw-Verkehrs gemessen an den “Schäden, die er verursacht” sowie den Umstieg von den Förderungen für die “tote” Rollende Landstraße (RoLa) auf “Container-, Ganzzugs- und Spezialtransport-Eisenbahnverkehr”.

Europarechtsexperte Obwexer mahnt Beginn von Verhandlungen ein

Der Europarechtsexperte Walter Obwexer mahnte unterdessen bereits jetzt den Beginn von Verhandlungen zu einer Transitreduktion durch Österreichs Politik ein – auch für die Zeit nach Inbetriebnahme des Brennerbasistunnels im Jahr 2032. Der Besuch des EU-Kommissars am Donnerstag sei eine gute Gelegenheit, Verhandlungen aufzunehmen, so Obwexer gegenüber dem ORF Tirol. Ein Hoffnungsschimmer sei etwa das erwähnte “Lkw-Slot-System”, das “technisch” zu einer Reduzierung der derzeit 2,5 Millionen jährlichen Lkw-Fahrten führen könne. Um die rechtlichen Regelungen dafür auf den Weg zu bringen, sollte man jetzt damit anfangen. Denn die EU müsste eine solche Reduzierung erst erlauben, wenn es entsprechende Ausweichmöglichkeiten auf der Bahn gibt, da es sich um einen Eingriff in den freien Warenverkehr handle. Auch die noch immer mehr als stockenden Zulaufstrecken im Norden und Süden sollten ein Gesprächsthema mit Tzitzikostas sein.

Obwexer ortete jedenfalls in der gesamten Transitfrage auch Versäumnisse seitens der heimischen Politik. So habe man es etwa seinerzeit verabsäumt, eine sogenannte “Verlagerungspflicht” des Gütertransports auf die Schiene einzufordern. Vor dem Bau des BBT habe Österreich von der EU dahingehend keine verbindliche Zusage für die Zeit nach der Fertigstellung verlangt. Diese Zusicherung werde man jetzt auch nicht mehr bekommen, war sich der Europarechtler und oftmalige rechtliche Berater des Landes Tirol sicher. Tirols Regierungsspitze um Mattle hatte nichtsdestotrotz eine solche Verlagerungspflicht in jüngerer Vergangenheit deutlich ventiliert.

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