„Haut ab! Verschwindet nach Moskau!“ – VIDEO

Heftiger Widerstand: Putin will „Volksrepublik“ errichten

Montag, 14. März 2022 | 08:22 Uhr

Kherson – Meldungen zufolge soll Russland planen, nach dem Vorbild der beiden separatistischen „Volksrepubliken“ im Donbass auch in den besetzten Gebieten der Ukraine eine „Volksrepublik“ zu errichten, wobei zu diesem Zweck ein „Referendum“ vorbereitet werden soll.

Die Besatzer schrecken auch nicht davor zurück, Bürgermeister, die sich weigern, mit den Truppen der Russischen Föderation zusammenzuarbeiten, zu verhaften und Personen des öffentlichen Lebens, die als „russlandfeindlich“ angesehen werden, festzusetzen. „Dissidenten werden von Haus zu Haus gesucht und weggebracht“, so ein Journalist. Allerdings vermögen selbst Verbote, Schüsse in die Luft und immer unverhülltere Drohungen nicht, den Widerstand der Bevölkerung zu brechen. Mit großen Demonstrationen, bei denen die Freilassung ihrer Bürgermeister gefordert wird, bekunden die Ukrainer auch in den besetzten Gebieten die Treue zu ihrem Land.

In Kherson, der einzigen Großstadt, die die russischen Truppen bisher einnehmen konnten, beabsichtigt Russland offenbar, ein „Referendum“ abzuhalten. Ausgehend von diesem wichtigen Hafen und Verkehrsknotenpunkt am Schwarzen Meer soll Moskau planen, nach dem Vorbild der in den Jahren 2014 und 2015 geschaffenen „Volksrepubliken“ in Donezk und Luhansk auch die von den Truppen der Russischen Föderation besetzten Gebiete in eine „Volksrepublik“ zu verwandeln.

„Die Russen verständigen alle Abgeordneten des Rats des Oblasts von Kherson und fragen sie, ob sie dazu bereit seien, bei der Gründung dieser neuen ‚Volksrepublik‘ mitzuwirken“, so ein Mitglied der lokalen Oblastregierung, Serhiy Khlan. „Ich bin sicher, dass ihr die Konsequenzen eurer Entscheidung nachvollziehen könnt. Die Schaffung einer ‚Volksrepublik‘ würde unsere Stadt in einen Ort ohne Hoffnung, ohne Leben und ohne Zukunft verwandeln. Das ganze Land schaut auf uns. Für die Annahme dieses ‚Angebots‘ gäbe es keine Entschuldigung. Geht nicht als Verräter in die Geschichte der Ukraine ein, sondern als Bürger, deren Namen noch Generationen von Ukrainern in Erinnerung bleiben werden“, mahnt Serhiy Khlan in einem eindringlichen Appell seine Ratskollegen.

Twitter/Russia Ukraine Live

„Da die Russen über keinen Rückhalt in der Bevölkerung verfügen, wird das ‚Referendum‘ ein völliger Schwindel sein. Sollten die Russen dieses Vorhaben umsetzen, werden gegen Russland weitere strenge Sanktionen erforderlich sein. Die Stadt Kherson ist und wird immer ukrainisch sein“, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba über die vermuteten Pläne von Putin. Präsident Wolodymyr Selenskyj drohte möglichen „Kollaborateuren und Unterstützern Russlands“ in der Ukraine. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Todesurteil.

Darauf, dass diese vermeintlichen Pläne Russlands nicht aus der Luft gegriffen sind, deuten viele Indizien hin. Am Freitag wurde der demokratisch gewählte Bürgermeister der in der Südukraine gelegenen, 153.000 Einwohner großen Stadt Melitopol, Ivan Fedorov, von einer zehnköpfigen Gruppe russischer Soldaten verhaftet und weggebracht. Ivan Fedorov hatte sich geweigert, mit den russischen Truppen zusammenzuarbeiten. An seiner Stelle setzte die russische Militärverwaltung eine ehemalige Stadträtin als neue, den Besatzern ergebene „Bürgermeisterin“ von Melitopol ein. Über den Verbleib von Ivan Fedorov ist nichts bekannt. In der Ukraine wird befürchtet, dass Fedorov gefoltert wird. Am Sonntag wurde auch der Bürgermeister der Kleinstadt Dniprorudne von russischen Soldaten oder Polizeikräften festgenommen.

Twitter/Dmytro Kuleba, Ivan Fedorov

Wie der Journalist Konstantin Ryzhenko berichtet, geraten aber nicht nur die Bürgermeister und die Mitglieder von Lokalverwaltungen, sondern auch Journalisten, ehemalige Offiziere, politische Aktivisten und allgemein Personen des öffentlichen Lebens, die als „russlandfeindlich“ gelten, in das Visier der russischen Besatzer. „Seit einigen Tagen gehen Mitglieder der russischen Nationalgarde von Haus zu Haus und nehmen Personen mit. Da sie nur an den Türen bestimmter Adressen klopfen, scheinen sie offenbar über Namenslisten zu verfügen“, erklärt Konstantin Ryzhenko, der hinzufügt, dass auch er selbst gesucht werde.

Twitter/NAQA_Ukraine

Aber die Ukrainer haben keine Angst. In einer Resolution wies der Oblastrat von Kherson das russische Referendumsvorhaben zurück. Auf den Straßen der 290.000 Einwohner großen Stadt kam es am Wochenende zu lautstarken Protesten, bei denen die Stadtbewohner mit blaugelben Fahnen und Sprechchören ihre Treue zur Ukraine bekundeten. Selbst russische Nationalgardisten, die, um die Demonstranten einzuschüchtern, von ihren Panzerfahrzeugen aus in die Luft schossen, konnten die wütenden Protestierenden kaum beeindrucken. „Haut ab! Verschwindet nach Moskau! Faschisten! Ihr seid Bestien!“, tönte es aus der Menge, die mit einer Demonstration für die Ukraine den Jahrestag der Befreiung ihrer Stadt von den Truppen Hitlers feierte.

Auch in Melitopol fand eine große Demonstration statt. Die Ukrainer forderten lautstark die Befreiung und Rückkehr des verhafteten Bürgermeisters. Aufgrund des Widerstands der Bevölkerung scheint die Umsetzung des Plans der Schaffung einer „Volksrepublik von Moskaus Gnaden“ mehr als fraglich. Das Verhalten der Bewohner der südukrainischen Stadt, die selbst unter Besatzung ihrem Land die Treue halten, zeigt, dass es unmöglich ist, den Ukrainern – einem Volk mit 44 Millionen Einwohnern – eine von ihnen nicht gewünschte Herrschaft aufzuzwingen.

Von: ka