Rauch nach Explosionen in Doha

Israel weist Kritik der USA an Angriffen in Katar zurück

Mittwoch, 10. September 2025 | 18:09 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Israel hat Kritik der USA an seinen Angriffen auf die Führungsebene der radikalislamischen Hamas in Katar zurückgewiesen. US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag jegliche Beteiligung der USA an den Angriffen dementiert. Washington bedauere, dass der Angriff im verbündeten Staat Katar stattgefunden habe, teilte er mit. Israels Verteidigungsminister Israel Katz rechtfertigte den Angriff.

“Diese Entscheidung wurde von (Israels) Ministerpräsident (Benjamin) Netanyahu getroffen, nicht von mir”, schrieb Trump in seinem Onlinedienst Truth Social. Katar sei ein “starker Verbündeter und Freund der USA” und er bedauere den “Ort des Angriffs” sehr, fügte der US-Präsident hinzu. Er ergänzte aber, die Bekämpfung der Hamas sei weiter ein “lohnendes Ziel”.

Zuvor hatte bereits die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, erklärt, Trump sehe Katar “als starken Verbündeten und Freund der Vereinigten Staaten”. Der Golfstaat habe sich gemeinsam mit den USA sehr engagiert und mutig für Frieden im Nahen Osten eingesetzt, der Luftangriff in der Hauptstadt Doha diene daher “weder Israels noch Amerikas Zielen”.

“Wir handeln nicht immer im Interesse der Vereinigten Staaten”, betonte dazu Israels UNO-Botschafter Danny Danon am Mittwoch gegenüber einem israelischen Radiosender. “Wir stimmen uns eng miteinander ab und sind dankbar für ihre unglaubliche Unterstützung, aber manchmal treffen wir Entscheidungen und informieren die USA nur”, fügte Danon hinzu.

Verteidigungsminister Katz rechtfertigt Angriff

Der israelische Verteidigungsminister Katz hat den Angriff auf die Führung der Hamas in Katar gerechtfertigt. Israel werde alle, die am Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 beteiligt waren, zur Rechenschaft ziehen, sagte Katz. “Israels Sicherheitspolitik ist klar: Israels langer Arm wird überall gegen seine Feinde vorgehen. Es gibt keinen Ort, an dem sie sich verstecken können.” Viele hochrangige Hamas-Funktionäre leben in Katar. Er drohte der Terrororganisation erneut damit, sie zu vernichten und den Gazastreifen zu zerstören, sollten die Islamisten Israels Bedingungen für ein Kriegsende nicht akzeptieren. Israel fordere vor allem die Freilassung aller Geiseln sowie die Entwaffnung der Hamas.

“Diese Personen sind keine Verhandlungsführer, sondern Terroristen, die Israelis und die ganze Welt terrorisiert haben”, betonte dazu auch die israelische Botschaft in Österreich in einer Presseaussendung vom Mittwoch. “Jahrelang hatten sie jede Gelegenheit, die Schreckensherrschaft der Hamas zu beenden, doch stattdessen entschieden sie sich dafür, sie aufrechtzuerhalten und auszuweiten. Sie tragen die volle Verantwortung nicht nur für das Schicksal der Geiseln, sondern auch für das Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die sie als menschliche Schutzschilde missbrauchen.”

Katar beschwert sich bei UNO über Israels Angriff

Katar wandte sich indes nach dem israelischen Angriff auf führende Hamas-Mitglieder in der Hauptstadt Doha mit deutlichen Worten an die Vereinten Nationen. In einem Schreiben an UNO-Generalsekretär António Guterres und die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats verurteilte Katar den Luftangriff vom Dienstag auf das Schärfste, wie das Außenministerium in Doha mitteilte. Es handle sich um einen “kriminellen Überfall” und einen “eklatanten Verstoß gegen alle internationalen Gesetze und Normen”. Die Sicherheit der in Katar lebenden Menschen sei dabei massiv gefährdet worden.

Guterres hatte den israelischen Angriff auf die Führungsspitze der Hamas in Katar bereits mit scharfen Worten kritisiert. “Ich verurteilte diese eklatante Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars”, sagte Guterres gestern in New York. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschäftigt sich am Mittwoch (21.00 Uhr MESZ) mit dem Angriff.

An seiner Rolle als Vermittler im Gaza-Krieg will Katar jedoch festhalten. “Vermittlung und Diplomatie ist Teil der katarischen Identität”, sagte Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Dienstagabend vor Journalisten. “Sie wird weitergehen, und nichts wird uns davon abhalten, diese Rolle bei allen Themen (…) in der Region fortzusetzen, bis wir Stabilität für unsere Region und unser Volk erreicht haben.”

Unterdessen werden einem Insider zufolge in Katar Solidaritätsbesuche von hochrangigen Regierungsvertretern aus der Region erwartet. Der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, sei bereits angekommen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur WAM. Im Laufe des Tages solle der jordanische Kronprinz Hussein eintreffen, sagte die mit dem Vorgang vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman werde am Donnerstag erwartet. Die Besuche seien vor dem Angriff nicht geplant gewesen.

Sechs Menschen getötet

Bei dem israelischen Überraschungsangriff waren am Dienstag nach Hamas-Angaben sechs Menschen ums Leben gekommen, darunter der Sohn des ranghöchsten Hamas-Anführers im Ausland, Khalil al-Hayya, sowie dessen Büroleiter. Al-Hayya ist der höchste Hamas-Führer im Ausland, der auch die Hamas-Delegation bei den indirekten Verhandlungen mit Israel um eine Waffenruhe leitet. Al-Hayya hielt sich die meiste Zeit in Katar auf. Andere höhere Hamas-Funktionäre im Ausland leben ebenfalls zumeist in Katar oder in der Türkei. Israel hatte zuletzt mit Angriffen auf Hamas-Führer im Ausland gedroht.

Der israelische Ministerpräsident Netanyahu nannte den Luftangriff, an dem nach Medienberichten mehrere Kampfjets und Drohnen beteiligt waren, “optimal und präzise”. Es sei eine Reaktion auf den tödlichen Anschlag zweier Hamas-Mitglieder in Jerusalem, bei dem am Montag sechs Menschen getötet worden waren, und einen tödlichen Hamas-Angriff auf Soldaten im Gazastreifen.

Hingegen nahm der türkische Geheimdienst MIT einem Medienbericht zufolge für sich in Anspruch, durch eine rechtzeitige Information an Hamas-Vertreter ein “Massaker” verhindert zu haben. Hamas-Vertreter sagten der regierungsnahen Zeitung “Türkiye”, der MIT habe das Verhandlungsteam vor dem Angriff informiert und die Sicherheitsprotokolle seien verschärft worden. Ein Spezialteam habe den Flugverlauf der israelischen Flieger überwacht. Die Hamas hatte den Angriff bereits am Dienstag als “gescheitert” bezeichnet, weil kein Mitglied des Verhandlungsteams dabei getötet worden sei.

Österreich “besorgt”, Kritik aus Paris, Berlin und London

Das Außenministerium in Wien zeigte sich auf X und Bluesky “zutiefst besorgt”. Diese Attacken “verletzen die territoriale Integrität und Souveränität von Katar”. “Sie gefährden die Geiseln und untergraben die Verhandlungen über einen dringend notwendigen Waffenstillstand in Gaza. Wir rufen alle dazu auf, von weiteren Maßnahmen abzusehen, die die regionale Stabilität gefährden”, postete das Ministerium. Auch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) verurteilte den israelischen Angriff und erinnerte an die Bemühungen Katars für die Geisel-Freilassung, darunter auch jene des österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürgers Tal Shoham. “Jede diplomatische Anstrengung ist enorm wertvoll um Eskalationen zu verhindern! Der heutige Angriff Israels in Doha verletzt die territoriale Souveränität Katars und frustriert alle politischen und diplomatischen Anstrengungen für eine friedliche Zukunft in der Region”, teilte sie am Dienstagabend auf X mit.

Der französische Präsident Emmanuel Macron kritisierte die israelischen Luftangriffe scharf. Diese seien “inakzeptabel, unabhängig vom Grund”, schrieb Macron am Abend im Onlinedienst X. “Der Krieg darf sich in keinem Fall in der Region ausbreiten”, betonte der französische Präsident und drückte seine “Solidarität mit Katar und seinem Emir, Scheich Tamim Al-Thani” aus. Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz nannte die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars in einem Telefonat mit dem Emir “nicht akzeptabel”, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte.

Der britische Premierminister Keir Starmer äußerte sich ähnlich kritisch. “Ich verurteile die Angriffe Israels auf Doha”, schrieb er auf X und fügte an: “Priorität müssen ein sofortiger Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und eine massive Aufstockung der Hilfsleistungen für den Gazastreifen sein.” Dies sei “die einzige Lösung für einen dauerhaften Frieden”.

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