Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag gingen die Arbeiten heute Nachmittag mit einem Antrag der Lega weiter. Außerdem wurde das Landesgesetz für Kulturgüter durch Landesrätin Hochgruber Kuenzer präsentiert und Generaldebatte angeschnitten.
Beschlussantrag Nr. 725/23 Jugendgewalt (eingebracht von der Abgeordneten Mattei am 15.06.2023; Änderungsantrag vom 06.07.2023): Der Landtag möge die Landesregierung und das Präsidium des Landtags verpflichten, 1) sich dafür einzusetzen, die Landessozialdienste wo notwendig auszubauen und einen Arbeitstisch einzurichten, an dem die Sozialdienste und die Politik vertreten sind, um das Phänomen der Jugendgewalt zu vertiefen und eine Lösung für dieses zu finden; 2) bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft einen Landesdienst einzurichten, an den Angriffe, Drohgebärden, Mobbing und vergleichbare Vorfälle, an denen Minderjährige beteiligt sind, über eine grüne Nummer und eventuell auch über eine dafür vorgesehene E-Mail-Adresse gemeldet werden können; 3) zu prüfen, ob das Land Südtirol als Nebenkläger gegen die Täter auftreten sollte, die Straftaten gegen die öffentliche Ordnung oder Vandalenakte begangen haben, insbesondere, um bei Beschädigung des öffentliches Guts Schadensersatz einzufordern; 4) zu bewerten, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Eltern von an Gewalttaten beteiligten Minderjährigen, nicht essenzielle Landesbeiträge und Förderungen zu streichen.
„Vom Steinhagel, der auf einen Schulbus niederprasselte, über den Angriff mit einer Elektroschockpistole vor einem Schulgebäude bis hin zur wiederholten Überflutung einer Meraner Schule: Gewalttaten und Vandalismus gehören in Südtirol inzwischen zur Tagesordnung“, unterstrich Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) in den Prämissen ihres Antrag. Eine schier nicht enden wollende Reihe an Vorkommnissen: Zu Taten wie diesen komme es in ganz Südtirol, nicht nur in der Landeshauptstadt. In Leifers hätten zwei Jugendliche in einer „Nacht des Wahnsinns“ Schäden im vierstelligen Bereich an Autos und Geschäften angerichtet. In Meran seien die Scheiben von mehr als 50 Autos eingeschlagen worden; das gleiche Schicksal habe auch ein Bus des ÖPNV erlitten, der während eines Zwischenhaltes in Bahnhofsnähe parkte. In Meran würden 500.000 Euro nicht ausreichen, um die Schäden der beiden Vandalenakte zu beheben, mit denen die Mittelschule „Segantini“ unter Wasser gesetzt wurde: Dies sei ein wahrer Albtraum für Meran, die eigentlich die lebenswerteste Stadt der Welt sein könnte. Auch öffentliche Plätze, wie jener im Bozner Viertel Europa-Neustift und zahlreiche Denkmäler würden durch Schmierereien verunstaltet – viele davon richteten sich gegen die Ordnungskräfte. Vor Schulgebäuden komme es zu Vandalenakten aller Art, weshalb die Schuldirektoren mehr Videoüberwachung fordern. Zwar seien sie sich nicht sicher, dass dies eine abschreckende Wirkung haben werde, doch so könnten jedenfalls die Dynamiken beobachtet und die Schuldigen identifiziert werden. Vor dem Einkaufszentrum in Algund hätten am 29. Januar 2022 fünf minderjährige Übeltäter – mit einer unglaublichen Aggressivität und Unverfrorenheit zwei Gleichaltrige verprügelt und getreten. Oder, ebenfalls in Meran: Nach den Vorfällen im Schulzentrum „Gandhi“ vom September, sei es im Oktober zu einer Massenschlägerei zwischen rund 40 Jugendlichen gekommen; zehn der involvierten Minderjährigen seien angezeigt worden. Das Phänomen der Jugendgewalt sei besorgniserregend. Ein weiterer Grund zur Sorge sei das ständige Mobbing von Gleichaltrigen und die Angriffe gegen Eltern und Lehrpersonen. Der Bericht des Forschungszentrums Transcrime, der von der Università Cattolica del Sacro Cuore in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und dem Justizministerium verfasst wurde, beschreibe besorgniserregende Zustände, die schon längst auch in Südtirol herrschten. Trotzdem behaupteten einige, dass das Phänomen gar nicht existiere, dass es unter Kontrolle sei oder sogar abnehme. Wer dazu neige, die Vorfälle zu bagatellisieren, kenne sich mit Jugendgewalt wahrscheinlich nicht gut aus. Es sei nicht schwer, sich vorzustellen, dass sich das Phänomen weiter ausbreiten werden, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen würden. „Daher muss etwas getan werden!”, so Mattei. Vieles sei bereits unternommen worden. Die Strategien, die in Südtirol von der öffentlichen Hand ergriffen wurden, hätten sich jedoch als unzureichend erwiesen: In einigen Fällen seien sie zu schwach gewesen, in anderen unwirksam. Südtirol könne auf seine Sozialdienste zurückgreifen, aber diese stünden auch aufgrund der Pensionierungen und der Schwierigkeiten, neues Personal anzustellen, vor immer größeren Herausforderungen. Es stehe außer Zweifel, dass ein solch heikles Problem den Ausbau der Sozialdienste, die diesen auf die schiefe Bahn geratenen Jugendlichen gegenübertreten, erforderlich mache. Das Land müsse, um gegen Jugendgewalt vorzugehen, entschiedenere Maßnahmen ergreifen als bisher. Die Bürger dürften nicht allein gelassen werden, es müsse ihnen zugehört werden. Den Eltern der Opfer, die oft selbst Opfer seien, müsse die Möglichkeit gegeben werden, kriminelles Verhalten und Gewalttaten anzuzeigen. „Wir dürfen nicht einfach den Kopf in den Sand stecken, wenn sich Eltern an uns wenden, weil sie weder ein noch aus wissen”, so Mattei.
Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sagte, er sei einverstanden mit der Sorge, die die Abg. Mattei geäußert habe: Man habe tatsächlich ein Problem mit der zunehmenden Jugendgewalt. Die Lega mache seit Langem Propaganda mit diesem Thema. Doch habe sich die Abgeordnete nie gefragt, warum das so sei? Es gebe zahlreiche Maßnahme, die man ergreifen könne, um der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Er denke, dass dieser Beschlussantrag Populismus sei. Seit die Lega an der Regierung sei, könne sie die Schuld für die Problematik nicht mehr anderen zuschieben. Den Punkt 4 des Antrags habe er schon irgendwo gelesen: Man habe im Landtag darüber lange diskutiert, es habe geheißen, die Landesregierung werde prüfen, was man tun könne.
Brigitte Foppa (Grüne) bat um Prüfung, ob der vom Abg. Nicolini angesprochene Antrag des Abg. Galateo bereits vor einem halben Jahr behandelt worden sei. Wenn nicht, könne der vorliegende Beschlussantrag laut Geschäftsordnung nicht behandelt werden. Es könne sein, dass die Gewalt zugenommen habe – sicher sei, dass die Berichterstattung darüber zugenommen habe. Die Gesellschaft habe Angst um ihre Kinder und Jugendlichen und das dürfe nicht sein. Was sie noch mehr besorge, sei, was sie im IV. GGA gehört habe zum psychischen Zustand und dem Unbehagen der Kinder und Jugendlichen nach der Pandemie. Sie frage sich, ob das im Antrag Vorgeschlagene der richtige Ansatz sei – ob statt Strafen nicht sehr viel mehr Prävention und Auffangen notwendig wäre. Zu Punkt 2: Sie finde, es liege nicht im Aufgabenbereich der Kinder- und Jugendanwaltschaft, das müsse eventuell gesetzlich geändert werden.
Vizepräsident Josef Noggler informierte darüber, dass der Antrag zum Thema des Abg. Galateo nach der Diskussion zurückgezogen worden sei; die Behandlung des vorliegenden Beschlussantrags der Abg. Mattei sei also rechtens.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) sagte, sie frage sich, warum die Kollegin Mattei sich als Präsidentin des Landtags mit diesem Antrag selbst beauftrage – das hätte sie sich sparen können und sie, Rieder, finde das etwas verwunderlich. Sie wisse, dass man bei den Ombudsstellen Personalprobleme habe – und wenn nun zusätzliche Dienste eingerichtet würden, wie würde dann die Betreuung erfolgen. Würden neue Mitarbeiter eingestellt? Natürlich würde auch das Team K die Sorge über die Gewalt teilen, doch es sei fragwürdig, was die Presse hier mache. Sie möchte auch wissen, was mit “nicht essenziellen Landesbeiträgen” gemeint sei – ein Landesbeitrag stehe zu oder nicht. Der Antrag sei populistisch.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) erinnerte daran, dass der LH ein ständiges Mitglied des Arbeitstisches für die Sicherheit sei. Dazu gebe es für ihn die Möglichkeit, durch die Sozialdienste Informationen einzuholen, um über die Situation informiert zu sein. Dazu könne er auch einen Ad-hoc-Tisch einrichten. Es wäre zweckmäßig gewesen, auf die Prävention zu setzen: In Bozen habe sich diese als wirksam erwiesen, etwa in Vierteln wie Europa-Neustift und Don Bosco. Grundlegend wären die Überwachung und die Prävention sowie die kontinuierliche Hilfe für die Opfer. Man müsse wissen, dass die Jugendlichen selbst eine ständige Unterstützung bräuchten. Man habe das Thema Jugendgewalt unter unterschiedlichen Aspekten hier öfter behandelt. Es wäre interessant zu wissen, was die LR für Maßnahmen durch die Sozialdienste getroffen habe. Und ob es wirklich stimme, dass das Phänomen im Steigen sei. Der vierte Punkt sei unannehmbar, wie bereits die Abg. Rieder gesagt habe. Er könne einem solchen Beschlussantrag nicht zustimmen.
Alle hätten wohl noch das Video vom Steinhagel auf den Bus im Gedächtnis, so Josef Unterholzner (Enzian) – so etwas dürfe nicht passieren. Man habe in Italien hier eine Gesetzeslücke, die Jugendlichen wüssten, dass ihnen nichts passiere. Der Haken liege darin: Wenn man heute einen Einbrecher im Haus habe und die Carabinieri rufe, dann kämen sie nicht; doch wenn Leute zu schnell fahren, dann sind die Ordnungshüter da. Egal, ob es Einheimische oder Einwanderer seien, es müsse gelten, dass die Eltern für ihre Kinder haften. Wenn Einwanderer solche Dinge anstellten, dann müssten sie sofort nach Hause geschickt werden. Man sehe, was derzeit in Frankreich passiere.
Es sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, so Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), wenn die Medien nicht mehr über die Gewalttaten berichteten. Nicht berichten und verschweigen sei die schlechteste Lösung. Man solle endlich Ross und Reiter nennen, das seien nämlich nicht “unsere” Kinder – das seien zu 90 Prozent Ausländer. Denen passiere nichts und sie würden “uns” auslachen – und solange ihnen nichts passiere, würden sie weitermachen. Er sei nicht für Sippenhaft, aber es müsse Konsequenzen geben, wenn sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmerten. Er sei mit der Sozialträumerei, man müsse sich nur in einem Redekreis treffen, nicht einverstanden. Die Leute wollten, dass man im Landtag Probleme löse. Er wolle, dass solche Leute abgeschoben werden, damit “unsere” Leute im Land wieder sicher seien.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) stellte klar, dass die Opfer Hilfe und Betreuung brauchten – aber es helfe den Opfern nicht, wenn ihnen Sozialleistungen weggenommen würden. Vor 30 Jahren habe man in den Medien noch über Selbstmorde im Land berichtet, mittlerweile sei man davon abgegangen, weil Psychologen davon abgeraten hätten.
Er sei mit dem Beschlussantrag einverstanden, betonte Marco Galateo (Fratelli d’Italia). Das Thema sei sehr aktuell und es sei wichtig, darüber zu sprechen. Er sei kein Psychologe, doch er glaube, dass man die Suizidberichterstattung nicht mit der Jugendgewalt vergleichen könne. Es sei ein großes Problem, dass niemand von den Vertretern der Linken das Thema angehen möchte. Es gebe jeden Tag Meldungen darüber, dass es im ganzen Land Jugendliche gebe, die Angst hätten, das Haus zu verlassen, mit dem Bus zur Schule zu fahren. Man habe zahlreiche Arbeitstische eingerichtet, nun müsse man einen Schritt mehr gehen. Im Trentino gebe es ein Punktesystem für Sozialwohnungen, wenn jemand Straftaten begehe, würden Punkte abgezogen.
Vizelandeshauptmann Giuliano Vettorato sagte, er sei mit vielem einverstanden, was die Abg. Mattei und andere gesagt hätten. Es sei schon einiges getan worden, um dem Problem Herr zu werden. Aufgrund der Pandemie sei ein Unbehagen unter den Jugendlichen, der Bevölkerung entstanden. Er habe als Schul-LR 26 Psychologen an den Schulen vorgesehen. Es brauche ein Netz, das es bereits gebe, das aber auch ausgeweitet werden sollte. Politisch gesehen glaube er, dass der Beschlussantrag der Präsidentin Mattei angenommen werden sollte – es sei ein wichtiges Zeichen. Es müssten Maßnahmen getroffen werden; man müsse zusätzliche Instrumente schaffen, um das Problem zu lösen. Es könne auch sein, dass die Täter zum Teil selbst Opfer seien.
Rita Mattei (Lega Salvini Alto Adige Südtirol) unterstrich, dass sich zahlreiche Personen an sie gewandt hätten, weil sie riesige Probleme wegen Jugendgewalt hätten. Das von ihr Vorgeschlagene sei bestimmt kein Allheilmittel, doch man müsse etwas machen. Die italienische Regierung sei dabei einen Gesetzentwurf zu den Babygangs auszuarbeiten. An die Abg. Foppa gerichtet wolle sie sagen, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft sich sehr wohl solcher Dinge annehmen könne. Die Betroffenen wüssten zum Teil nicht, dass es die KIJA gebe – und wie bei Gewalt gegen Frauen, wo eine Grüne Nummer eingerichtet wurde, sei es auch in diesem Fall möglich, damit Betroffene zum Dienst gelangen könnten. Es irritiere die Eltern der Opfer, wenn den Tätern nicht passiere. Das sei irgendwie eine Einladung an andere Kinder und Jugendliche, dies nachzuahmen. All das, was zusätzlich angeboten werden könne, solle man anbieten, um Betroffene zu unterstützen.
Brigitte Foppa (Grüne) wies darauf hin, dass in Punkt 2 auf die Kinder- und Jugendanwaltschaft verwiesen werde. Doch die Ombudsstelle sollte nicht für die Täter, sondern für die Opfer sein. Rita Mattei (Lega) stellte klar, sie habe mit der KIJA gesprochen, die bereits heute den Menschen, meist seien es die Opfer, die dort anrufen, antworte – sie sei sehr wohl der richtige Ansprechpartner.
Der Antrag (mit Ausnahme Punkt 2) wurde mit 20 Ja und 7 Nein angenommen; Punkt 2 wurde 18 Ja, 8 Nein und einer Enthaltung angenommen.
Als nächster Tagesordnungspunkt wurde der Landesgesetzentwurf Nr. 142/23 Landesgesetz für Kulturgüter (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag der Landesrätin für Raumordnung, Landschaftsschutz und Denkmalschutz Maria Hochgruber Kuenzer) behandelt: Laut Begleitbericht der Einbringerin sollen mit dem LGE „im Sinne der Optimierung des bisherigen gesetzlichen Rahmens zeitgemäße Bestimmungen zum Umgang mit den beweglichen und unbeweglichen materiellen Kulturgütern, dem Kulturgütererhalt, der Denkmalpflege und dem Denkmalschutz vorgeschlagen werden“.
LR Maria Hochgruber Kuenzer führte aus, dass dieser Gesetzesentwurf das Ergebnis der Überarbeitung von zwei Landesgesetze sei, nämlich des Landesgesetzes Nr. 26/1975 betreffend die Errichtung des Landesdenkmalamtes, welches die Kunst- und Baudenkmäler sowie die Archäologie regelt, sowie des Landesgesetzes Nr. 17/1985 betreffend die Regelung des Archivwesens und die Errichtung des Südtiroler Landesarchivs. Durch den vorliegenden LGE kämen einige Neuerungen, unter anderem die Ziele, die der Erhaltung der Kulturgüter, dem Denkmalschutz und der Denkmalpflege zugrunde liegen. Die Landesrätin wies darauf hin, dass die Landesregierung innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes spezifische Leitlinien zur Denkmalpflege beschließen müsse, um das Handeln des Landesdenkmalamtes zum Schutz und zur Pflege der Kulturgüter transparenter zu gestalten. Die Landesrätin verwies zudem auf das obligatorische Gutachten des Denkmalbeirats im Falle des Abbruchs von unter Ensembleschutz stehenden Gebäuden. Neu sei ebenso das Chronikwesen, wie auch – im Bereich Förderbeiträge – die Möglichkeit, dass kleine Baudenkmäler in der Landschaft auch ohne unter Denkmalschutz zu stehen, gefördert werden könnten. Sie glaube, dass mit dem Gesetz Denkmalschutz, Forschung und Digitalisierung auf eine Basis für die Zukunft gestellt werde.
Die Generaldebatte zum LGE wurde mit einem Beitrag von Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) eröffnet. Die Abgeordnete sagte, dass auch in diesem Fall die Diskussionen im Ausschuss sehr konstruktiv gewesen seien – es habe sehr viele Fragen gegeben, für die die Beamten zur Verfügung gestanden hätten. Es gehe in dem Gesetz um sehr viele verschiedene Bereiche, und es gehe um die Sensibilität, dass es sich nicht um “alten Krempel” handle, sondern um Erhaltenswertes, das auch weitergegeben werden solle. Das könne der Bevölkerung auch mithilfe des Wissens und des Gespürs von Fachleuten vermittelt werden. Sie fände es schade, dass der Passus mit dem Gutachten Denkmalbeirats im Falle des Abbruchs von unter Ensembleschutz stehenden Gebäuden verwässert worden sei, das zwar verpflichtend nicht bindend sei. In der Bevölkerung werde Denkmalschutz oft als Last empfunden, die Einschränkungen und Mehrkosten mit sich bringe, dies müsste eigentlich auch verändert werden. Es sei deshalb wichtig, dass Beiträge vergeben würden, die vermittelten, dass es eigentlich ein Mehrwert sei, in einem alten Gebäude, einem Kulturgut zu leben. Es brauche Feingefühl und es müsse Wissen vorausgehen, damit man wisse, ob etwas schützenswert sei; es sei dies ein komplexer Themenbereich, den das Gesetz regle – so einfach wie möglich. Der Zugang zum Thema für die Bevölkerung sei damit so niederschwellig wie möglich. Es gebe vonseiten der Süd-Tiroler Freiheit absolute Zustimmung für den Übergang zur Artikeldebatte. Chronisten leisteten – oftmals ehrenamtlich – eine wertvolle Arbeit für die Bevölkerung und trügen dazu bei Wissen weiterzutragen – durch das Gesetz würden auch diese aufgewertet. Es gehe um die Symbiose, dass es nicht nur um Schützenswerte Gebäude gehe, sondern auch um den Wert von Menschen.
Alex Ploner (Team K) unterstrich, dass mit dem Gesetz das geschützt werde, was man habe und man sichere damit diejenigen rechtlich ab, die verantwortlich seien. Man sehe Kulturdenkmäler, doch viele aus der Bevölkerung wüssten nicht, was alles dahinterstehe, um diese auch zu schützen. Das Gesetz sei ein gut gemachtes. Ein, zwei Dinge, die er kritisiere, werde er jedoch im Rahmen der Artikeldebatte noch anmerken. Er wünsche sich, dass auch in diesem Bereich der Ausgleich zwischen Schützen und Nützen gefunden werde.
Auch er könne seine Komplimente für das Gesetz aussprechen, schickte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) voraus. Es sei ein organisches Gesetz, vor allem Art. 4 mit den Zielsetzungen – wobei Punkt e und Punkt f die Kernpunkte seien. Mit der Veröffentlichung des Landesarchivs solle fortgefahren werden, wobei die Italiener dies nutzen könnten, um den Reichtum des Landes kennenzulernen. In Bezug auf das Inventar und die Katalogisierung wolle er sich erkundigen, ob dies bereits im Gange sei. Es gebe Manuskripte und sehr wertvolle Bücher im Landesarchiv, deshalb sollte man die Einrichtung besuchen. Die Kennzeichnung der Baudenkmäler sei sehr interessant, er wisse allerdings nicht, ob dies eine Neuheit sei, ebenso wenig ob mit dem Art. 33 Historische Ortskerne und Innenstädte das Problem tatsächlich gelöst werden könne. Man werde sehen, was in Zukunft geschehe. Der Abgeordnete erinnerte an eine seiner Anfragen zu den Kosten für den Abdruck historischer Abbildungen. Klar sagen wolle er, dass sich die Bevölkerung dessen bewusstwerden müsse, dass die Kulturgüter Teil des Landes seien – diese gelte es schätzen und lieben zu lernen. Er werde für den LGE stimmen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) bemerkte, der LGE enthalte einige Dinge, die es dringend notwendig gewesen sei, niederzuschreiben. Anderes fehle noch, er denke etwa an die Übertragung der Dinge aus dem Staatsarchiv, wo die Gefahr bestehe, dass Dinge verloren gingen, weil im Archiv nichts katalogisiert sei. Es gehe um “unsere” Identität, deshalb müsse dringend etwas gemacht bzw. das Ganze aufgearbeitet werden. Es sei ihm klar, dass das nicht von heute auf morgen gehe. Es gehe nicht nur darum, Dinge zu archivieren, sondern auch, sie für die Nachwelt zugänglich zu machen. Es gebe etwa die Pfarrmatriken, die man in einem Euregio-Projekt online zugänglich machen könnte. Die italienischsprachige Bevölkerung wisse zum Teil über den Kulturschatz, den man in Südtirol habe, viel zu wenig Bescheid, das habe bereits der Abg. Repetto angemerkt. Dazu verwies der Abgeordnete Knoll auf die Straßennamen, die sich geändert hätten: Es wäre interessant, wenn man die historischen Straßennamen – so wie andernorts – sichtbar machen und erklären könnte. Man habe es verabsäumt, einen bedeutenden Teil der Geschichte hinsichtlich der technischen Kulturgüter zu dokumentieren: die Zeit von 1920 bis in die 60er-Jahre hinein, eine Periode, in der man im Land eine enorme Entwicklung durchlaufen habe. Es gelte nun, solche Dinge zu dokumentieren, bevor sie endgültig verloren gingen. Die Sondengänger, die in Art. 35 des LGE behandelt würden und Einschränkungen erlebten, hätten in den vergangenen Jahren sehr viele wertvolle Dinge gefunden, das Denkmalamt und die Archäologie würden dadurch mitunter auf wichtige Fundstellen aufmerksam gemacht. Im Land ginge immer wieder wertvolle Bausubstanz verloren, weil sie entweder abgerissen oder verfallen gelassen würde – ihm blute dabei manchmal das Herz. Und er frage sich, was sich das Denkmalamt bei bestimmten Projekten denke und warum historisch schöne und wertvolle Architektur zerstört werde. Das sei ein Verlust an Geschichte und Stadtarchitektur. Er hoffe, dass das Gesetz dazu beitragen werde, dass man die architektonischen Denkmäler, die man im Land habe, schütze und erhalte.
Das Gesetz sei ein gutes, er werde dafür stimmen, schickte Marco Galateo (Fratelli d’Italia) voraus. Im Gesetz stünde die Bewahrung des historischen und kulturellen Gedächtnisses für die Nachwelt im Fokus. Beispiele seien der historische Brunnen am Delago-Platz in Bozen, der von Privaten restauriert worden sei, römische Überreste, die bei Renovierungsarbeiten im Grieserhof gefunden und vom Ministerium unter Schutz gestellt worden seien, und Semirurali-Park in der Alessandria-Straße, wo die Gemeinde Bozen beim Schutz römischer Überreste unterstützt werden solle. Allerdings gebe es am LGE auch Korrekturbedarf: Zum einen solle ein kulturelles Mäzenatentum ermöglicht werden, ähnlich dem staatlich geförderten Kunstbonus – er habe eine diesbezügliche Tagesordnung eingebracht. Mit dem Kunstbonus sei etwa die Arena in Verona restauriert worden oder Instandhaltungsarbeiten an der Basilika der Santissima Annunziata in Florenz finanziert. Mit Änderungsanträgen wollte er indes dafür Sorge tragen, dass dem Ziel der Erinnerung ein Zweck hinzugefügt werde: die Förderung eines “immer fruchtbareren Miteinanders der Sprachgruppen”. Ebenso hinzugefügt werden solle der “Erhalt der hiesigen Traditionen und Kultur” sowie die Verstärkung der Verbindung des Landeskonservators und des Landtags.
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) ergänzte, dass der Abg. Knoll recht habe, wenn er sage, dass es zu den Straßennamen mitunter zusätzliche Erklärungen bedürfe – in Bozen aber habe man dazu bereits einige Initiativen erarbeitet.
Franz Locher (SVP) erklärte, er wolle die Lobeshymnen etwas relativieren. Er wolle aber auch vorausschicken, dass er weder etwas gegen das Denkmalamt noch gegen denkmalgeschützte Gebäude habe, die wesentlich zur Kultur und zum Landschaftsbild im Land beitragen würden. Was wirklich schützenswert sei, solle auch geschützt werden. Das Denkmalamt bemühe sich wirklich, das müsse anerkannt werden – doch es gebe auch Schwachpunkte: Wenn etwas im Allgemeininteresse sei, dann müsse man Beiträge dafür vergeben. Der Kostenfaktor sei nämlich mitunter beachtlich. Der Fokus sei auf viele Höfe gelegt worden, sie seien unter Schutz gestellt worden. Manchmal seien es aber Gebäude, die kaum wohntauglich seien, weil sie in einer Schieflage stünden, weil Balken nicht sanierbar seien etc. In solchen Fällen sei er der Ansicht, dass man nicht auf jede Kleinigkeit achten solle und einvernehmlich mit den Besitzern, dem Denkmalamt und Experten eine Lösung gefunden werden solle. Doch mitunter seien die Auflagen so hoch, dass die Eigentümer die äußerst hohen Kosten für die Sanierung nicht tragen könnten. Wenn es aber im Allgemeininteresse sei, dann müsse man das “ordentlich” finanzieren und das notwendige Kleingeld zur Verfügung gestellt werden. Die Privaten könnten es sich nicht leisten, man wisse, wie die Ertragslage auf kleinen Bergbauernhöfen sei.
Damit wurden die Arbeiten für den heutigen Donnerstag beendet; sie werden morgen um 10.00 Uhr wieder aufgenommen.