Von: ka
Gsies – Selbst Tage nach dem unglaublichen Angriff mit Pfefferspray kann der 55-jährige Hüttenwirt der Kaser Alm in Gsies, Alfred Selbenbacher, noch immer nicht glauben, was passiert ist. „Ich sah alles schwarz und dachte, ich wäre geschlagen worden. Auch mein minderjähriger Sohn wurde verletzt. Ich denke ans Aufgeben. Das Land muss Grenzen setzen, denn Geld ist nicht alles“, so Selbenbacher gegenüber dem Corriere dell’Alto Adige.
„Wenn vier Männer in die Berge gehen und Pfefferspray mitnehmen, bedeutet das, dass sie absichtlich aufgebrochen sind, um anderen Probleme zu bereiten. Das sind Leute, die Ärger suchen, denn kein anderer Tourist führt so etwas mit sich, hier bei uns gibt es schließlich keine Bären“, meint der Hüttenwirt. Der unglaubliche Vorfall wurde angeblich durch ein banales Missverständnis bei einer Bestellung ausgelöst – ein Gericht sei zu spät gekommen – und gipfelte darin, dass dem 55-jährigen Hüttenwirt mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wurde. Die vier beteiligten Touristen – ein 51-Jähriger, ein 63-Jähriger und zwei Jugendliche, allesamt aus Verona – wurden wegen Körperverletzung angezeigt.
Der Angriff befeuert die Debatte über Overtourism und die zunehmenden Spannungen, die diesen Sommer in den Dolomiten zu beobachten sind. Alfred Selbenbacher, dem eine Heilungsdauer von einer Woche bescheinigt wurde, denkt darüber nach, seine Arbeit als Hüttenwirt aufzugeben. „Ich habe Kopfschmerzen und sehe auf einem Auge nicht gut“, erklärt der 55-Jährige, der bis zu diesem fatalen Donnerstag mit Leib und Seele Hüttenwirt war.
„Ja, ich denke ernsthaft darüber nach. Es ist etwas Schlimmes passiert, das ich nicht vergessen kann. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft. Ich bin hier geboren, liebe die Berge und mache diese Arbeit gerne. Es kommen viele nette Leute. Sie wissen gar nicht, wie viele Gäste mich in den letzten Tagen angerufen oder mir geschrieben haben, um zu fragen, wie es mir geht. Das muntert mich ein wenig auf. Aber wenn solche Dinge passieren, möchte man einfach alles hinschmeißen“, antwortet Alfred Selbenbacher auf die Frage, ob er wirklich ans Aufgeben denke.
Dann denkt er an die schrecklichen Momente des Angriffs zurück. „Ich habe nichts mehr gesehen, nur noch schwarz. Es fühlte sich an, als hätte man mir mit einem Stock auf den Kopf geschlagen. Mir brannte alles, der Hals und der Mund, und meine Augen waren geschwollen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es nur Pfefferspray war. Der Arzt in Bruneck sagte mir, es könnte mit anderen Substanzen gemischt gewesen sein. Sie haben diese Substanz aus nächster Nähe versprüht. Ich stand mit dem Rücken zu ihnen. Als sie mich beschimpften, drehte ich mich um und hatte keine Zeit zu reagieren. Dann sind sie auch noch ohne zu bezahlen geflohen. Zuvor haben sie alles auf dem Tisch, die Teller und die Gläser, zerschlagen“, erzählt der 55-jährige Hüttenwirt aus Gsies.
Seine größte Angst galt seiner Familie. „Obwohl ich nichts mehr sehen konnte, hatte ich vor allem Angst, dass meine Frau und meine beiden minderjährigen Kinder angegriffen werden könnten. Tatsächlich warfen sie ein Glas nach meiner Frau, trafen jedoch meinen 14-jährigen Sohn mit einer Flasche unter dem Auge. Seitdem wacht er nachts auf und hat Angstzustände. So etwas darf nicht passieren, das ist nicht hinnehmbar. Und es hätte noch viel schlimmer kommen können“, denkt Alfred Selbenbacher an den Pfefferspray-Angriff zurück.
Der 55-jährige Hüttenwirt geht mit dem Overtourism und seinen vielen Schattenseiten hart ins Gericht. „Es ist alles überfüllt. Es kommen Leute, die Geld, aber keinen Respekt vor irgendetwas haben. Worte wie ‚Danke‘ oder ‚Bitte‘ hört man nicht mehr. Das ist kein guter Tourismus“, sagt der Hüttenwirt der Kaser Alm. Er fügt hinzu, dass es unter den ehemaligen Landeshauptmännern Silvius Magnago und Luis Durnwalder besser gewesen sei. Die heutigen Landespolitiker hingegen hätten kaum noch Interesse daran, sich der Probleme der Menschen anzunehmen. Die Grenze des Erträglichen sei längst überschritten, meint der Gsieser Hüttenwirt. „Das Land muss Grenzen setzen, denn Geld ist nicht alles“, betont er.
Er möchte sich mit dem Landeshauptmann, dem Landesrat für Tourismus und dem Präsidenten des Hotellerie- und Gastwirteverbands an einen Tisch setzen, um die Probleme, die der Overtourism mit sich bringt, zu besprechen. „Mein Sohn möchte, dass ich die Sache auf sich beruhen lasse, aber ich werde Anzeige wegen Körperverletzung erstatten“, gibt sich Selbenbacher kämpferisch. Er will der Gewalttätigkeit einiger Gäste nicht tatenlos zusehen.
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