Angriffe auf Angehörige der drusischen Minderheit (Illustration)

Israel beschoss Damaskus nach Angriffen auf Drusen

Freitag, 02. Mai 2025 | 22:08 Uhr

Von: APA/dpa/AFP/reuters

Nach tagelanger Gewalt von regierungsnahen Kämpfern gegen die drusische Minderheit in Syrien hat Israel Ziele in der Nähe des Präsidentenpalastes in Damaskus angegriffen. Kampfflugzeuge hätten “die Umgebung des Palastes getroffen”, erklärte die israelische Armee am Freitag im Onlinedienst Telegram. Syrien bezeichnete den Angriff Israels als “gefährliche Eskalation”. Die Übergangsregierung rief die Welt dazu auf die israelischen Luftangriffe auf Damaskus zu verurteilen.

Die internationale Gemeinschaft und die arabischen Staaten müssten “der wiederholten israelischen Aggression” entgegentreten und alles tun, um sie zu beenden, hieß es in einer Mitteilung des Präsidentenpalasts. Israel stuft die neue syrische Übergangsregierung unter Präsident Ahmed al-Sharaa als Jihadisten ein. Seit dem Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Bashar al-Assad durch von Islamisten angeführte Milizen im Dezember griff die israelische Luftwaffe bereits hunderte Ziele in Syrien an.

Explosion in ganz Damaskus zu hören

Die Explosion am Präsidentenpalast im Morgengrauen war in ganz Damaskus zu hören, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Wie das syrische Präsidialamt bestätigte, wurde auch die Umgebung des Präsidentenpalasts getroffen. Damaskus bezeichnete die Angriffe als “gefährliche Eskalation und Versuch, Syrien zu destabilisieren und die Einheit des Landes zu untergraben”.

Syrische Medien meldeten auch einen Luftangriff nahe der Stadt Suweida. Israels Militär teilte auf Anfrage mit, ihr sei kein Angriff dort bekannt. Wenige Stunden später teilte die israelische Armee mit, dass sie Truppen in den Süden Syriens verlegt habe, um “das Einrücken feindlicher Kräfte in die drusischen Dörfer zu verhindern”.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte zuvor gedroht, Israel werde mit Härte reagieren, wenn die islamistische Regierung Syriens die drusische Minderheit nicht schütze.

Katz und Netanyahu: “Klare Botschaft” an syrische Machthaber

Katz und Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu bezeichneten den Angriff in einer gemeinsamen Erklärung als “klare Botschaft” an die neuen, islamistischen Machthaber in Syrien. “Wir werden nicht zulassen, dass Truppen südlich von Damaskus entsandt werden oder die drusische Gemeinschaft bedroht wird”, betonten sie.

In den vergangenen Tagen waren bei Kämpfen zwischen regierungsnahen Einheiten und Drusen nahe Damaskus laut Aktivisten mehr als hundert Menschen getötet worden. Bei den Kämpfen standen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge “Truppen des Innen- und des Verteidigungsministeriums und mit ihnen verbündete Truppen” den drusischen Kämpfern gegenüber. Auslöser der jüngsten Gewalt war laut der Beobachtungsstelle die Veröffentlichung einer von Muslimen als “blasphemisch” eingestuften und einem Drusen zugeschriebenen Audiobotschaft. Die Organisation hat ihren Sitz in Großbritannien und bezieht ihre Informationen aus einem Netz von Informanten und Aktivisten vor Ort. Ihre Angaben sind schwer überprüfbar.

Der religiöse Anführer der syrischen Drusen sprach am Donnerstag von einer “Völkermordkampagne” der regierungsnahen Truppen. Diese sei “durch nichts zu rechtfertigen”, erklärte Scheich Hikmat al-Hijri. Er warf der Regierung vor, “extremistische Milizen zu entsenden” und “nach den Massakern zu behaupten, es handle sich um ungehorsame Elemente”. Al-Hijri forderte “internationale Kräfte” zum sofortigen Eingreifen auf.

Die syrische Regierung machte “gesetzlose Gruppen” für die Kämpfe verantwortlich. In Syrien leben etwa 700.000 Drusen. Die aus dem Islam hervorgegangene religiöse Minderheit macht etwa drei Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Drusen leben auch im Libanon, in Israel und auf den von Israel besetzten Golanhöhen an der Grenze zu Syrien.

Die neue syrische Führung hat wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Übergangspräsident al-Sharaa gibt sich seit dem Sturz Assads Anfang Dezember durch seine islamistische HTS-Miliz betont gemäßigt. Im März war es jedoch in vorwiegend von Angehörigen der religiösen Minderheit der Alawiten bewohnten Regionen zu Massakern gekommen, bei denen Aktivisten zufolge mehr als 1.700 Zivilisten getötet wurden.

Israels Angriff erfolgte wenige Stunden nachdem hochrangige drusische Geistliche und bewaffnete Gruppen als Reaktion auf die Gewalt ihre Loyalität gegenüber Damaskus bekräftigt und jegliche Forderungen nach einer Abspaltung zurückgewiesen hatten. Die Vertreter der Religionsgemeinschaft forderten die Behörden außerdem auf, lokale Amtsträger in der Provinz Sweida, ihrer Hochburg, zu ernennen.

Treffen von Drusenvertretern mit Regierung

Vertreter der Drusen und der Regierung trafen nach den Zusammenstößen zudem eine Deeskalationsvereinbarung, die zu Truppenentsendungen und zu verschärften Sicherheitsvorkehrungen in den betroffenen Gebieten nahe Damaskus führte. Syrischen Behörden zufolge umfasste die Vereinbarung auch die sofortige Abgabe schwerer Waffen. Ein AFP-Fotograf beobachtete, wie Soldaten Kontrollpunkte von drusischen Bewaffneten übernahmen.

Rund 1 Million Drusen im Nahen Osten

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, deren Mitglieder vor allem in Syrien, Israel und im Libanon leben. Nach Schätzungen gibt es rund eine Million Drusen im Nahen Osten. In Israel dienen viele von ihnen freiwillig in der Armee – der jüdische Staat sieht sie als Verbündete. In Syrien galten die Drusen unter dem früheren Assad-Regime als loyale Bürger. Im Libanon verfügt die Volksgruppe vor allem durch den mächtigen Joumblatt-Clan über politischen Einfluss.

Das Drusentum entstand im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam. Da es jedoch auch verschiedene nicht-islamische Lehren, etwa die Reinkarnation, beinhaltet, wird sie als eigenständige Religion angesehen. Die tieferen theologischen Inhalte sind nur so genannten Eingeweihten zugänglich, zu denen Männer und Frauen gehören. Ein Übertritt zur drusischen Religion ist nicht möglich, es gilt eine strikte Endogamie (Heirat nur innerhalb der Religionsgemeinschaft).

Deutschland und USA verurteilen Gewalt

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die seit Tagen anhaltende Gewalt und forderte Gespräche zwischen der syrischen Regierung und den Minderheiten. Die USA bezeichneten die Gewalt gegen die Drusen als “verwerflich und inakzeptabel”. Die Übergangsbehörden in Damaskus müssten “die Kämpfe einstellen” und die Täter zur Rechenschaft ziehen, sagte Außenministeriumssprecherin Tammy Bruce. Katar verurteilte die Angriffe Israels als Akt der Aggression und gravierenden Völkerrechtsbruch.

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